notierte: "und wurde unter die nicht bloß unverwöhnten sondern unverwöhnbaren dichter gezählt", aber notierte nicht, wer, wann oder wieso.
auch meine wohnung, namentlich die küche, hat schwermut. und was es war, erkenne ich immer erst nachdem es auf den küchenkacheln zerschellt ist. ihr armen tassen, ihr becher und gläser. ihr geht durch keine gute zeit. und auch draußen wird’s nicht wärmer.
dann aber offenbarte ich ihm mein eigentliches wesen und schrieb alles nur noch klein.
"nein, das geht nicht. das ist so peinlich, dass ich das nur vor publikum machen kann."
eine frage der weisheitsästhetik.
"Diese Traurigkeit ist dicht und masiv, brennend und ausufernd, eine Art von Gewicht, das zu tragen nichts anderes bedeutet als traurig zu sein (..) eine unaufgewühlte Schwärze ragt ihm entgegen, tiefste Nacht ohne Grund und Ende. Er schaut hinein, und die Leere zieht ihn nicht an, noch stößt sie ihn ab, ebensowenig schreckt sie ihn auf, er fürchtet sich nicht vor ihr, noch freut er sich darüber, er schwelgt nicht darin, möchte sie nicht hinter sich wissen und sehnt sich nicht danach, schaut nur hinein, ist traurig und traurig. Under all earth runs water, under all life runs grief ... " (Béla Hamvas: Bäume, übersetzt von Wilhelm Droste)
doch meine wohnung hat sich neue geräusche ausgedacht.
träumte das wort "necassi", das mehrfach in einem ovalgerahmten schriftzug an der wand erschien. sofort wusste ich, dass alles was hier geschah, notwendig war und sich daran nichts ändern ließ, denn "necassi" bestand aus aller sprachen notwendigkeit. si? sehr. ne ce sehr? oui. sehr.
tonnenschwere zwergenhafte, babygesichtige gottheit. intransportabel. da diese götter nicht tragbar waren, trug man sie nicht. oder: sie waren betretbar? betreiber? teile beiseite, beter?
gedrängblütige neoregelie. stehende luft, irgendetwas am kragen weiten. das ende der erbsen, so der franzose. duldentrauben lanzenrosette. von trauben geduldet. dann aber lanciert. er habe eine schleife konfektioniert, eine zellophane orchidee, im koffer, nein, in einem schmalen kartöngchen, und das mir! das mir! inzwischen werde das tropenhaus renoviert. bis voraussichtlich: ??
wolken, warm, kalt. sie entscheiden sich nicht, können es nicht. sich entscheiden. dann kam der moment, in dem ich alles gesagt hatte, was ich mir zuvor ausgedacht hatte gehabt. dann kam der rohe rest.
"La fête continue, et nous sommes sûrs de participer quelque jour à sa plus sérieuse interruption." Le 21 octobre 1954
die allee war schon okay, gelöste analyse, der sperling und der spatz, das brötchen meiner liebe und die zugluft andernfalls. die allee: gradlinig wie eine krankheit abzüglich der jahreszeit. (welche allee? was für ein tag? welches brötchen?)
...die öchsle sagen und huxley meinen. nico behauptete übrigens, das sei ihr vater. öchsle? non, huxley.
in der müdigkeit aber kam alles zusammen.
11
aus dehydrierten krümeln dieser schmale streifen after dinner ist die zeit reif für verbindliche botschaften auf papier: an emptiness is going to be filled up. doch womit nur und wenn ja welche von den vielen leerstellen. ich möchte begreifen was hier fehlt. if you do not teach me i shall not learn ja ich nehme gern. noch einen café. das essen war gut. ich bin satt zwischen zen und sesamstraße lese ich sätze vom tischtuch. die interpunktion ist eine folge der nahrungsaufnahme. du weißt dass menschen am tisch mitunter schauriges geschieht von liebe ernährt. unless they love you. und noch mehr kekse. die zukunft ist ein sehr trauriges monster
nicolai kobus: meistens dann wenn nichts passiert. dreizehn vergebliche versuche. [hier: 11/13] in: hard cover. köln 2006.
und sagte ihr, am telefon: meine frau hat deine emails gelesen, und seit vier tagen wohne er im hotel. er könne ihr jetzt nicht schreiben. er sei verheiratet? ja, ob er das nicht erzählt habe? nein. habe er nicht. super, jetzt käme also auch noch ehebruch dazu, habe sie gedacht, und dann wissen wollen: jetzt nicht schreiben, heißt das, nie mehr schreiben? nein, ja, nein. gut, dann hieß es das also.
sie habe ihm dann ihrerseits auch nicht mehr schreiben können, denn das hätte ja bedeutet, seiner frau zu schreiben. aber genaugenommen hatte sie ja die ganze zeit immer auch seiner frau geschrieben, und sie habe dann nochmal all die mails gelesen, mit fremden augen, und o. habe angerufen und sie gewarnt: zuviel empathie führt in die depression, worauf sie geantwortet habe, dass sie kaum glaube, dass es hier eine gebe, die sich in der inneren weltausstellung untreuer väter besser auskenne als sie, und o. habe gesagt: hör augenblicklich auf damit, zu verstehen. zu spät.
daraufhin habe sie ihm ein neues account eingerichtet, an das sie jetzt immer schreiben könne, nur dass er davon eben nichts wisse. eine gewisse linderung sei die folge gewesen, wenn es sich letztlich auch nur um die ausweitung des monologs gehandelt habe. blieb die frage, ob es eine vandalisierung des briefgeheimnisses darstellte, wenn sie dort nun ihrerseits die ein oder andere im furor geschriebene mail im nachhinein wieder herauslösche - was sie schließlich könne, solange ihm weder seine neue id noch sein passwort bekannt seien. interessante frage, sagte s., und dann: nein, das sei schließlich sein vorrat, daher unbetretbar.
und dann habe u. sie angerufen und gefragt, ob sie mit ihrem kleinen mittelständischen ehebruch-unternehmen nicht mal langsam an die börse gehen wolle: es scheint ja ganz erfolgreich zu sein. doch auf die frage, worin in diesem fall dividende und shareholdervalue bestünden, hatte u. nicht sogleich eine antwort parat. reife? drogen? das stillstellen des objekts? die melancholische nachbehandlung einer emphatischen figur des aushaltens? die restauration der inneren ruinenlandschaft? sie wisse es nicht, nur eines: ich sehe keine gewinne.
die erfahrungen ähnelten sich. freilich habe auch er ihr versichert, sie sei nicht schuld, vielleicht anlass, aber nicht grund. doch letztlich spiele es ja keine rolle, ob man anlass sei oder grund, wenn man als grund behandelt werde, sobald die nachbilder einer katastrophe das bereits abgestreifte szenario erhellten. ich werde entfernt, habe sie geklagt, und o. habe sie gebeten, froh darüber zu sein, oder ob sie denn wirklich glaube, dass sie mit seiner verzweiflung hätte leben können? sie wisse es nicht. sie könne es aber auch nicht wissen, solange sie über keine informationen verfügte. und eine uninformierte sache sei nunmal eine ungepflegte sache. daher ließe sich das derzeit nicht entscheiden. doch vielleicht sei es in der tat besser, zuweilen etwas damit zu tun gehabt zu haben, und wenn es nur der einnordung der eigenen gefühle diente. um der schuld eine richtung zugeben, so dass man wie mit einem kompass darin herumgehen könnte.
was für eine linksgemachte buße. irgendwo fände etwas statt, von dem sie nur wisse, dass es stattfände, nicht aber, wie. überhitzte vorstellungskraft. system shutdown. und u. habe am telefon gesagt, es sei nun mal so, dass die meisten leute sich weigerten, die eigenen energien lateral zu binden, das hieße auch, sie verhandelbar zu machen. und dann säße man in der klassischen negation, und das sei aber auch nothing to write home about, habe u. gesagt, und wenn man eine position zu oft erlitten habe, dann trage man gespiegelt auch die andere position in sich. das käme dann von ganz alleine, stichwort hier: neue carelessness. und sie habe eingewandt, ihr schiene es vielmehr so, dass alles, was sie sich wünsche, sich gegen sie wende, woraufhin u. meinte, man müsse daran arbeiten, die verbindung von bedürfnis und erpressbarkeit zu lösen.
dann sei sie schließlich doch noch ins toben geraten. nachts um vier, an der theke. ein hass auf die tagelange minibar mit allen poren, auf das so genannte schweigen der säue. und habe dann diese nächtliche zufallsgemeinschaft mehrfach darauf hingewiesen, dass ein unbeaufsichtigtes lager von schuldgedanken nunmal nichs anderes sei als eine falsche religion. diese religion nämlich sei ein selbstbezügliches ins schweigen zwingen. dabei werde allerdings weithin vergessen, dass noch jede religion, die sie kenne, ihre dauer aus ihrem vermögen der vermittlung beziehe. man solle doch nicht denken, wenn nichts mehr gesagt werde, dann wäre das schon buße genug. weit gefehlt. und überhaupt sollte stumme buße immer von kontrasten begleitet sein. sichtbar. watch your horses. let them go.
eine weiße nacht aus vielen tagen, strange hours to keep, nur für was - für nichts. erst war es jahrelang die Frage, womit wir uns beschäftigten, dann, mit einem mal, war es die Antwort - die nicht kam. sofort zeigte sich die religiöse seite der stummheit, eine blanke struktur, ihr offenes lauern am ende des austauschs. O. rief an und sagte: der abgrund wird dir entgegenspringen. das sollte sich als korrekt erweisen.
die wachheit war noch immer um unmögliche stunden vermehrt. in diesen stunden fand verlassenheit statt. (ne m'abandonne pas! schreiend so laut es ging - so sind wir nachts um vier um die häuser gezogen: ach ihr wart das. ja, wir waren das.) heute hingegen unterscheiden wir behaustes und unbehaustes nichts.
das größte problem ist jetzt, nicht zu vergessen, dass man das opfer ist. hier ist das sich nicht (das sich nie) in erfahrung transzendierende Nichts: es bleibt sehr weit oben, sehr weit unten und sehr weit in der mitte. das ist die dumpfe kehrseite des wollens und das die letzte flasche vom höflichen spätkauf. das ist der transit von der verheißung in die entsagung. ohne wort und ohne rast.
als ich wieder da war, blieb nichts als das wiederaufsuchen der orte. ein programm, das ich in den letzten tagen absolvierte. ich ging sie rückwärts, und betrat ihre negative form und las sie von ihrem letzten ausgang her. so schien sich alles aufzulösen und die flutung des bewusstseins tat ein übriges. ich habe jede entzündung betreten und überall etwas bestellt, bei eigenartig kooperativen kellnern. ich habe die wege geleugnet, und die wege leugneten mich. am ende leugnete ich noch den blauen vorhang, den tillichband, die tapfere hingabe, die feige sau, die ungerechtigkeit (der welt), die wartehalle und das nest. erst dann läuteten die glocken und es war doch schon so lange tag.
verlaufsformen des nichts: das erste nichts, das zweite nichts, das erste heulende, das zweite heulende, das nichtige nichts, das bewölkte nichts, am nächsten tag: das helle nichts, dann das warme nichts,
das aufgrund seiner distanzmindernden qualität beinahe schwerer zu ertragen war, als das helle nichts mit seinem hysterisch hellen licht, dem folgte das wichsende nichts, dann das schreckliche, das schlimmste, das schlaflose, das müßige und dann wieder: das nichtige nichts.
das hab ich schon lange nicht mehr gemacht: fremde handschrift lesen. einen brief, in guter, aber nicht gut lesbarer handschrift. er setzt sich nicht zusammen. zwischen den zeilen habe ich das entzifferte in druckschrift notiert. es bleibt ein semantisches puzzle. die worte durchlaufen lassen. eine leichte gereiztheit gegen den inhalt stellt sich ein, wie früher als sich attachments nur im glücklichsten fall und nach diversen vorkehrungen öffnen ließen. und ich las zehnmal: "allein ist das nicht tupsi?" - bis das wort "tupsi" endlich umschlug in "angst". wobei es zuweilen vielleicht schöner sein könnte, "tupsi" zu haben.
LETTER TO THE WOMAN WHO STOPPED WRITING ME BACK
I wanted you to be the first to know - Harper & Row has agreed to publish my collected letters to you.
The tentative title is Exorcist in the Gym of Futility.
Unfortunately I never mailed the best one, which certainly was one of a kind.
A mutual friend told me that when I quit drinking, I surrendered my identity in your eyes.
Now I m just like everybody else, and it s so funny, the way monogamy is funny, the way someone falling down in the street is funny.
I entered a revolving door and emerged as a human being. When you think of me is my face electronically blurred?
I remember your collarbone, forming the tiniest satellite dish in the universe, your smile as the place where parallel lines inevitably crossed.
Now dinosaurs freeze to death on your shoulder.
I remember your eyes: fifty attack dogs on a single leash, how I once held the soft audience of your hand.
I ve been ignored by prettier women than you, but none who carried the heavy pitchers of silence so far, without spilling a drop.
Jeffrey McDaniel: the forgiveness parade.
Jack: What did you do with all that money? John: What money? Jack: The money I gave you to stop crying.