im sommer in einem kaff in den bolivianischen anden übernachten müssen, irgendein bus war nicht gekommen oder fuhr nicht mehr. es gab nur ein einziges hotelzimmer am ort, das hatte drei betten, und der inhaber meinte eingangs, zwei davon wären bereits belegt, kanadische frauen. das zimmer war sehr groß, fünf mal fünfzehn meter etwa, mittendrin ein tisch, zwei betten zusammengeschoben in einer ecke, das dritte, meines dann, in der gegenüberliegenden, sonst nichts. am frühen abend schon die kälte, minusgrade, die fenster schlossen kaum, keine heizung, ich lag unter derben wolldecken, zuerst unter vieren, das war zu kalt, fünf aber waren zu schwer, darunter zu atmen, später dieser immer nur flache schlaf in den bergen. irgendwann nachts kamen dann die beiden frauen ins zimmer, ohne licht zu machen, sie flüsterten nur, ich war trotzdem davon wach geworden. sie bemerkten das, sagten auf französisch eine entschuldigung, besprachen sich kurz, traten bis an den tisch vor und hoben plötzlich leise an, ein schlaflied zu singen. ich sah ihre umrisse und ihren atem, der wölkchen bildete und aufstieg in winzigen säulen. ihre hellen sopranstimmen resonierten in der leere des zimmers, durch das hallen wie vielstimmig verstärkt, drei oder vier strophen lang. und viel später noch, als sie längst schon schliefen, war es, als würde ihr gesang nachschwingen in der eisigen luft, aus den wänden kommen, filigrane vibrationen an meinem unter decken verborgenen körper. als ich nach traumlosem schlaf am anderen morgen erwachte, waren sie bereits fort.





»Man hatte den Status einer alten Dame, der über die Straße geholfen werden muss. Literatur war das Letzte, das Allerletzte, wenn man sagte, man ist Schriftsteller, dann konnte man von Glück sprechen, wenn man nicht einen in die Fresse gekriegt hat."
Jungle World > Das Echo des Rawums: Frank Schäfer trifft Peter Glaser




wenn man bei k. anläutete, um ihn zum essen einzuladen oder sich wein auszuborgen, brauchte er immer ein paar minuten, ehe er die tür aufsperrte, das hemd falsch zugeknöpft und nicht richtig in der hose verstaut, dabei wusste man, dass er den ganzen tag nur damit verbrachte, proust zu lesen





syberberg schaut sich einen mishimafilm an, merkwürdiges reflexivpronomen übrigens, dass syberberg ein tagebuch im netz hat, hab ich auch erst neulich erfahren.





irgendwann letzte woche habe ich geträumt, ich hätte ein stück rotglänzendes fleisch in der hand, auf dessen schnittfläche in kalligrafischer schrift etwas stand, das ich schon im traum nicht lesen konnte. und ein anderer mensch hielt mir sein stück fleisch hin, auf dessen schnittfläche gleichfalls etwas geschrieben stand, das ich nicht lesen konnte.





... hübsche Möbel und überfeine Nerven ...





mit hartmut engler und seiner damaligen frau bin ich kurz vor dem erscheinen der vorletzten cd von pur in bietigheim im schiller gesessen, habe den besten espresso macchiato meines lebens getrunken und dem ehepaar engler zehn minuten dabei zugehört, wie es dem kind die notwendigkeit von zahnhygiene beizubringen versuchte, und zwar mit dem immer wiederkehrenden, sehr schwäbisch ausgesprochenen satz wennscht dir die zähne ned ordendlich butzt, dann kommt der baxtor, wobei der baxtor irgendsowas wie ein schwarzer mann gewesen ist, und immer noch, jahre später, rumort dieser satz in endlosschleifen in mir. am nachmittag dann hat engler mir, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert hätte, in irgendeinem ludwigshafener büro, kann auch in einem anderen kaff in der gegend gewesen sein, erstens den rock'n'roll-star spielen wollen, er hätte da so sachen erlebt mit frauen auf tourneen, und ist dann deutlich irritiert davon gewesen, dass ich überhaupt nicht wissen wollte, was er denn nun genau mit frauen erlebt haben wollte, und zweitens hat engler mir dann sehr entschieden mitgeteilt, dass alles, was pur je gemacht hätte, darin bestand, genesis und anderen progrockern nachzueifern, die auch in meiner eigenen kindheit zwar nicht eine zentrale, aber immerhin doch auch nicht ganz unwichtige rolle gespielt hatten, woraufhin ich sofort nach meiner rückkehr nach hamburg die zwei, drei stücke von genesis aus der lamb lies down on broadway-periode, die ich noch immer, auf irgendwelchen samplern, besaß, überprüfte und feststellte, dass engler in diesem fall nicht gelogen hatte. was mich dann doch ein wenig amüsierte.





Neon kommt monatlich, meldet Kress.





SPRINGINKAL Untertitel: Zentralorgan der herumstreunenden Linken Ort: Wien Land: Österreich Erscheinungszeitraum: Jg.1 (1976) - Jg.2 (1977), 4 Nrn. Erscheinungsverlauf: Jg.1 (1976), Nr.1 - 3 (Jul.) Jg.2 (1977), Nr.4 Preis: 6,- ÖS Format: DIN A4 Standort: DadA Berlin: 4.1977 Quellen: Autopsie: Nr.3-4 Publikationsform: Zeitschrift Libertärer Bezug: Spontibewegung; anarchistische Tendenzen Bearbeitungsstand: 14.07.2001

Ralf G. Hoerig und Hajo Schmück  Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus - DadA Abteilung: Periodika 1798 - 2001 ff.





. Dienstag habe ich meine mündliche Prüfung bestanden und somit mein Diplom in der Tasche. Man dankt. Aber entweder war ich schon ohne den Fetzen so verfluchte Oberliga, dass sich das nicht mehr steigern konnte, oder aber, ich bin noch immer kein besserer Mensch geworden. Ich habe mein Ziel erreicht und dieses Werbetextgeficke in 18 Monaten durchgezogen. Ich weiß nicht, warum ich mich nicht so recht darüber freuen kann. Wahrscheinlich, weil ich nicht großartig kämpfen musste. Doch, das könnte der Grund sein. Die Sache ist mir zugeflogen und ich musste nun wirklich keine übermäßigen Energien investieren. Wo kein Kampf, da auch kein Triumph. Es ist wie ein Fluch. Wahrscheinlich ödet mich die Welt aus genau dem selben Grund bisweilen gehörig an: Es macht keinen Spaß, nie sonderlich für irgendetwas kämpfen zu müssen. Nach der Prüfung war ich mit Philippa und dem alten Mann, also in diesem Fall Bernd, noch im Seehaus. Bierchen trinken, ratschen, Enten, Hausenten und Rallen mit Brezeln beschmeißen und noch ein Bierchen trinken. Dummes Zeug reden, Bier trinken, noch dümmeres Zeug reden, Bier trinken, Brustbehaarung kommentieren, Bier trinken, über Intimrasuren debattieren, Bier trinken, Bier auf Rock und in Schritt schütten, Bier trinken, Schnittchen abscannen, Bier trinken, Rheinländisches Liedgut verbreiten, Bier trinken, blablabla. Nett war´s. Danach bin ich noch 5 Stunden durch München bei Nacht geschlendert, habe mir die letzten zwei Jahre durch den Kopf gehen lassen und bin abwechselnd sentimental und euphorisch geworden. Manchmal habe ich eben einen nicht beherrschbaren Drang zur dramatischen Inszenierung....

.. Wir haben die Nacht durchgemacht und sind heute Nachmittag dann total ausgepowert in sein Ehebett gefallen. Schlafen konnte keiner von uns, obwohl wir fast 35 Stunden auf den Beinen waren. Speed ist eben keine Gute-Nacht-Geschichte, und während C. mit seinen Schüttelfrostanfällen zu kämpfen hatte, habe ich versucht, mir den typischen Drogenbeisser aus dem Kiefer zu massieren. Anschließend hat der Herr Stratege noch kurzerhand im Zustand sexueller Extase versehentlich sein Frenulum gekappt. hehe Die arme Sau. Es ist ja nicht so, dass ich schadenfroh wäre, aber die Situation war verflucht komisch. Außerdem ist das heutzutage ja nur ein minimaler operativer Eingriff, und danach ist wieder alles schön. Meinen Vorschlag, sich bei dieser Gelegenheit doch gleich auch noch beschneiden zu lassen, fand er dann aber doch nicht ganz so klasse. Ich kann schon manchmal ein fieses Arschloch sein. Und wenn ich schon vorerst mit meinem Fuß nicht tanzen kann, dann darf er auch gerne mal ein paar Wochen auf´s Vögeln verzichten. Basta. Jedenfalls haben wir beschlossen, in nächster Zeit ein bischen kürzer zu treten und ich habe den festen Vorsatz gefasst, wenigstens meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag noch zu erleben. So, jetzt will ich endlich einfach nur schlafen können, mich wieder wie ein Mensch fühlen und auch annähernd so aussehen. Außerdem hätte ich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Bissspuren an Hals und Nacken bis morgen abend abgeheilt wären und meine Mutter aufhören würde, dumme Fragen zu stellen.

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