gerade zu meiner verwunderung bemerkt, dass in den romanen, die einem wichtig gewesen sind, immerzu untergangsreden gehalten wurden. dass einem das nicht früher aufgefallen ist.






Sie waren wichtig. Und jetzt nicht mehr? Bei mir ging es immer nur um Zukunft. Um die schwache Chance, die bleibt.


ja, immer noch. "wichtig waren": dieser erste augenblick, in dem ein roman und man selbst einander in die augen schaut, erkennt und die augen gleich wieder niederschlägt. danach kennt man einander und verliert einander nicht mehr. aber: dieser eine moment, in dem zum ersten mal ernst gemacht wird. es gibt diese dylan-zeile: "like a corkscrew in my heart". wenn ein roman gut ist, merkt man das in dem augenblick, in dem der korkenzieher auf den brustkorb gesetzt wird.

sowieso immer noch das rätselhafteste für mich, wie romane funktionieren. und dass sie immer so ähnlich funktionieren, wie beziehungen mit menschen funktionieren. dieser eine, erst viel später erkannte augenblick, in dem ein text sich zum ersten mal auszieht oder über seine geheimnisse zu sprechen anfängt oder so ein "übrigens, was ich dir noch erzählen muss" einzuträufeln beginnt. dieser eine augenblick zum beispiel, in dem es schäbig werden muss, ramponiert. das organische von so einem ding, das man in formula books nie findet.


Je präziser die Planung beim Schreiben, desto geringer die Chance auf Emergenz neuer Gedanken und Gefühle bei der Lektüre.


Nicht ganz sicher. Für die Langstrecke braucht es gute Planung, wie eng die sein sollte, ist Ermessenssache.


Mmh. Lese gerade (verspätet) La coscienza di Zeno und empfinde eher ein durchgängiges "Untergangsrauschen", keine Rede. Beispiele?


fitzgerald, der große gatsby. faulkner, wilde palmen. updike, unter dem astronautenmond. roth, radetzkymarsch. proust. handke, die linkshändige frau. musil, der mann ohne eigenschaften. genazino, die abschaffel-trilogie. koeppen natürlich. wenn ich nachdächte, fielen mir noch viele weitere ein, glaube ich. ach ja, die sartre-tetralogie, wege der freiheit. flaubert natürlich. beckett. bernhard. irgendwann immer dieses scharnier: einer eine fängt an zu erzählen, dass alles vorbei, verloren ist. game over. und danach ist alles tainted.

aber wieso eigentlich verspätet?


hm, linkshändige frau, da erinnere ich nur das tainted, aber das war ganz wunderbar.

gestern oder vorgestern sah ich übrigens diese radetzkymarsch-verfilmung, auch da war ich erstaunt, wie unterschiedlich die erinnerungen an ein buch ausfallen können, denn irgendwie hatte ich ein anderes gelesen und konnte doch dem film nicht den vorwurf machen, das falsche zu erzählen.

ich ergänze aber gern: hamsun, hunger.


Das verspätet gilt der Diskrepanz zwischen aktueller Jahreszahl und dieser Stelle aus vor Jahren gelesener Joyce Biographie von Ellmann:

»Wissen Sie, daß Sie ein verkannter Schriftsteller sind? (...) Dann zitierte er einige davon dem erstaunten Schmitz, der sein Mittagessen vergaß und Joyce auf dem halben Weg zum Zentrum Triests zurückbegleitete und aufgeregt über seine literarischen Ziele sprach.

Und Danke für die Hinweise (an Sie beide). Schön, darin Genazino wiederzufinden, der zu meinem Zeno das Nachwort verfasst hat. Abschaffel steht noch auf Leselisten; Ein Regenschirm für diesen Tag schien mir übrigens wunderbar und appellationsfrei.