Frage: Weshalb dann sonst ist (steht so im Original) die USA an diesem Krieg interessiert?

Rudolf Burger: Der "Spiegel" titelte "Kein Blut für Öl", das ist zwar ein Argument, aber sicher nicht das alleinige und nicht einmal das stärkste - weil es nämlich für viele Orte der Welt zutrifft, zum Beispiel Venezuela. Gewiss geht es auch ums Öl, doch ich denke, es geht bei diesem "babylonischen Krieg" um mehr, nämlich um eine politische Neuaufteilung der gesamten Arabischen Halbinsel. Man muss sich also fragen, wer an diesem Krieg sonst noch Interesse hat. Nun weiss man, dass so genannte Lobbys in den USA viel stärkeren Einfluss auf die Politik haben als in den europäischen Staaten. Das liegt unter anderem daran, dass die Amerikaner nicht so ein Berufsbeamtentum haben wie die meisten europäischen Länder. Und in jüngster Zeit ist in den USA die Israel-Lobby sehr mächtig geworden, die politisch von den moralischen Zinsen des Holocaustkapitals lebt. Besonders in der Republikanischen Partei, wo sich neben den fundamentalistischen evangelischen Christen auch immer mehr reaktionäre Juden engagieren. Und dass diese Kreise auch die Positionen des rechten Likud in Israel vertreten, liegt auf der Hand. Wir haben es also mit einer einmaligen Interessenskoalition im amerikanischen Regierungsapparat zu tun: der Öllobby, der jüdischen Lobby, die vor allem im Pentagon eine große Rolle spielt, und den fundamentalistischen Evangelikalen am rechten Flügel der Partei, die im Grunde antisemitisch, aber zionistisch sind. Erst ihre Konvergenz erklärt die irrwitzig erscheinende Politik der USA.

Frage: Klingt das nicht ein bisschen gar nach der typischen antisemitischen Die-Juden-sind-an-allem-schuld-Formel?

Es geht hier um eine nüchterne Analyse einer Interessenskoalition, auch wenn man sich dabei der Gefahr des Antisemitismus aussetzt. Wenn ich mich nun hermeneutisch hineindenke in einen israelischen Geheimdienstoffozier, wie würde ich die Lage analysieren? Der Status quo ist auf die Dauer unhaltbar, und eine friedliche Lösung des Palästinenserproblems ist nicht mehr möglich. Auch liegt sie nicht im Interesse Israels, der weitaus stärksten Militärmacht der Region. Ausserdem läuft die Zeit gegen Israel, weil, rein demografisch betrachtet, die arabische Bevölkerung schneller wächst als die israelische. Die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen, ist eine Vertreibung der Palästinenser aus dem Westjordanland? Und wie kann das geschehen? Nur im Rahmen eines Krieges. Nur ein Krieg und das entstehende Chaos in der Region böte Israel die Gelegenheit, die Palästinenser loszuwerden. Wäre ich Ariel Sharon, hätte ich ein Interesse an diesem Krieg. Natürlich kann er schief gehen, wie jeder Krieg, aber vermutlich befreit er Israel von einem feindlichen Regime in der Nachbarschaft, und vielleicht kommt es in der Folge sogar zu einem Palästinenserstaat - irgendwo in der jordanischen Wüste.

Rudolf Burger ist Professor für politische Philosophie an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Mit einer gewissen Lust an der Provokation attackierte Burger vor zwei Jahren in einem "Plädoyer für das Vergessen" das Geschäft mit den Erinnerungen an die Nazi-Zeit. Sein letztes Buch heisst "Ptolemäische Vermutungen. Aufzeichnungen über die Bahn der Sitten". Man ahnts - es ist ein schwieriges Buch.

Quelle: Das Magazin des Tages-Anzeigers (Zürich), 5/2002 vom 1. 2., Thema: "205 Fragen zu einem angekündigten Krieg".






meinzwegen. warum aber ist dann die kriegsvorbereitende performance (u.a. powells panne fottos) so schlecht?


Professor. Politische Philosophie. Meine Güte.


angewandte Kunst. Wien. Au weia!


Ein erbärmlicher Troll, hauptsächlich auf Provokation aus. Ich habe ihn deshalb bei meinem Review dieser Ausgabe letzte Woche erst gar nicht erwähnt. Mir schien es wesentlich bedenklicher, dass der Mainstream (Ulrich Beck etc.) das Heil in einer Aufrüstung Europas sieht.