"Ich hoffe, Sie in einem persönlichen Gespräch von meiner Motivation überzeugen zu können" wollte ich eben schreiben. Gedrechselter Unfug. Wenn es mir nicht gelingt meine Motivation zu formulieren, weshalb sollte man mich dann zu einem Gespräch einladen. Bewerben auf unpassende Jobs macht mürbe.





Man hat gerne die schützende Vorstellung, es werde schon irgendwie weitergehen. Irgendwann. Wegen eines Zufalls oder weil man sich anstrengt oder weil man auch mal dran ist mit Glück haben. Bei den anderen geht es ja auch weiter. Und so einer wie du, der lässt sich nicht unterkriegen, der findet einen Weg. Was aber, wenn es nicht mehr weitergeht, wenn der Weg einfach zu Ende ist? Wenn das Glück nicht kommt und auch kein Zufall. Wenn nach einem Rückschlag noch ein weiterer kommt und noch einer und noch einer immerfort. Wenn ein neuer Tag kein neues Glück sondern nur weitere neue und gänzlich unbekannte Spielarten eines Albtraumes auftischt. Wenn man Angst hat vor jedem neuen Tag und seinen Tiefschlägen. Wenn man sich nicht mehr freuen mag auf noch so kleine Hoffnungen und nichts mehr sicher ist. Wo ist man dann? Am Ende oder noch nicht ganz am Anfang?





Gleiche ausbeutung für alle! von hier





Zentrum des Extrembügelns jedoch ist heute ein Keller im Münchner Quartier Haidhausen. Dort hat Geis, die German Extreme Ironing Section, ihr Clublokal. Die Deutschen haben die Weltmeisterschaft organisiert, sie gelten als die grösste und aktivste Gruppe, gewiss ist es die ernsthafteste. In ihren Händen ist die Parodie zum Original geworden. Sie haben die Aufnahme in den Deutschen Sportbund beantragt.
NZZ Folio: Auf Bügeln und Brechen. Die Befreiung des Haushalts aus den vier Wänden: Kleiderbügeln als Extremsport.




Scientology ist steuerbefreit. Von mir kleinem Krauter will das Finanzamt rückwirkend auf zwei Jahre Gewerbesteuer haben. Mache ich doch auch eine Kirche auf.





Beim Arbeitsamt gewesen. Tut nicht mehr weh. Ne ganze Menge Gesichter gekannt. Ein bischen wie dotcom-Wandertag.





Katha Schulte, Die Adoptierten. Brief an eine Gönnerin. Ein Text, den ich schon vor Wochen empfehlen wollte, dann aber, meine ewige Schlamperei. Weil die Jungle World immer noch nicht mit dem Renovieren fertig ist, derzeit nur als google-cache. Satz:

Es gibt gelegentlich den Fall des misslungenen Gesichts.
Passage:
Eigentlich aber ist die Gesichtsarbeit anders geregelt. Ich glaube, die Angestellten gehören noch zu denen, die wissen, was das ist, die Fremde des Gesichts. Die Regelung ist einfach, wir lassen unser Gesicht in Richtung des anderen Gesichts weisen, sehen aber daran vorbei. Oder wir sehen kurz das Gesicht an, wie um zu erkennen, um welches es sich handelt, und ziehen aber im Moment, wo wir es ansprechen, die Augen wieder ein wie die Schnecke die Fühler. Dieses ins Leere reden nenne ich den ersten Satz der Ordnung der Angestellten. Anders halten wir es mit denen, die wir nicht adoptiert haben. Da schauen wir genau in das Gesicht hinein, mitten hinein, als suchten wir darin den Verbündeten, den wir in ihm vermuten.

Die Jungs haben auch eine Krücke, das ist der Kaffee. Manche sprechen es sogar Kaffée, als hätten sie einen vorzüglichen Melangierten vor sich, aber ich glaube seitdem ich das gesehen habe an keinerlei Kaffeehauskultur mehr. Ist Ihnen übrigens einmal aufgefallen, wie bitter Zucker wird, wenn man zuviel davon in den Kaffee rührt? In Deutschland ist das Kaffeetrinken die Droge des Stillhaltens. Sie trinken ihn im Büro. Über die Koffeinbrücke sind die Adoptierten mit der Arbeit verbunden, das ist der zweite Satz. Kaffee ist immer gut, so lautet denn auch die Devise eines Kollegen, er wird nicht müde sie zu wiederholen, der Kaffee hält ihn wach, wenn möglich mehrmals am Tag. Für 90 Prozent der Deutschen sind oft mehr als vier Tassen täglich unverzichtbar, das ist die Statistik.

Und dann innerlich, intern zerrüttet werden, vom jahrzehntelangen Kaffeekonsum vollständig und irreversibel zerrüttet, das ist das Lebenswerk des Kaffees an den Adoptierten. Er ist von zweifelhafter Rezeptur, nicht eigentlich genießbar. Manch einer greift, an Kaffee traurig getrunken, von oben in die heiße Tasse hinein; mit zweifelhafter motorischer Fähigkeit lässt das Nervengift ihn zurück.





Christiane zu Salm! Bitte bringen Sie diesen Röntgenpass zu jedem Arztbesuch oder Zahnarztbesuch mit! Dieter Bohlen! Verpassen Sie nicht das Beste am Winter! Peter Glotz! Touch the Sun! Anni Friesinger! Holen Sie sich Ihr 2-Monats-Abo mit Schillingmünzen-Set! Xavier Naidoo! Wie wäre es zum Beispiel nächsten Sonntag mit einem interessanten Ausflug auf den Kunstmarkt?





sind die quälenden Viertelstunden nach neun morgens. Wenn man sich gewöhnlich aufmacht in den Tag. Sonst wäre ich längst auf dem Rad und unterwegs in die Stadt, mein Rechnerlein in der Tasche, die Mütze in die Stirn gezogen, einem Arbeitstag entgegenstrampelnd. Aber da ist kein Arbeitstag, keine Arbeit und trotzdem ein Tag. Gegen elf hört das Gefühl wieder auf. Der Tag läuft und die Uhr tickt. Das Vakuum der Zwischenzeit nagt an der Substanz. Irgendwann wirst du schon wieder einen Job finden, sagt sie. Du bist gut und kannst so viel. Was du schon alles gemacht hast. Kann doch nicht sein, dass das niemand brauchen kann. Das ist nur eine Durststrecke und sie wird aufhören, wirst schon sehen. Du musst Vertrauen in die Zukunft haben, sagt sie. Wenn die Kleine den Morgenschlaf macht, beginnt meine Zukunft. Einloggen, Jobbörsen abklappern. Mit jedem Klick ein wenig mehr in sich zusammensacken. Den Tag rumbringen. Mit der leeren Tasche aufbrechen und keinen merken lassen, dass man nicht mehr gefragt ist da draussen. Die kleinen Gottesurteile suchen: wenn ich diese Ampel noch bei orange schaffe, dann wird alles wieder gut. Wenn ich durch die Tür bin, bevor sie zufällt, wird alles gut. Wenn ich auf den Aufzugsknopf drücke und der Aufzug schon da ist, wird alles gut. Wird alles gut. Wird alles gut.





Die Zeitregulierung im Schachspiel hinkte der allgemeinen Entwicklung auf dem Weg zur Zeitdisziplin stets hinterher. Noch beim Londoner Turnier 1851, als die Eisenbahnen schon pünktlich auf die Minute verkehrten (oder zumindest Verspätungen gegenüber einem existenten Fahrplan produzierten), gab es im Schach keine Zeitbeschränkung. Einzelne Partien dauerten damals bis zu 20 Stunden. Im Wettkampf mit Paul Morphy brütete Louis Paulsen mitunter zwei Stunden über einen einzigen Zug. Es ist aus heutiger Sicht nicht ohne Interesse, wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versucht wurde, die Zeit organisatorisch wie technologisch in den Griff zu bekommen.

Die Regel, dass Zeitüberschreitung den Verlust der Partie zur Folge hat, hat sich erst nach langem Zögern und Experimentieren herausgebildet. Zunächst wurde versucht, die Zeit für einen einzelnen Zug oder eine Zahl von Zügen zu beschränken. Der Mehrverbrauch konnte durch das Bezahlen einer Buße vom Spieler erkauft werden. Die (häufig uneinbringlichen) Bußgelder, Zeitbudgets und Zugzahlen variierten allerdings stark. Erst der 1924 gegründete Weltschachbund FIDE setzte nach und nach einheitlichere Zeitmaße durch.

Die Versuche, die Zeitdisziplin durchzusetzen, blieben im 19. Jahrhundert natürlich nicht unwidersprochen. Am bezeichnendsten für das Ende der Laissez-faire ist jene Geschichte, die sich beim Wiener Turnier 1882 zugetragen hat. James Mason überschritt gegen Henry Edward Bird die Zeit. Bird reklamierte jedoch nicht, und am Mason gewann die Partie. Wilhelm Steinitz, der direkte Konkurrent Masons um den Turniersieg, protestierte beim Schiedsgericht, worauf dieses Bird den Sieg zusprach. Etwas hatte sich verändert, wie bei den Regulativen der Arbeitszeit in den Fabriksordnungen 19. Jahrhundert: Musste um 1860 der so genannte blaue Montag, den die Facharbeiter in Lokomotiv-Fabriken gerne feierten, noch explizit verboten werden, so findet sich um 1890 nicht einmal mehr ein Verbot desselben.

Ernst Strouhal: Schach im Zeitalter der Ungeduld. Aus: Karl - das kulturelle Schachmagazin, sehr fein.