Freitag, 14. Januar 2005

Der arme Hund.





Und immer so weiter.





Donnerstag, 13. Januar 2005

schuld in schuhe schieben. gäbe es tauglichere gefässe.





sándor márai, tagebücher 1984-1989, piper, 2002

traumatisierende lektüre. márai notiert verfall und verluste. seine frau lola, in den aufzeichnungen immer nur l. genannt, stirbt anfang januar 1986 (alter, ausgezehrtheit), danach hält er noch drei jahre durch, er weiß selbst nicht, wie und warum, ehe er sich, mit 89, erschießt. zwischen l.'s und seinem eigenen tod sterben, in budapest, seine zwei übriggebliebenen brüder (alter, ausgezehrtheit) und, ein paar blocks entfernt, sein adoptivsohn (42, jähes herzversagen gleich nach dem aufstehen). das jahr vor dem tod l.'s: ihre zunehmende blindheit, ihre zunehmende taubheit, ihre häufiger werdenden zusammenbrüche, ihre zunehmende entkräftung, ein sturz im zimmer nebenan, ein gebrochener arm, der nicht mehr recht zusammenwachsen will, einlieferung ins krankenhaus, abende bei einer fast ständig bewußtlosen, den geliebten körper waschen, putzen, bereden, streicheln, füttern, manchmal ein wacher blick, manchmal ein halbsatz, manchmal eine antwort ("hast du schmerzen?" - "nein"), ihr letzter satz, wochen vor dem tod: "warum sterbe ich so langsam?" sein eigener verfall, die müdigkeit beim gehen von einem zimmer ins andere, die trippelschritte, die anhaltenden autokolonnen beim überqueren der straße, das eine auge völlig blind, im anderen ein glaukom. nachts noch lektüre, ungarische literaturgeschichte, die essays edmund wilsons, marc aurel, ungarische lyriker. nach ihrem tod die lektüre ihrer tagebücher, notizhefte, 120 in einer kiste. nachts träume von einer hotline, vermittels derer er mit ihr kommunizieren kann, schriftbänder, die durch sein bewußtsein laufen, totenticker. der kauf eines revolvers und 50 schuss munition. ein kurs bei der örtlichen polizei, beim ersten termin rechtsbelehrung darüber, unter welchen umständen man auf einbrecher schießen darf, beim zweiten termin schießübungen. er will es nicht verpfuschen, vorher üben. zu den jubiläen (heute ist l. vier wochen tot, drei monate tot, ein jahr tot) einträge über sie, wie sie war, wie sie ihm fehlt, dass religion eine gemeinheit ist, nichts taugt, dass nichts mehr etwas taugt, an allen anderen, immer sporadischer werdenden eintragstagen auch über l. der letzte eintrag 12 wochen vor dem schuss, auf den er sich lange vorbereitet hat: es sei jetzt bald soweit. im nachwort noch, eher nebenher, eine bemerkung über die immensen schwierigkeiten der transkription der tagebücher: márai, schon fast ganz blind, hat mit der schreibmaschine geschrieben - und oft die falschen tasten erwischt.

[beschlossen, sie zu überleben. man kann es keinem antun, nicht zu überleben.]





Mittwoch, 12. Januar 2005

der retro-player (macintosh only) [inniger dank an stackenblochen] spielt die mp3s wie früher im jugendzimmer ab. leiernd, knarzend, knackend, springend. und sofort erinnert sich der körper. wie das war, im jugendzimmer. als die innerweltliche erlösung knisterte.





Dienstag, 11. Januar 2005
  • die kleenex-box.
  • der ausfahrbare vergrößerungsschminksspiegel.
  • die nappalederbriefmappe.
  • das verzeichnis jedes einzelnen zur kette gehörenden hotels, auch jenes in dubai. man könnte ja mal in dubai sein.
  • das milchschokolade-täfelchen auf dem kopfkissen.
  • der knick im kopfkissen.
  • der schuhputzautomat knapp vor dem aufzug.
  • der einsteckschlitz für die keycard, mit der auch das licht angeht.
  • der schalter für die stehlampe, den man nie sofort findet.
  • die konturen des ansonsten nicht mehr sichtbaren teeflecks.
  • das formular zum eintragen des minibar-verzehrs.
  • der dreieckige turm auf dem fernseher mit den anfangszeiten der bezahlfilme.
  • das verzeichnis mit den vorwahlnummern der wichtigsten länder und städte.
  • das schokomüsli im transparenten kunststoffzylinder.
  • die haferflocken.
  • das telefon neben der kloschüssel.
  • die fruchtsafttanks.
  • die wärmebehälter für das rührei, die kross gebratenen frühstücksspeckscheiben, die miniwürste.
  • die beim aufschneiden krümel auswerfenden brötchen.
  • das schneidbrett mit dem angeschnittenen vollkornbrotlaib.
  • das käsebrett mit dem angeschnittenen brie.
  • die in der schüssel mit den halb geschmolzenen eiswürfel aneinander klebenden butterscheiben mit wellschnitt.
  • die in die frühstücksspeckscheiben gerutschte frühstücksspeckscheibengabel.
  • der lautsprecher für den fernsehton im badezimmer.
  • die dunkel kunstfurnierholzfurnierte steckdosenleiste über dem schreibtisch, auf dem die nappalederbriefmappe liegt.
  • die 0 oder 9 für die amtsleitung.
  • der wäschebeutel.
  • der hygienebeutel.
  • das bestellformular für das frühstück.
  • die mit einer banderole gebundene wirtschaftstageszeitung.
  • die überdecke.
  • die unterdecke.
  • die digitaluhr.
  • der weckruf.
  • der beim betreten des zimmers schon angeschaltete fernseher mit dem schwarzen schirm, auf dem links ein grünes oder weißes sektglas sektperlen in die luft perlt und herzlich willkommen, frau dingsbums-dongsbums steht.




[1] meine merkwürdige & unverbrüchliche liebe zum girl paris hilton [she does not know how she moves me] [2] international ponyhof. [3] dass männer von mitte 30 im gesicht immer so verkleidet aussehen. [4] freundschaft, der unique selling point der mittlerweile wieder einmal aufgelösten libertines. [5] das berlinern von gottfried benn ist doch ein wenig unangenehm. [6] das rotlichtviertel in den post-tsunami-phuket-reportagen des spiegels: der beweis, dass sie wirklich da waren. ["reiben wieder tanzend ihre unterkörper an den glänzenden stangen": das musste auch gesagt werden] [7] die mittleren jahre: auch nur so eine wette. [8] korrespondenten an allen schauplätzen der welle. [9] g., die mir vor mehr als 25 jahren erzählte, ihr onkel habe ihrer tante einen abschiedsbrief in absichtlich unleserlicher handschrift hinterlassen. [10] gestern im vorübergehen einen jochen schmidt, noch eingeschweißt, für fünf euro gekauft; diese entsetzliche verramschung der literatur. [11] die angst einflößende vorstellung des zweiten buches. [12] plan einer broschüre mit je einer seite makelloser prosa über jede frau, mit der ich schlief, doch nicht schlief, schlafen wollte, doch nicht schlafen wollte. nichts über mich. [13] biografie eines mannes bis zu dem zeitpunkt, an dem er beginnt, vanilletabakpfeifen zu rauchen. [14] die peinlichkeit der auf unpeinlichkeit bedachten männern. [15] "du hast gerade mit einer frau telefoniert. das hör ich doch." [16] so great: video.antville.org [17] der spiegel-korrespondent, der nach einer formulierung dafür sucht, dass im rotlichtviertel von phuket wieder tanzend unterkörper an den glänzenden stangen gerieben werden. [18] wissenschaftler geworden, um fassung bewahren zu können. [19] ach was. [20] sofa. home of annoying mannerisms. [21] der satz "lasche nur lose einlegen" kommt mir heute so metaphorisch vor. [22] the gender fallacy. [23] frauen, die in filmen frauen sehen, die ihre köpfe auf den kissen hin- und herwerfen. "aber wenn einer erschossen wird, hältst du das doch auch nicht für echt". "das ist etwas anderes." [24] jemand, der "sex and the city" für eine serie über beneidenswerte gewinnerinnen gehalten hat. "möchtest du jeden abend mit drei freundinnen zusammensitzen und darüber reden müssen, wie es wieder nicht geklappt hat?" "aber umgehen können damit!" [25] mr. winter, starbucks-enzyklopädist. via ditmar fritze, resilienzforschung [26] - "heute wäre ich gerne so eine saint tropez-schabracke."

  • "da kann ich dir leider auch nicht helfen."




  • in der kita wird noch ein kind vermisst. und seine mutter.
  • und, fragte m., wie reagiert paul darauf?
  • indem er das vermisst wörtlich nimmt.
  • ja, aber…
  • was würdest du machen, wenn ich plötzlich weg wäre, vermisst, keine leiche? wann würdest du denken, dass ich tot bin?
  • nie. niemals.

[vorstellung von wohnungen, die jetzt leer stehen. autos, die noch in flughafenparkplätzen stehen. telefonrechnungen, die noch abgebucht werden. spinden, kinderkleiderschränken, schulbänken, kita-hausschuhen. kinder, die "das gehört aber n." sagen, leerbleibende plätze, auf die niemand sich setzt. irgendwann doch, nach den nächsten ferien.]





pinker lipgloss in den öffentlich-rechtlichen nachrichten.





jochen, der freund, hat jetzt auch ein weblog, und es fängt gut an: selbr.de.





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