Uns älteren Repräsentanten dessen, wofür der Name Frankfurter Schule sich eingebürgert hat, wird neuerdings gern der Vorwurf der Resignation gemacht. Wir hätten zwar Elemente einer kritischen Theorie der Gesellschaft entwickelt, wären aber nicht bereit, daraus die praktischen Konsequenzen zu ziehen. Weder hätten wir Aktionsprogramme gegeben noch gar Aktionen solcher, die durch die kritische Theorie angeregt sich fühlen, unterstützt. Ich sehe ab von der Frage, ob das von theoretischen Denkern, einigermaßen empfindlichen und keineswegs stoßfesten Instrumenten, verlangt werden kann. Die Bestimmung, die ihnen in der arbeitsteiligen Gesellschaft zugefallen ist, mag fragwürdig, sie selbst mögen durch sie deformiert sein. Aber sie sind durch sie auch geformt; gewiß können sie, was sie wurden, nicht aus bloßem Willen abschaffen. Das Moment subjektiver Schwäche, das der Einengung auf Theorie anhaftet, möchte ich nicht verleugnen. Für wichtiger halte ich die objektive Seite. Der Einwand, der leicht abschnurrt, lautet etwa: einer, der an der Möglichkeit eingreifender Veränderung der Gesellschaft zu dieser Stunde zweifelt und der darum weder an spektakulären, gewaltsamen Aktionen teilnimmt, noch sie empfiehlt, habe entsagt. Er halte, was ihm vorschwebe, nicht für realisierbar, eigentlich wolle er es nicht einmal realisieren. Indem er die Zustände so lasse, wie sie sind, billige er sie uneingestandenermaßen.
Distanz von Praxis ist allen anrüchig. Beargwöhnt wird, wer nicht fest zupacken, nicht die Hände sich schmutzig machen möchte, als wäre nicht die Abneigung dagegen legitim und erst durchs Privileg entstellt. Daß Mißtrauen gegen den der Praxis Mißtrauenden reicht von solchen, welche die alte Parole "Genug des Geredes" auf der Gegenseite nachreden, bis zum objektiven Geist der Reklame, die das Bild - das Leitbild nennen sie es - des aktiv tätigen Menschen, sei er Wirtschaftsführer oder Sportsmann, verbreitet. Man soll mitmachen. Wer nur denkt, sich selbst herausnimmt, sei schwach, feige, virtuell ein Verräter. Das feindselige Cliché des Intellektuellen wirkt, ohne daß sie es merkten, tief hinein in die Gruppe jener Oppositionellen, die ihrerseits als Intellektuelle beschimpft werden.
Von denkenden Aktionisten wird geantwortet: zu verändern gelte es, neben anderem, eben den Zustand der Trennung von Theorie und Praxis. Gerade um der Herrschaft der praktischen Leute und des praktischen Ideals ledig zu werden, bedürfe es der Praxis. Nur wird daraus fix ein Denkverbot. Ein Minimales reicht hin, den Widerstand gegen die Repression repressiv gegen die zu wenden, welche, sowenig sie das Selbstsein verherrlichen mögen, doch nicht aufgeben, was sie geworden sind. Die vielberufene Einheit von Theorie und Praxis hat eine Tendenz, in die Vorherrschaft von Praxis überzugehen. Manche Richtungen diffamieren Theorien selber als eine Form von Unterdrückung; wie wenn nicht Praxis mit jener weit unmittelbarer zusammenhinge. Bei Marx war die Lehre von jener Einheit beseelt von der - schon damals nicht realisierten - präsenten Möglichkeit der Aktion. Heute zeichnet eher das Gegenteil sich ab. Man klammert sich an Aktionen um der Unmöglichkeit der Aktion willen. Schon bei Marx allerdings verbirgt sich da eine Wunde. Er mochte die elfte Feuerbachthese so autoritär vortragen, weil er ihrer nicht ganz sicher sich wußte. In seiner Jugend hatte er die "rücksichtslose Kritik alles Bestehenden" gefordert. Nun spottete er über Kritik. Aber sein berühmter Witz gegen die Junghegelianer, das Wort "kritische Kritik", war ein Blindgänger, verpuffte als bloße Tautologie. Der forcierte Vorrang von Praxis stellte die Kritik, die Marx selbst übte, irrational still. In Rußland und in der Orthodoxie anderer Länder wurde der hämische Spott über die kritische Kritik zum Instrument dafür, daß das Bestehende furchtbar sich einrichten konnte. Praxis hieß nur noch: gesteigerte Produktion von Produktionsmitteln; Kritik wurde nicht mehr geduldet außer der, es werde noch nicht genug gearbeitet. So leicht schlägt die Subordination von Theorie unter Praxis um in den Dienst an abermaliger Unterdrückung.
Die repressive Intoleranz gegen den Gedanken, dem nicht sogleich die Anweisung zu Aktionen beigesellt ist, gründet in Angst. Man muß den ungegängelten Gedanken und muß die Haltung, die ihn nicht sich abmarkten läßt, fürchten, weil man zutiefst weiß, was man sich nicht eingestehen darf daß der Gedanke recht hat. Ein uralt bürgerlicher Mechanismus, den die Aufklärer des achtzehnten Jahrhunderts gut kannten, läuft erneut, doch unverändert ab: das Leiden an einem negativen Zustand, diesmal an der blockierten Realität, wird zur Wut auf den, welcher ihn ausspricht. Der Gedanke, die ihrer selbst bewußte Aufklärung, droht die Pseudorealität zu entzaubern, in der, nach der Formulierung von Habermas, der Aktionismus sich bewegt. Diesen läßt man nur darum gewähren, weil man ihn als Pseudorealität einschätzt. Ihr ist, als subjektives Verhalten, Pseudo-Aktivität zugeordnet, Tun, das sich überspielt und der eigenen publicity zuliebe anheizt, ohne sich einzugestehen, in welchem Maß es der Ersatzbefriedigung dient, sich zum Selbstzweck erhebt. Eingesperrte möchten verzweifelt heraus. In solchen Situationen denkt man nicht mehr, oder unter fiktiven Voraussetzungen. In der verabsolutierten Praxis reagiert man nur und darum falsch. Einen Ausweg könnte einzig Denken finden, und zwar eines, dem nicht vorgeschrieben wird, was herauskommen soll, wie so häufig in jenen Diskussionen, bei denen feststeht, wer recht behalten muß, und die deshalb nicht der Sache weiterhelfen, sondern unweigerlich in Taktik ausarten. Sind die Türen verrammelt, so darf der Gedanke erst recht nicht abbrechen. Er hätte die Gründe zu analysieren und daraus die Konsequenz zu ziehen. An ihm ist es, nicht die Situation als endgültig hinzunehmen. Zu verändern ist sie, wenn irgend, durch ungeschmälerte Einsicht. Der Sprung in die Praxis kuriert den Gedanken nicht von der Resignation, solange er bezahlt wird mit dem geheimen Wissen, daß es so doch nicht gehe.
Pseudo-Aktivität ist generell der Versuch, inmitten einer durch und durch vermittelten und verhärteten Gesellschaft sich Enklaven der Unmitelbarkeit zu retten. Rationalisiert wird das damit, die kleine Veränderung sei eine Etappe auf dem langen Weg zu der des Ganzen. Das fatale Modell von Pseudo-Aktivität ist das "Do it yourself", Mach es selber: Tätigkeiten, die, was längst mit den Mitteln der industriellen Produktion besser geleistet werden kann, nur um in den unfreien, in ihrer Spontaneität gelähmten Einzelnen die Zuversicht zu erwecken, auf sie käme es an. Der Unsinn des "Mach es selber" bei der Herstellung materieller Güter, auch bei vielen Reparaturen, liegt auf der Hand. Er ist allerdings nicht total. Bei der Verknappung von sogenannten Services, Dienstleistungen, erfüllen zuweilen nach dem technischen Stand überflüssige Maßnahmen, die ein Privatmensch durchführt, einen quasi rationalen Zweck. Das "Mach es selbst" in der Politik ist nicht ganz vom selben Schlag. Die Gesellschaft, die undurchdringlich den Menschen gegenübersteht, sind sie doch selbst. Das Vertrauen auf die limitierte Aktion kleiner Gruppen erinnert an die Spontaneität, die unter dem verharschten Ganzen verkümmert und ohne die es nicht zu einem Anderen werden kann. Die verwaltete Welt hat die Tendenz, alle Spontaneität abzuwürgen, nicht zuletzt sie in Pseudo-Aktivitäten zu kanalisieren. Das wenigstens funktioniert nicht so umstandslos, wie die Agenten der verwalteten Welt es sich erhofften. Jedoch Spontaneität ist nicht zu verabsolutieren, so wenig von der objektiven Situation abzuspalten und zu vergötzen wie die verwaltete Welt selber. Sonst schlägt die Axt im Haus, die nie den Zimmermann erspart, die nächste Tür ein, und das Überfallkommando ist zur Stelle. Auch politische Tathandlungen können zu Pseudo-Aktivitäten absinken, zum Theater. Kein Zufall, daß die Ideale unmittelbarer Aktion, selbst die Propaganda der Tat, wiederauferstanden sind, nachdem ehemals progressive Organisationen sich willig integrieren und in allen Ländern der Erde Züge dessen entwickeln, wogegen sie einmal gerichtet waren. Dadurch aber ist die Kritik am Anarchismus nicht hinfällig geworden. Seine Wiederkehr ist die eines Gespensts. Die Ungeduld gegenüber der Theorie, die in ihr sich manifestiert, treibt den Gedanken nicht über sich hinaus. Indem sie ihn vergißt, fällt sie hinter ihn zurück.
Erleichtert wird das dem Einzelnen durch seine Kapitulation vorm Kollektiv, mit dem er sich identifiziert. Ihm wird erspart, seine Ohnmacht zu erkennen; die Wenigen werden sich zu Vielen. Dieser Akt, nicht unbeirrtes Denken ist resignativ. Keine durchsichtige Beziehung waltet zwischen den Interessen des Ichs und dem Kollektiv, dem es sich überantwortet. Das Ich muß sich durchstreichen, damit es der Gnadenwahl des Kollektivs teilhaftig werde. Unausdrücklich hat sich ein wenig Kantischer kategorischer Imperativ aufgerichtet: du mußt unterschreiben. Das Gefühl neuer Geborgenheit wird bezahlt mit dem Opfer autonomen Denkens. Trügend der Trost, im Zusammenhang kollektiver Aktion werde besser gedacht: Denken, als bloßes Instrument von Aktionen, stumpft ab wie die instrumentelle Vernunft insgesamt. Keine höhere Gestalt der Gesellschaft ist, zu dieser Stunde, konkret sichtbar: darum hat, was sich gebärdet, als wäre es zum Greifen nah, etwas Regressives. Wer aber regrediert, hat Freud zufolge sein Triebziel nicht erreicht. Rückbildung ist objektiv Entsagung, auch wenn sie sich für das Gegenteil hält und arglos das Lustprinzip propagiert.
Demgegenüber ist der kompromißlos Denkende, der weder sein Bewußtsein überschreibt noch zum Handeln sich terrorisieren läßt, in Wahrheit der, welcher nicht abläßt. Denken ist nicht die geistige Reproduktion dessen, was ohnehin ist. Solange es nicht abbricht, hält es die Möglichkeit fest. Sein Unstillbares, der Widerwille dagegen, sich abspeisen zu lassen, verweigert sich der törichten Weisheit von Resignation. In ihm ist das utopische Moment desto stärker, je weniger es - auch das eine Form des Rückfalls - zur Utopie sich vergegenständlicht und dadurch deren Verwirklichung sabotiert. Offenes Denken weist über sich hinaus. Seinerseits ein Verhalten, eine Gestalt von Praxis, ist es der verändernden verwandter als eines, das um der Praxis willen pariert. Eigentlich ist Denken schon vor allem besonderen Inhalt die Kraft zum Widerstand und nur mühsam ihr entfremdet worden. Ein solcher emphatischer Begriff von Denken allerdings ist nicht gedeckt, weder von bestehenden Verhältnissen noch von zu erreichenden Zwecken, noch von irgendwelchen Bataillonen. Was einmal gedacht ward, kann unterdrückt, vergessen werden, verwehen. Aber es läßt sich nicht ausreden, daß etwas davon überlebt. Denn Denken hat das Moment des Allgemeinen. Was triftig gedacht wurde, muß woanders, von anderen gedacht werden: dies Vertrauen begleitet noch den einsamsten und ohnmächtigsten Gedanken. Wer denkt, ist in aller Kritik nicht wütend: Denken hat die Wut sublimiert. Weil der Denkende es sich nicht antun muß, will er es auch den anderen nicht antun. Das Glück, das im Auge des Denkenden aufgeht, ist das Glück der Menschheit. Die universale Unterdrückungstendenz geht gegen den Gedanken als solchen. Glück ist er, noch wo er das Unglück bestimmt: indem er es ausspricht. Damit allein reicht Glück ins universale Unglück hinein. Wer es sich nicht verkümmern läßt, der hat nicht resigniert.
An der Kreuzung vor uns stand ein Umzugswagen der Firma VAN GOGH MOVERS. Als Logo sah man: Zwei Männer im Blaumann, die gerade auf einem Rollwagen ein riesiges Ohr transportierten. Das sind die Sekunden, in denen man bis in jede Zelle hinein glücklich ist, Angehöriger der Menschheit zu sein.
Ein langer, sehr schöner Text von Olu Oguibe: Radiohören im Biafrakrieg, die Sehnsucht nach Welt und frei fließenden Informationen, Postkolonialismus und westafrikanische Kunst und Götter mit Transistor-Radios. Zwei Teaser:
At the height of the Biafra war when a throttling economic blockade made it impossible to import items like electronics into the fledgling republic, my father began to deal in transistor radios. The odd hours at which he brought home his wares always left me with a disquieting feeling that there was something illicit about the trade, but I also saw and lived with some of the most beautiful transistor radio sets ever made: the Philipses, the PYEs, the Grundigs, some of them as old as radio technology itself, dug up by desperate, war ravaged families who pawned them for food. I inspected them, compared them, marveled at them and when no one was watching, touched and caressed them. I marveled at the magic behind the invisible, little people who were buried in those boxes, yet spoke and sang and made music like normal humans.Other than the inevitable British Broadcasting Corporation from which my father and the rest of the Biafran citizenry gathered their news of the outside world and the progress of the war, and the local stations to which he turned every Sunday morning for songs by Jim Reeves and other American gospel singers, my father's favorite station was Radio Santa Isabel, a Spanish service which broadcast out of Santa Isabel, Fernando Poo in the tiny, newly independent African Republic of Equatorial Guinea. Although the strict Christian sect that my father ministered to forbade dancing, which he never engaged in, he and his friends nevertheless loved the fast, loopy Central and East African guitar music out of Santa Isabel which was far more exciting and danceable than the more sedate and philosophical war-time Biafran 'highlife' music.
In same way that they effortlessly switched between the war propaganda on the Voice of Biafra and the diplomatic propaganda on the BBC, so did they navigate with equal ease between patriotic fervor for homegrown music and the genuine desire for the uplifting guitar wizardry of music from far beyond the Bight of Biafra. As the war raged and the death-tolls rose, my father's friends would come around of an evening and request that I turn on the radio and tune them into Radio Santa Isabel, and they would sit around, occasionally dance, not understanding a word of the Spanish broadcast yet reveling in the window of freedom that the little box on the mantle opened to them. While they fought war and famine in that hinterland of Igbo country with neither electricity nor other basic utilities that are commonplace in the West, the transistor radio broke them through an otherwise impregnable blockade and the attrition that was waged on them daily, and reunited them with the rest of the world which was theirs by right.
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The radio is a metaphor for innovation, communication, reception, exchange, dissemination and circulation, and though it is never entirely innocent or free, on the level of signs the radio is nevertheless symbolic of the free flow of elements and ideas between and across locations. The image of the young god with a radio tells us of a culture that is invested in this free flow, a culture that is eager to listen, to keep abreast, to tune into the wavelengths of human heritage and open its feelers to ethereal signals from other cultures and other lands, a culture with a ready handshake. Certainly, a culture that is willing to trust its gods with radios indicates to us that it is an open and receptive culture, a republican society where elements, viewpoints, inventions and innovations may circulate and flourish irrespective of their provenance; because curiosity is alive and healthy and curiosity is the sparkplug of culture.
When I sit down to write a letter or start the first draft of an article, I simply type on the keyboard and the words appear on the screen. For six months, I found it awkward to compose first drafts on the computer. Now I can hardly do it any other way. It is faster to type this way than with a normal typewriter, because you don't need to stop at the end of the line for a carriage return (the computer automatically "wraps" the words onto the next line when you reach the right-hand margin), and you never come to the end of the page, because the material on the screen keeps sliding up to make room for each new line. It is also more satisfying to the soul, because each maimed and misconceived passage can be made to vanish instantly, by the word or by the paragraph, leaving a pristine green field on which to make the next attempt.
My computer has a 48K memory. Since each K represents 1,024 bytes of information—each byte representing one character or digit—the machine can manipulate more than 49,000 items of information at a time. In practice, after allowing for the space that The Electric Pencil's programming instructions occupy in the computer's memory, the machine can handle documents 6,500 to 7,500 words long, or a little longer than this article....
Schönes Stück: 1982 versuchte James Fallows, den Lesern des "Atlantic Monthly" zu erklären, was ein Personal Computer ist: Living With a Computer
Yes, I believe I've heard of it," interrupted Marcia, "but I want to know about this stunt you're doing. It isn't any spectacular suicide, is it?"
"It's nothing," said Horace quietly. "But if you can think of any nicer way of a man killing himself than taking a risk for you, why that's the way I want to die."
Marcia reached up and wound both arms tightly round his neck.
"Kiss me," she whispered, "and call me 'dear heart.' I love to hear you say 'dear heart.' And bring me a book to read to-morrow. No more Sam Pepys, but something trick and trashy. I've been wild for something to do all day. I felt like writing letters, but I didn't have anybody to write to."
"Write to me," said Horace. "I'll read them."
"I wish I could," breathed Marcia. "If I knew words enough I could write you the longest love-letter in the world-- and never get tired."
But after two more months Marcia grew very tired indeed.
Head and Shoulders vom besten, na ja, sagen wir mal: wahrhaftigsten Schriftsteller, but then again...
In 1963, soon after the publication of "The Group," Mary McCarthy appeared at The 92nd St. Y in New York City. Frequently laughing with delight at her own writing -- and probably enraging old friends and acquaintances in the audience -- McCarthy read from her novel and talked about what she meant by it.