Freiburg i. Br. 31. März 1955

Lieber Herr Kästner!

Es kommt ein Schlag: mein Mann will nun doch nicht. Was ich immer gefürchtet habe, ist eingetreten, seine Hemmungen sind zu gross und es hat keinen Sinn, ihn umstimmen zu wollen. Man muss ihn anders beurteilen als durchschnittliche Menschen. Er ist in den fast vierzig Jahren, die wir verheiratet sind, nie ohne mich ausserhalb Deutschlands gereist – Philemon und Baucis oder Platzangst? – ordnen Sie’s ein, wie Sie es sehen. Bitte versuchen Sie nicht, seinen Entschluss zu ändern. Es ist mir schmerzlich genug, Ihnen diese Absage schreiben zu müssen, nachdem Sie mit soviel Mühe und Umsicht die Vorbereitungen trafen. Ich tröste mich nur damit, dass Sie einen anscheinend sehr netten jungen Reisebegleiter haben und Ihnen viel Plage der Betreuung dieses gelehrten Philosophen erspart wird.

Wegen der Schiffskarte handeln Sie bitte ganz nach eigenem Ermessen. Ist kein anderer Interessent da – Sie sprachen noch von einem Herrn aus Braunschweig (?) – so behalten Sie bitte die kleine Bequemlichkeit der etwas grösseren Kabine auf unsere Kosten.

Lieber Herr Kästner – ich bin sehr betrübt; aber nichts ist zu ändern – tragen Sie’s uns nicht nach – ach, es ist nicht leicht, mit Philosophen verheiratet zu sein!

Herzlichst grüssend

Ihre Elfride Heidegger

(Handschriftlicher Zusatz Martin Heideggers:)

Lieber Herr Kästner,

seien Sie mir nicht böse. Es „wird“ alles mit einem u. man „wird“ auch im Alter immer nur der (nach Pindars Wort), der einer ist.

Einen herzlichen Gruß

Ihr Martin Heidegger






Man muss ihn anders beurteilen als durchschnittliche Menschen.

You bet, Alte. Durchschnittlichen Menschen wär es wenigstens peinlich gewesen. Dein Stubenhocker läßt stattdessen einen pseudophilosophischen Furz fahren und ist mit sich und der Welt wieder im Reinen. So geht Sein und Zeit, Baby.


Irgendwie

erinnert mich das an die seltsamen Briefe, die Ingeborg Bachmann in Malina zwischendurch immer wieder schreibt oder Fräulein Jellinek schreiben lässt, um irgendetwas abzusagen. "Schreiben Sie, zum Beispiel, aus gesundheitlichen Gründen, ach so, das haben wir schon gehabt? schreiben Sie etwas von Verpflichtungen, haben wir auch zu oft gehabt? dann also einfach mit bestem Dank und Empfehlungen."