Sehr schöner Nachruf: NYT: Cathy Horn: The Death of an Unknown Man Who Knew Everyone
Stevie was the sort of person who would have interested Joseph Mitchell, a sidewalk character, a fixture of New York, before the sidewalks got too crowded to notice and the fixtures too important to be seen in public. Stevie was not important. He never did a single thing of note in his life except find a million ways to enjoy it. Today it is hard to imagine a person like Stevie, just as it is hard to believe that stores once had stamp departments and that there were customers with a reason to visit them. Stevie lived his life in reverse of the natural order: he retired at age 25 and went to work at age 70. And he never would have gone to work if his modest inheritance had not run out at the age he supposed his life would.
ja, ein schöner artikel. noch schöner natürlich der verweis auf mitchell, also der verweis auf die tradition eines journalismus, der das abseitige und die abseitigen kennen will, es und sie ernst nimmt, spaß an ihm und ihnen hat. in d immer noch nicht denkbar.
es gab und gibt versuche. die wieder eingestellten berliner seiten in der faz; manche artikel im münchner lokalen in der sz. vielleicht hat es ein wenig mit dem charakter der deutschen städte zu tun, denke ich (aber das denke ich in vielem): dass keine von ihnen eine vollständige stadt ist, wie eben new york oder london oder paris oder auch wien. in einer vollständigen stadt erscheint dem journalisten ja nichts als abseitig, sondern eben als funktion, möbiliar, bestandteil seiner stadt, die die ganze welt ist. die nyt sind ja, das merkt man sofort, wenn man in ny ist, vor allem eine lokalzeitung. dieses enzyklopädische wissen, diese genauigkeit in allem, was die stadt betrifft.
versuche, gewiss. die deutschen städte, sicher. das enzyklopädische wissen, ganz und gar. stimmt alles, aber das alleine ist es nicht. es ist auch die form des journalismus. nehmen sie nur mitchells essays über joe gould, diese stücke, in denen recherche und stil, der hang zum lokalen und der blick ins weite, die person und die stadt, gestern und heute zusammenkommen. das ist investigativ und parteiisch, es ist leidenschaftlich und professionell. am liebsten sind mir jene stellen, wo mitchell zugibt, wie sehr ihn gould eigentlich nervt, wo er aufhören möchte. aber er macht weiter, denn er kann nicht anders, die story treibt ihn, und die story ist die lebensgeschichte eines abseitigen.
dank dafür.
übrigens: sehr abseitig und schön ist auch: Mark Haddons "The Curious Incident of the Dog in the Night-Time" (Belletristik, GB, 2004, also ganz andere Baustelle, ist nur als Dankeschön für den Link auf Mitchells Nachruf gedacht. Gerade auch auf Deutsch im Blessing-Verlag erschienen, Titel: "Supergute Tage")