beim Wiederansehen der "Inneren Sicherheit" ist mir dann endlich aufgefallen, warum ich die Filme Christian Petzolds so innig liebe (was bekanntlich mit Erschütterung zu tun hat): Weil sie die einzigen sind, die ich kenne, in denen das wichtigste Gefühl die Müdigkeit ist.
Sicher
Ein interessanter Film. In der Tat. Ich mochte die Szene, in der sie ihr altes Geldversteck ausbuddeln und dort nur noch alte Hunderter drin sind, die ihnen nichts mehr nützen. Auch dass mit der Romantisierung des Terrors aufgehört wird ist gut. Und dass sie sich in so einer leeren, abgefuckten Luxusvilla aus der RAF-Hochzeit verstecken. Also: Sie sind da, aber es nützt nichts mehr. Der Gegner ist schon längst ganz woanders. Müdigkeit würde ich das nicht nennen, eher nagende Verzweiflung. Der arbeitslose Terrorist.
Ich wiederhole mich hiemit
aber bei dem Film habe ich mich gefragt: Wie wenig Politik kann man in einem politischen Film zeigen oder vermitteln, ohne damit alle menschlichen Regungen nur noch dem privaten Bereich zuzusprechen? Diese Privatisierung, oder ausschließliche Verpersönlichung, von politischen Impulsen, das hat mich doch sehr beunruhigt. Es gab glaube ich nur eine Szene, in der klar wurde, es handelt sich hier nicht um x-beliebige Verbrecher, sondern um Polit-Terroristen. Wenn man nicht vorher das ganze Drumherum der Filmberichterstattung verfolgt hätte - aus dem Film selbst hätte man das nicht erkannt, meine ich.
raf, politik, müdigkeit.
mein eindruck ist ein anderer: dass es in der zeit des films gar nicht sehr darum geht, dass das raf oder terrorismus oder politik ist. dass alles, was mit der raf und terrorismus und politik zu tun hat, vom zuschauer mitgebracht wird und in der geschichte, die der film erzählt, nicht wichtig ist. und dass genau das das wahre an diesem film ist: dass er in einem augenblick einsetzt, in dem die erschöpfung schon stattgefunden hat. und dass das nachleben der leute, von denen der film erzählt, eben ein nachleben ist. party is over. die geschichte ist eine nach der geschichte. und das zu erzählen halte ich für sehr politisch. und ja: man hätte (abgesehen von ein paar sehr wichtigen details, und natürlich sind in so einer genau komponierten geschichte details nie etwas, von dem man absehen kann) diese geschichte vielleicht auch von x-beliebigen verbrechern erzählen können; aber auch das halte ich für eine wahrheit des films: wenn der versuch des aufstands (oder was immer es war, was die raf wollte) besiegt ist, affiziert die geschichtsschreibung der sieger auch die verlierer - sie werden zu den "x-beliebigen", als die der angegriffene staat sie in seiner propaganda-version immer besprochen hat. interessant finde ich auch, dass die einzige politik, die in der "inneren sicherheit" vorkommt, tatsächlich nicht die der raf ist, sondern des staatsapparates: die hubschrauber, die da plötzlich niedergehen beim versuch der geldübergabe, am ende des films die staatsschutz-autos, die das problem once and for all beseitigen, und natürlich diese razzia gegen die einwanderer an der autobahnraststätte.
hm, ja. ich krieg heute den kopf nicht mehr in die gänge, aber zufrieden bin ich nicht. als ich den film sah, dachte ich: merkwürdig, dass alles, was einem einfällt zu raf-kindern, ist, dass die einfach so normal sein wollen wie alle anderen, und dass dazu eben rumkonsumieren wie blöd gehört. ich weiß schon, dass man dem film unrecht tut, wenn man ihn apellativ begreift, konnte mich aber dennoch des eindrucks nicht erwehren, dass da einer sagt: leute, steht dem konsumtrieb eurer teenagerkinder nicht mit euren politischen impulsen, kämpfen oder deren verlusten im weg. ja doch, vielleicht war's eigentlich eben das: dass der film mit sehnsucht nach normalität als weg aus der müdigkeit aufhört. ist mir zuwenig.
Es ist aber realistisch.
rumkonsumieren wie blöd, so normal sein wollen wie alle anderen...
halte ich für eine ungenaue wahrnehmung. das mädchen will halt auch mal eine cd haben, nicht die beschissensten klamotten der welt, sondern solche, in denen sie nicht sofort nicht mehr wahrgenommen wird, und es hat vor allem die sehnsucht, der sensorischen deprivation zu entkommen, in die sie durch ihre eltern geraten ist (das war für mich eine besonders bedrückende ironie in diesem film). was geschildert wird, ist so eine art psycho-stammheim. drei auf engstem raum, überlebensgemeinschaft, notdürftig in balance gehalten, aber zwei von den dreien sind wärter und eine ist gefangene. unter anderem. abgesehen davon, dass da jede menge liebe ist und jede menge solidarität. ich glaube, man könnte das auch tragik nennen. außerdem: ein mädchen, das wie blöd konsumieren will, würde sich ziemlich sicher nicht einen film von alain resnais über ein kz ansehen. was sie will, ist nicht das blöde konsumieren, sondern eine vergesellschaftung gegen ihre erzwungene isolationshaft. die will mit anderen kids sein, rauchen, reden, musik hören, verliebt sein. und auch das habe ich nicht so wahrgenommen: "dass der film mit sehnsucht nach normalität als weg aus der müdigkeit aufhört". was ich wahrgenommen habe, waren eher verschiedene varianten der müdigkeit und erschöpfung. die normalität war eine davon.
Film
Ne, das Unpolitische war bei dem Mädchen schon das, was ihre Figur ausgemacht hat. In den KZ-Film ist sie, soweit ich mich erinnern kann, auch nicht absichtlich reingegangen, sondern sie ist ja in diese Schule geraten, hat sich da reingeschmuggelt und ist zufällig da gelandet. Die war schon so: ICH WILL NORMAL SEIN. Und der Film ist ja eine einzige Begründung dafür, dass sie normal sein will. Andererseits habe ich sie auch nicht als besonders konsumgeil dargestellt wahrgenommen. Die Klamotten, gegen die sie rebelliert hat, waren ja wirklich grotesk übel. Vielleicht eine Metapher dafür, dass Extremismus immer zur Reaktanz führt. Die "Myth-Debunker" reiten ja auch auf einer Welle der Reaktanz, wenn ich mir diesen Brückenschlag erlauben darf.
stimmt natürlich, ist in diesen film reingeraten. danke für die korrektur.
hier würden jetzt einige kluge bemerkungen über realismus und politischen film her gehören (hirn immer noch ganglos, siehe oben). jedenfalls: filmemacher treffen entscheidungen darüber, was sie komponieren, daher sagt der verweis darauf, dass es realistisch ist, dass mädchen konsumieren wollen, nicht viel.
ob das mädchen nun "vergesellschaften" oder "wie blöd rumkonsumieren will" (wobei letzteres vielleicht übertrieben ist, mag sein), das hängt wohl davon ab, wie gutwillig man dem film gegenübersteht. ich würde mal sagen, aus der darstellung heraus ist das recht offen. kann es vielleicht sein, dass der film so eine art umspringbild ist und, je nachdem, was man als politischen film anzuerkennen bereit ist, so oder so gerät - als matte ästhetische geste im konsumismusbereich vs. wahrhaftige darstellung von erschöpfung?
umspringbild.
kann sein, sicher. ich frage mich nur, wie man das viel anders als petzold hätte machen können: wie hätte eine 15jährige komponiert werden können, in diesem setting, an der noch etwas anderes als verpersönlichung, privatisierung der politischen impulse wahrnehmbar wären? - das ginge vermutlich nur über eine kommentar-, eine off-ebene.
kann sein,
ich war auch befremdet über die RAF auf der Ledercouch und fand, dass die Figur eines verspiesserten Schrebergärtners, der mit den Genossen von früher nichts mehr zu tun haben will, als Zeitkommentar ein bisschen mutlos ist. Andererseits erscheint mir Praschls Hinweis auf die "geschichtsschreibung der sieger" jetzt sehr einleuchtend. Ich wüsste auch nicht, wie es heute besser zu machen wäre, als Petzold es gemacht hat. Es ist halt Depression, man erträgt zwar nicht gut, wenn die Kunst diesen Zustand auch noch reflektiert, aber an Heldenfiguren glaubt zum Glück auch niemand mehr. In dem anderen jüngeren Film über untergetauchte RAFler, Schlöndorffs "Stille nach dem Schuss", gehen die politischen Sympathiebekundungen jedenfalls des öfteren über die Kitschgrenze.
oh !
- ich gestehe ich habe noch nie einen petzold-film gesehen , auch nicht die erwähnte innere sicherheit - aber nach dem argument muss ich als bekennender handkeist mich sofort auf die suche danach machen ;-) danke .
off topic ,
weil mir grade aufgefallen ist , dass das sofa ja in 12 tagen 1jähriges auf antville feiert - frage an die ritualisierungskommission : wie feiert man geburtstage von weblogs ? geschenke der subskribierten ? geburtstagstorte / -party in den comments ?
mir wäre das wahrscheinlich nicht aufgefallen, aber es sind übrigens noch 22 tage. und dann bin ich eh in den ferien. also erledigt sich das von selbst.
Re: Gestern,
toller film. besonders die schauspielerin des mädchens hat mir gefallen.