Wegen des Topics: Es passiert mir, dass ich von einigen wenigen Erinnerungen nicht weiß, ob sie aus meiner Vergangenheit oder einer meiner Geschichten stammen. Andersherum habe ich klare Bilder von Orten vor mir, an denen ich ganz sicher gewesen bin, aber ich weiß nicht mehr, in welchem Zusammenhang, ich kenne nicht mehr den Namen der Orte. Wenig erheiternd, diese Lektionen über die mangelnde Souveränität des Gedächtnisses.


Mir geht das mit fremden Geschichten gelegentlich so. In Die unsichtbaren Städte von Italo Calvino gibt es da eine schöne Passage über vertauschte Erinnerungen:

Nicht nur um zu verkaufen und zu kaufen, kommt man nach Eufemia, sondern auch weil nachts, an den Feuern rings um den Marktplatz auf Säcken oder Fässern hockend oder auf Stapeln von Teppichen liegend, bei jedem Wort, das man sagt – wie »Wolf«, »Schwester«, »verborgener Schatz«, »Kampf«, »Krätze«, »Liebende« –, ein jeder von den andern seine Geschichte von Wölfen, Schwestern, Schätzen, Krätze, Liebenden, Kämpfen erzählt. Und du weißt, wenn man auf der langen Reise, die einem bevorsteht, allen seinen Erinnerungen einer nach der anderen nachsinnt, um beim Schaukeln des Kamels oder der Dschunke wach zu bleiben, daß dann dein Wolf ein anderer Wolf, deine Schwester eine andere Schwester, dein Kampf andere Kämpfe geworden sein werden, zurückkehrend aus Eufemia, der Stadt, wo man bei jeder Sonnenwende und jeder Tagundnachtgleiche seine Erinnerung austauscht.
Beim Lesen dachte ich, daß das eine gute Beschreibung von Weblogs war, bevor es diese überhaupt gab.


Ein Buch von exquisiter Langeweile, sehr klug, große Kunst.