Meine Frau hatte sich von mir getrennt, aus purem Überdruss, aber in meinen Träumen liefen wir immer noch durch Straßen und brüllten uns an. Am erträglichsten waren die Montage, wenn ich wieder im Büro saß und mit jemand anderem reden konnte als mit den Wänden und den Möbeln. Da hörten sich die Wörter gleich wieder an, als wären sie zu etwas nütze. Abends ging ich mein Adressbuch durch und fand darin niemanden, den ich treffen wollte. Manchmal las ich in den Zeitungen die Kontaktanzeigen und nahm mir vor, selbst eine aufzugeben. Aber ich scheiterte an meiner Selbstbeschreibung.

Im Sommer fuhren wir immer an die Ostsee. Alle liefen nackt herum. Ich wollte nicht nackt sein. Ich hatte da unten Haare bekommen und wollte nicht, dass einer das sah. Ich wollte es ja nicht einmal selbst sehen. Aber es half nichts, die Hosen mussten runter. Stell dich nicht so an, sagte mein Vater, schaut dir doch keiner was ab. Es ist die vollendete sozialistische Demokratie, sagte mein Vater, alle sind wir gleich. Warum waren die einen dann schön und die anderen häßlich? Ich war häßlich. Meine Haut war so weiß. Ich hatte rote Haare. Ich hatte Sommersprossen. Und in der Sonne lief ich rot an. Ein in der Wolle gefärbter Roter, sagte mein Vater. Tante Veronika sagte: Egon, dein Sohn ist bald ein richtiger Mann. Tante Veronika war immer dabei im Sommer, ihr Mann war gestorben. Baggerunfall, hieß es, ich kann mich nicht erinnern, ihn je gesehen zu haben. Jetzt bin ich so lange alleine, sagte Tante Veronika oft , jetzt will ich mich nicht mehr gewöhnen an das Joch der Ehe. Wenn jemand gekommen wäre und mich gebeten hätte, meine Eltern auszuspionieren, ich hätte sofort unterschrieben. Ich hätte ihnen alles erzählt. Es kam aber niemand.
Manchmal habe ich Träume, das glaubt mir keiner.

Ich weiß auch nicht, wieso ihr immer denkt, daß man über sechzig keinen Hunger mehr hat. Ihr glaubt, die Gier hört auf, sobald man Falten bekommt, das verläuft sich schon irgendwo. Es hört aber nicht auf, es wird nur noch schlimmer. Man weiß nämlich, wie sehr einer sich überwinden müsste, einen anzufassen, also besteht man darauf, dass man angefasst wird, alles andere wäre eine Beleidigung. Und deswegen hast du dir einen Liebhaber zugelegt? Ich will ihn doch nur benützen, lieben tue ich deinen Vater doch schon. Warum erzählst du mir das alles? Ich möchte dir imponieren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie armselig man sich fühlt, wenn man für keinen mehr eine Überraschung ist. Ach Mama. Dabei ist er nicht einmal gut.






Ich warte auf den Praschl-Roman, und zwar ernsthaft. Nach dessen Erscheinen kann Houellebecq dann endlich als Comedian bei "7 Tage 7 Köpfe" anfangen.