Zum Schluss bin ich alleine vor drei Computern gesessen. Der erste Computer steuerte die Nachrichten, das Wetter, den Verkehrsfunk. Der zweite Computer war für die Jingles, die Signations, Musikquiz und den ganzen Mumpitz. Und im dritten Computer war die Musik. Nach jedem fünften Song sollte ich etwas sagen, ein paar Sätze, irgendeinen Witz eben. Ich meine, so schlecht war das nicht. Das Studio sah toll aus, wie in einem Science-Fiction-Film, nachts glimmten die Lichter meiner drei Computer, und ich saß davor und sah ihnen beim Glimmen zu. Easy job, nach jedem fünften Lied kurz etwas sagen, war nichts daran auszusetzen. Aber dann ist mir eines Nachts aufgefallen, dass ich völlig überflüssig war. Und dann habe ich gekündigt.
Dreissig Sekunden, ein Videoclip später, brennt eine Mülltonne vor der Wiener Oper. Es hat zwar auch keinen Sinn, aber einen Herzschlag lang... Und dann ertappt man sich gleich wieder bei der Peinlichkeit, Politik nur noch so wahrzunehmen wie ein Fussballmatch und bei den gelungenen Spielzügen der eigenen Mannschaft zu jubeln. In Österreich gibt es dafür ja die schöne Vokabel "Schlachtenbummler".
"Bist du einsam?" fragte Meike. "Nicht wirklich," sagte ich "nur existentiell."
Darauf hat mich <a href="www.malorama.de"">Malorama gebracht, den ich in letzter Zeit immer lieber lese. Es geht um Gero von Randow und sein Buch "Genießen. Eine Ausschweifung", GvR hat auch eine <a href="www.zeit.de"" title="der herr randow ist mittlerweile zur FAS gewechselt">Zeit-Kolumne namens "Genießen", und Malorama meint dazu unter anderem: "mir geht das geniessergetuegehabegewolle zunehmend auf die nerven. dieses stupide, erlernte weinliebhabereihafte, was enddreissiger oft plötzlich in ermangelung anderer lebensinhalte an den tag legen, als ob das leben dadurch auch nur einen deut sinnvoller würde". Natürlich hat er recht, aber ich befürchte, nur zum geringeren Teil. Wenn es nämlich nur ein Mangel an Leben wäre, eine Art Verzweiflung also, die sich mit Trüffelöl und Bordeaux-Rotweinen zu parfümieren versucht, wäre das alles nicht besonders schlimm. Lasst ihn doch verzweifelt sein und Bordeaux verkosten, so what, ist doch nur seine eigene Verzweiflung, kein Problem. Schlimmer ist aber, dass so einer mit seinen Kolumnen die Leute dazu ermuntert, das Mediokre schon für das Ganze zu halten, ein bisschen Bordeaux picheln zur Ausschweifung und ein wenig Trüffelöl schon zum Luxus zu erklären, und für diese Ermunterung, finde ich, soll er den Rest seines Lebens nur noch Pfanni Kartoffelpürree futtern dürfen. Ausschweifung, das wird einer wie GvR nicht mehr begreifen, muss man sich erst einmal verdienen, die kriegt man nicht im Lebensmittelladen und auch nicht mit dem Robert Parker Wine Letter, an der Ausschweifung muss man hart arbeiten, wie an allem, was gut ist, und vor allem: für die Ausschweifung muss man sich ruinieren wollen. Einer, der schreibt: "Zur Zeit ist Saison für die schwarzen Trüffeln aus dem Périgord. Auch sie sind blödsinnig teuer. Was also tun? Machen Sie sich ein Püree aus Pellkartoffeln, und verwenden Sie - ausser der obligaten Butter - ein ganz klein wenig Trüffelöl zum Parfümieren (lassen Sie sich vom Italiener Ihres Vertrauens unbedingt gutes Trüffelöl empfehlen; es kommt in so winzigen Flakons und ist dermaßen sparsam zu verwenden, dass es Ihre Kasse nicht ernstlich belasten kann)", so einer hat von der Ausschweifung nichts verstanden.
mir geht es auch gut, ich sitze an meinem Schreibtisch, wie jeden Tag, ich müsste endlich wieder einmal etwas schreiben, was mir selbst gefällt, aber ich schaffe das seit längerem nicht mehr, die Wörter, die ich hinschreibe, schauen immer so komisch zurück, keine Ahnung, ob das anderen auch so geht, wahrscheinlich nicht, ich möchte mein Leid mit niemandem teilen müssen, ich habe die originellsten Probleme, die man haben kann, neulich habe ich zum Beispiel gesagt: "aber innerlich bin ich arrogant", ich weiss nicht mehr, bei welcher Gelegenheit, in Amsterdam war das, ich beobachte mich selbst und ich merke, wievieles es gibt, wofür ich mich schämen müsste, aber immerhin fällt es mir auf, wahrscheinlich ist das das Arrogante an mir, dass mir immer auffällt, wieviel mir auffällt, ach, lassen wir das. Oder lassen wir es nicht. Das Schreckliche am Älterwerden ist, wie sehr man merkt, dass man alles auch bleiben lassen kann, oder auch nicht, völlig egal, was man tut, man kommt immer davon, jedenfalls mir geht das so, weiss auch nicht, ich weiss sowieso immer weniger, gerade wollte ich die CD, die ich mir heute angehört habe, Plaza Club Luxury Five Star Cocktail Lounge & Dance Bar, zum zweiten Mal anhören, aber mein CD-Player weigert sich, der Laser findet die Abspielrille nicht, die Platte dreht sich ein paar Mal und dann passiert nichts, eine schöne Metapher der Vergeblichkeit oder wofür auch immer, jedenfalls ist das schon der dritte CD-Player in fünf Jahren, der nach einigen Monaten CDs nicht mehr spielt, ich bilde mir ein, dass es sich um Sollbruchstellen handelt, die von der Industrie eingebaut werden, damit es niemals zu Marktsättigungen kommt, vielleicht irre ich mich ja und will mir bloß eine originelle Paranoia gönnen, ich bin oft so, dabei hasse ich ja Originalität, jeder will originell sein, jeder will ein Querdenker sein, wie es mich ekelt, ein solches Wort überhaupt hinzuschreiben, es werden immer mehr Wörter, die ich nicht mehr hinschreiben kann, was soll man da bloß machen, immerhin verdiene ich mein Geld damit, Wörter hinzuschreiben, gönnen wir uns jetzt eine Sprachkrise oder was, ach was, ich würde bloß gerne haben, dass die Wörter wieder die Augen aufschlagen, als wären sie gerade erwacht und als räkelten sie sich noch ein wenig, ich habe schon immer ein wenig zu sprachmagischen Vorstellungen tendiert, Hamann, falls den jemand kennt, ein unterschätzter Philosoph, gestern hat mir Meike erzählt, dass Petra Schürmann, Ex-Miss Germany und danach Deutsches Fernsehen, früher einmal Philosophie studiert hat, und sie hätte gerne über Hegel promoviert, aber man wollte von ihr, dass sie über Nietzsche arbeitete, den Begriff der Wahrhaftigkeit bei Nietzsche, und dann hätte sie in ihrem jugendlichen Übermut an Karl Jaspers geschrieben, um sich von ihm Beistand zu holen, Herr Jaspers, bestätigen Sie mir bitte, dass die Wahrhaftigkeit bei Nietzsche ein schlechtes Thema ist, merkwürdig, was Menschen schreiben, wenn sie verzweifelt sind, aber Jaspers hat ihr gut zugeredet, und tatsächlich ist die Wahrhaftigkeit bei Nietzsche ein ziemlich gutes Thema, obwohl auch ich lieber über Hegel gearbeitet hätte als über Nietzsche, es ist einfach schöner, sich in Hegel zu verwandeln als in Nietzsche, man würde den Weltgeist fühlen, wie er sich in einem zusammenbraut und über einen hinwegflöge zu Wichtigerem, man wäre nur ein Gefäss, in dem der Weltgeist kurz Pause macht, ehe er weitermacht damit, Weltgeist zu sein, schön wäre das, man müsste nicht mehr originell sein, bloß eine Emanation, eine Äusserung, eine Fussnote, ich denke viel darüber nach, vielleicht sollte ich doch wieder beginnen, über philosophische Fragen zu arbeiten, ich habe das ja schließlich studiert, und es gab in meinem Leben wenig Schöneres, als zusammen mit fünf Leuten im Privatissimum zu sitzen und über das Erhabene zu sprechen, wie eine Brüderschaft war das, eine Brüderschaft, die sich über die Wörter beugte und wusste, dass die Wörter etwas zu bedeuten hatten, sie funkelten uns an, aber wir waren noch nicht weit genug, um uns dieses Funkeln verdient zu haben, also beugten wir uns noch tiefer über das Erhabene und sprachen darüber, ja, das war schön, ich kenne jetzt niemanden mehr, mit dem man sich noch über Wörter beugen könnte, auch eine der schrecklichen Begleiterscheinungen des Älterwerdens, man weiss einfach, dass Wörter Wörter sind, nicht mehr, kein Mehrwert, kein Funkeln, na ja, manchmal funkeln sie doch, aber man beugt sich nicht mehr gemeinsam darüber, weil jedem andere Wörter funkeln, und weil man innerlich arrogant ist, und weil man so müde ist, und weil man keine Zeit hat, und weil man dann lieber zum Deutschen Fernsehen geht als über Wahrhaftigkeit zu arbeiten, keine Ahnung, so ist es eben, macht ja auch nichts. Ich weiss auch nicht, warum ich mir so schwer damit tue, Sätze abzuschließen, Punkte zu setzen, wenn ich eine Idee vom Schreiben habe, vom Gutschreiben, vom Vollkommenschreiben, wie immer man es nennen will, dann ist es die Idee des unendlichen Satzes, ein Strom, der einsetzt und nicht mehr aufhört, in der Musik ginge das besser, sowieso wollte ich immer Musiker werden, ich gäbe alles dafür, aber ich habe nicht besonders viel, was ich zu geben hätte, eine Zeitlang habe ich zum Beispiel alle Versionen von John Coltranes Favorite Things gekauft, weil ich merkte, dass John Coltrane dieselbe Idee von Musik hatte wie ich von Schreiben, er wollte nicht mehr aufhören, und so wurden seine Favourite Things immer länger, die längste, die ich habe, ist über 60 Minuten lang, auf der 4CD-Box mit den Japan-Konzerten, bei Impulse erschienen, aber wahrscheinlich gibt es sogar noch längere Aufnahmen in irgendwelchen Archiven, man kann das ja nicht gut veröffentlichen, eine CD hat Platz für knapp über 70 Minuten, technische Grenzen, und wer veröffentlicht schon Tonbänder, obwohl das eigentlich das beste wäre, Tonbänder, die nie wieder aufhören, ein Leben lang, immer dieselben Patterns, als eine Art Puls, nur wesentlich schöner als der eigene Herzschlag, vielleicht erfindet das ja jemand für mich, ich wäre glücklich darüber, dann könnte ich endlich aufhören damit, das perfekte vollkommene endgültige Stück zu suchen, das alle anderen Stücke überflüssig macht, danach suche ich nämlich, bescheuert, gebe ich zu, aber so ist es eben, wie gesagt, ich möchte originell sein, obwohl ich Originalität hasse und innerlich viel zu arrogant bin, um etwas sein zu wollen, was man sein soll, sagt einem ja jeder, dass man originell sein soll, und dann ist es natürlich keiner, eh klar, selbst ich trage mittlerweile Cargohosen, hat gerade mal ein Jahr gedauert, bis ich Cargohosen nicht mehr doof fand und selbst eine kaufte, und wahrscheinlich werde ich in drei Jahren mir dann doch ein Tattoo machen lassen oder ein Piercing, weiss auch nicht, ich traue mir das jedenfalls zu, natürlich müsste es ein besonders originelles Tattoo sein, am besten lasse ich mir das Wort Tatoo tätowieren, das wäre dann ein dekonstruktivistisches Meta-Tattoo, da ist gedacht worden, würde ich mir dann sagen können, endlich mal kein japanisches Schriftzeichen indianisches Ornamentlaufband, so ähnlich jedenfalls, ich habe mir auch schon überlegt, in meine Wohnung lauter Zettel zu legen, auf denen TISCH stünde oder STUHL oder BETT, oder ich würde auf die Wand einen Zettel hängen auf dem BILD steht oder ZETTEL AN DER WAND, die Wörter statt der Dinge, und das würde entweder die Wörter oder die Dinge wieder erhabener machen, als sie es jetzt sind, leider ist ja nichts mehr erhaben, okay, der Himmel vielleicht, aber sonst nichts mehr, mir fällt jedenfalls nichts ein, muss mir auch nicht, sag ich mir, ist eh scheissegal, ob mir was Erhabenes einfällt oder nicht, und in dem Augenblick, in dem es mir einfiele, wäre es nicht mehr erhaben, soviel steht schon mal fest. Punkt. Wieder nicht geschafft, keinen Punkt zu machen. Auch egal. Mir ist gerade eingefallen, dass es ja sein könnte, dass es das Erhabene möglicherweise ja doch gibt, und bloß wir es nicht bemerken, könnte ja sein, was weiss man schon, und das ist eine Vorstellung, die mir ziemlich gut gefällt, umzingelt zu sein von allem möglichen, was erhaben ist und man merkt es bloß nicht, und die Wörter und die Dinge wispern einander zu und zwinkern mit den Augen und reden hinter unserem Rücken, nein, natürlich reden sie nicht über uns, oder sie singen, nein, noch besser wäre es, wenn die Dinge summen würden, ganz leise vor sich hinsummen würden, in einer Lautstärke, die unsere Ohren wahrzunehmen nicht vermögen, könnte doch sein, man weiss das doch nicht, ich jedenfalls weiß das nicht, hat eigentlich jemals jemand etwas Vernünftiges über das Summen geschrieben, ich glaube nämlich, dass Summen etwas Unterschätztes ist, ich glaube, dass wir das Summen brauchen und deswegen überall Hintergrundmusik laufen lassen, damit etwas summt, damit es wirkt, als würde beständig etwas summen, keine Ahnung, wieso das so ist, vielleicht ist das ja eine Zellenerinnerung unseres Körpers an unsere uterine Existenz, ich besaß mal eine Schallplatte mit Geräuschen, die ein Embryo im Uterus hört, man sollte, versprach der Covertext, diese Platte seinen Babies vorspielen und sie würden dann beruhigt einschlafen können, ich fand zwar die Absicht fies, aber die Platte war dennoch schön, man hatte einer nicht genannten Frau ein Mikrophon in den Uterus oder jedenfalls seine Nähe eingeführt, und nun konnte einer wie ich endlich hören, was ich schon längst vergessen hatte, ein leises Rauschen war das, ein Gluckern, ein Hämmern, aha, das ist also das Blut, und das ist das Fruchtwasser, und das ist der Herzschlag, es hörte sich ein wenig so an wie sich die Einstürzenden Neubauten angehört haben, ehe sie teutonisch wurden, aber nur so ähnlich, oder so wie Brian Enos Music for Airports sich angehört hätte, wenn er seinen Synthesizer ein wenig anders programmiert hätte, schwer zu beschreiben, und als ich es hörte, dachte ich, was hat man eigentlich gehört, nachdem man den Uterus schon verlassen hat, summten da die Dinge, man konnte das ja noch nicht unterscheiden, man konnte den Geräuschen ja noch keine Bedeutung zumessen, vielleicht summten da ja die Dinge, vielleicht war ja jedes Ding ein kleines Radio, ich weiss auch nicht, natürlich sind das alles bescheuerte Gedanken, die nirgendwo hinführen, und jetzt könnten wir eigentlich wieder einen Punkt machen. Punkt also. Draussen hat es zu regnen begonnen, ich wäre aber sowieso nicht rausgegangen, was habe ich draussen schon verloren, ist bloß Hamburg da draussen, eine Stadt, in der es entweder zu regnen begonnen hat oder zu regnen beginnen wird, man weiss das selbst nach vier Wochen Sonne, man schafft es einfach nicht, den Gedanken nicht zu denken, dass es wieder zu regnen beginnen wird, ich lebe jetzt seit dreizehn Jahren hier und habe kein einziges Mal, wenn ich weg war, beim Nachhausekommen den Gedanken gedacht, dass ich nach Hause komme, ich denke immer nur, dass ich nach Hamburg komme, in eine Stadt, in der es zu regnen beginnen wird, stimmt schon, es ist ein wenig besser geworden, seitdem wir umgezogen sind, aber es ist immer noch Hamburg, man müsste weg hier, stimmt schon, man müsste zumindest aufhören, darüber nachzudenken, dass man hier weg müsste, ich wollte ja nie so deutsch werden, dass ich ständig darüber nachdenke, wohin man eigentlich müsste, was man eigentlich müsste, woran man eigentlich arbeiten müsste, wie man eigentlich sein müsste, und nun werde ich es immer mehr, obwohl jeder, der mich kennenlernt, immer noch nach spätestens vier Sätzen fragt, ob ich aus Wien komme, ja, sage ich, obwohl ich gar nicht aus Wien, sondern aus Linz komme, "ja", sage ich, "das hört man", sagen sie, was man eben so sagt, weiss auch nicht, was man sagen könnte, es fällt mir immer weniger ein, nein, das stimmt nicht, es fällt mir dauernd ein, was man sagen könnte, viel mehr als ich dann sage, und manchmal frage ich mich, ob es den anderen auch so geht, eine merkwürdige Vorstellung, dass allen andauernd einfällt, was man sagen könnte, niemand es aber sagt, und was würde geschehen, wenn man sagen würde, was einem zu sagen einfiele, wäre die Welt eine schönere, oder wäre sie eine Hölle, ich habe nicht die geringste Ahnung, ich kann ja nicht von mir ausgehen, aber wenn ich von mir ausginge, wäre die Welt wahrscheinlich schöner, mir fallen eher Sätze ein, die man gerne hören würde, nehme ich an, ich meine, warum sollte man zum Beispiel nicht gerne den Satz "du bist schön" hören, oder "du gehst so, als hätte John Coltrane dich geschrieben" oder "wenn du willst, koche ich für dich ein zehngängiges Bankett", es gibt nichts, was gegen solche Sätze spricht, nehme ich an, jedenfalls sind das Sätze, die mir einfallen, wenn ich mal draussen bin in dieser Stadt, in der es zu regnen beginnt, aber ich sage das dann doch nicht, denn natürlich gehört sich das nicht und man würde sich doch nur entgeisterte Blicke und schroffe Absagen holen, aber die Vorstellung, dass alle anderen auch unaufhörlich gerne Sätze sagen wollen, die sie nie sagen, ist schon sehr gespenstisch, es müsste einen Friedhof ungesagter Sätze geben, und gelegentlich könnten wir auf diesem Friedhof spazierengehen und die Grabsteine mit den ungesagten Sätzen ansehen und uns den einen oder anderen Satz ausborgen und ihn zu uns selbst sagen, und vielleicht würden die Wörter dann ja wieder funkeln, ich weiss auch nicht, und wahrscheinlich sollte ich jetzt einfach einen Punkt machen, oder doch nicht, ich weiss auch nicht, wie ich aus dieser Sache wieder herauskomme, das einzige, was mir einfällt, ist, wieder an den Anfang zurückzugehen, ein ganz alter ganz billiger ganz abgewetzter Trick, aber etwas anderes fällt mir gerade auch nicht ein, also machen wir das jetzt einfach: Guten Tag, wie geht es so?
Mein Link zum Valentinstag: <a href="www.alafoli.de"">Alafoli.de, ein Hochzeitsportal. Ich bin ein wenig befangen, weil ich vor kurzem mit einer der Mitgründerinnen gesprochen habe und sie hinreissend fand. Sie ist zwar nicht mehr dabei, Krach mit den Partnern gehabt, aber dennoch keine böse Nachrede jetzt, gehört sich nicht. Nur eines will ich mir nicht verkneifen: einen Hinweis auf das Logo. Da ist eindeutig was schief gelaufen. Wenn man nämlich wie jeder Mensch mit "Sie/Er liebt mich" beginnt, endet es auch nach mehrmaligem fact-checking-Zählen mit ...nicht.
XxSunflowersxx:Scheiss Boris! SO! InesFsc:sehe ich nicht so RondaS1050757917:geht mal wieder bye DieterSilvester:hallo wer kann mir helfen InesFsc:genau scheiss boris Leon kommt:SABRINA IST VIEL GEILER XxSunflowersxx:lol Sasuela:ist ja ekelhaft, mir reichts Dysan27:was für ein Probelm hast Du mit Deinen Compi XxSunflowersxx:la la la la la la EBSCH689420947:Aber hat nicht einer der so in der Öffentlichkeit steht eine verpflichtung uns gegenüber,oder können wir die M Christian23J5479:denke na und 5 millone oder mehr ,aber er kann noch immer ein Hotelzimmer nehmen für 4500DM in der nacht Leon kommt:fresse XxSunflowersxx:Ich hau mal wieder ab! Cu Boris schmunzelt:Scheiss? Ihr nehmt Sachen in den Mund, die nich nicht mal in die Hand nehmen würde DieterSilvester:geht immer aus Dysan27:der Rechner ? DieterSilvester:ja ja ja ja HKrystall:Sabrina sieht aus wie ein Affe, Barbara hat schöne Augen und Boris sieht aus wie ein geklontes Schaf Dysan27:haste mal die Stecker überprüft ? DieterSilvester:könnt ihr mal mit dem scheiss aufhören Boris schmunzelt:Es ist nichtjeder so schön wie du, Kristall Artful Dodger160:mit wem der was hatte geht doch keinen was an!!! DieterSilvester:ja dysan HKrystall:Danke Schnucki InesFsc:wer kinder macht soll auch wenigstens dafür zahlen DieZamia:mensch leute habt ihr keine andere problemen???? DieterSilvester:dieses baby von der ermakova der vater ist boris Dysan27:dann schätze ich mal Du hast vieleicht einen Kabelbruch ?
Aus einem AOL-Chat über Boris, Babs, Daniel, Anna und wie sie alle heißen.
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Aus einem AOL-Chat über Boris, Babs, Daniel, Anna und wie sie alle heißen.
Weiss auch nicht, ob man den Kollegen vom Spiegel so viel Genialität zutrauen soll. Jedenfalls sind die Anführungszeichen auf dem Cover der aktuellen Ausgabe das Genialste, was ihnen seit Monaten eingefallen ist.
Da war er wieder, unerbeten und unerheblich und ganz sicher auch peinlich, ich weiss gar nicht warum, da war dieser Ekel wieder da. Ich habe bloß den Stern gelesen und danach Max, oder umgekehrt, so wie ich alles lese, ich muss ja, ich muss alles lesen, das ist mein Job, und ausserdem dürste ich danach, hassen zu können, Tag für Tag. Es geht nicht anders, es ist ja auch egal, so wie alles egal ist, man kann da gar nichts machen, ausser es sich einzugestehen, und ich weiß es ja auch schon längst, wie egal alles ist, also besteht kein Grund für Ekel, aber plötzlich war er wieder da, und das einzig Gute daran war, dass dieser Ekel mir wenigstens bewies, dass ich doch nicht nur eine Fleischmaschine bin, wie Viktor Tesla, Erfinder der Teslaturbine und der Fernbedienung, dessen wundersame Biographie ich gerade lese, wie Viktor Tesla also die Menschen nennt; als ich auf die Stelle stieß, musste ich noch lachen, so wie ich immer über gelungene Sarkasmen lachen muss, habituell sozusagen; jetzt nicht mehr: wann hätte man je gehört, dass eine Maschine, und sei sie auch aus Fleisch gemacht, des Ekels fähig wäre...
Erlöst uns das? Nein, es erlöst uns nicht. Man wäre lieber eine Fleischmaschine als diesen Ekel zu haben, den man nicht mehr los wird, manchmal zieht er sich zurück, man hielte es anders gar nicht aus, aber das sind nur Konzessionen, die er macht.
Der Ekel also. Diesmal meldete er sich wegen der 68er, des GirlCamps und weil das Rabattgesetz zu Ende geht. Im Stern, im Max: zwei 68er Geschichten, jede Menge Ratschläge, wie man den Scheiss, den man kaufen will, um ein paar Pfennige billiger bekommt, und während ich das las, lief GirlCamp - denn wenn ich mich quäle, dann richtig, ich weiss auch nicht, was das ist mit mir.
Und da waren sie alle, die großen Brüder und die großen Schwestern, wenn ich große Brüder und große Schwestern hätte, wären sie 68er gewesen, vom Alter her. Und nun erzählten sie, was sie damals gemacht hatten und was sie heute machen, und dass man damals eben so war und dass sie heute eben so sind, und dass sie nichts zu bereuen haben, und dass die Zeiten andere waren und heute tragen wir Pelz, heute ist das anders und, non, je ne regrette rien.
Man hört solche Geschichten in einem Leben hunderte Male, und hunderte Male denkt man sich nichts dabei, und man erzählt solche Geschichten ja unaufhörlich selbst, und was ist schon dabei? Aber diesmal konnte ich nicht drüber hinweg lesen und es gleich wieder vergessen, wie ich es sonst tue, meine Güte, irgendwie muss man ja eine Zeitschrift füllen, und es macht sich immer gut, wenn sich Leute erinnern und dann ist ja doch was aus ihnen geworden, immerhin haben sie Biographien, wenigstens ein wenig.
Diesmal gelang mir das nicht, und weil es mir nicht gelang, kam der Ekel, dieser dumme Ekel, den man lieber nicht hätte, no fun at all. Wieso Ekel? Ich weiss es, natürlich weiss ich es, aber es zu sagen, ist etwas anderes - sagen heisst argumentieren, der Ekel argumentiert aber nicht, er überschwemmt einen bloß.
Der Ekel hat damit zu tun, dass das alles jetzt bloß eine Anekdote ist, eine Geschichte, eine nette kleine Trophäe in der Biographie, ein kleines Lächeln beim Erzählen, wie man sich an einen netten One-Night-Stand erinnert, schon toll, wie man mal gewesen ist, was man so alles erlebt hat. Es ist Verrat, könnte man also sagen, wenn man pathetisch wäre, und natürlich empfindet man den Ekel nur, wenn man zu Pathos neigt, wie ich, und ich weiss, dass ich es längst besser wissen müsste, und ich weiss es ja auch längst besser. Verrat also. Jetzt tun die großen Brüder und die großen Schwestern so, als hätten sie bloß ein paar Streiche begangen, und komm, wir haben doch längst gelernt draus, jeder macht so ein paar Streiche, was soll's, und irgendwann füllen wir die Zeitschriften, und zwar alle davon, und alle in derselben Woche, mit unseren lustigen Streichen aus unserer wilden Zeit, und schon wieder ist etwas verraten und verramscht und verkauft. Sehr naiv, das Verrat zu nennen, muss ich schon sagen. Ja, genau, naiv, richtig, gut erkannt. Und genau an dieser Stelle müsste ich alles bis zu dieser Stelle markieren und dann die Löschtaste drücken und schön wäre alles wieder weg und niemand würde wissen wie naiv und wie peinlich ich bin. Nein, es soll stehen bleiben.
1968, 1977, GirlsCamp, Rabattgesetz. Es ist alles nur ein und dasselbe: Zeug, das in Zeitungen steht, Fernsehsendungen, Spektakel, Gefasel, Geschwätz. Manchmal hält man das nicht mehr aus.
Als ob es wichtig wäre, dass man das aushält. Als ob es wichtig wäre, zu sagen, dass man das nicht aushält. Es ist eigentlich völlig egal, ob man es aushält oder nicht. Es ist überhaupt nicht wichtig, wichtig ist, dass es weitergeht, wie es immer weitergegangen ist, immer bloß weiter. Das ist der Grund für den Ekel, natürlich, dieses Immerwiederweitergehen, aber das ist natürlich so lächerlich, so hirnverbrannt, als ob man das nicht wüsste, und natürlich weiss man es auch. Es gibt kein Problem. Die Welt geht weiter. Daran ist nichts überraschend. Man muss sich nicht wundern, dass 20, 30, 40 Jahre danach alles nur Anekdote ist, Füllstoff, Erinnerungslächeln, wir waren ja alle jung, wir werden selbst so sein, also gib Ruhe mit deinem blöden dummen kindischen Ekel.
Was können die 68er und die 77er dafür, dass es das GirlsCamp gibt und dass die Leute sich den Kopf darüber zerbrechen sollen, wie sie ab Juli überall ein paar Kreuzer herausholen beim Kaufen. Nichts können sie dafür, nichts, gar nichts. Und wenn dich das nicht interessiert, dann guck doch nicht hin und lies halt ein gutes Buch und niemand zwingt dich dazu, dir das anzutun, schalt halt aus, geh schlafen, schlaf mit deiner Frau, es zwingt dich doch keiner dazu.
Stimmt alles. Nur dass der Ekel das nicht so sieht. Der Ekel sagt: im GirlCamp, das der SpringerVerlag eingerichtet hat, im GirlCamp also sitzen zehn Frauen, deren Job es ist, rumzusitzen und manchmal im Swimmingpool zu schwimmen und manchmal zu duschen, aber bitte so, dass man ihre Titten sieht, und natürlich sollen sie miteinander reden und sich dann nicht vertragen, und dann sollen sie sich streiten, und zwischendurch sollen sie Aerobic machen und einander Aerobic-Befehle erteilen, eins zwei drei, und wenn sie am Pool liegen, sollen sie Stringtangas tragen, damit sich jeder denkt, wie schön es doch wäre, wenn der Stringtanga nicht da wäre und man statt des Stringtangabändchens gleich die Möse sehen könnte, und vergesst ja nicht das Mikrophon, und einmal die Woche kommt ein Typ zu diesen Mädchen, und ihr habt ja alle beim Casting gesagt, dass wenn es der Richtige ist, ihr vielleicht auch mit dem ins Bett geht, und wer weiss.
Das ungefähr ist die Vorstellung, die der SpringerVerlag 2001 von Frauen hat, und wahrscheinlich hat er sogar recht damit, denn es gibt natürlich hunderte und aberhunderte Frauen, die sich für diesen Job beworben haben, denn was kann ein Mädchen heutzutage anderes tun, als genau das. Und meine Güte, vielleicht komme ich groß raus und dann bin ich Popstar oder wenigstens in den Charts, und vielleicht reicht es ja, dass ich einen besseren Job bekomme als den Scheissjob, den ich jetzt habe, und falls nicht, dann habe ich wenigstens eine Erfahrung, und ehrlich gesagt, man kann ja keine Erfahrungen mehr machen. Das sagen sie natürlich nicht, weil sie zu blöde sind, um so etwas zu erkennen, aber wenn sie nicht so blöde wären, wüssten sie: dass das GirlsCamp von all den Erfahrungen, die man als Frau 2001 machen kann, vermutlich sogar noch eine der spannenderen ist. So ungefähr.
Man sieht das alles und man müsste es gar nicht sehen, man könnte es auch lassen, aber gestern konnte ich es nicht, gestern sah ich hin und ließ mich vom Ekel überfluten. Und all den Ekelfragen: Was das kostet. Wer sich das ausgedacht hat. Wieviele daran arbeiten. Wie sie das jetzt zu retten versuchen, weil es doch nicht so geil ist, wie man das den Menschen versprochen hat. Wie alle darüber schreiben, die einen so, die anderen so. Und ich natürlich auch, weiss ich ja.
Und schon wieder haben wir eine Sekunde, Minute, Stunde weniger, in der wir auf die Idee kommen könnten, dass die Welt nicht so sein müsste. Und immer wird es so weitergehen. Und sie werden Popstars werden oder nicht, sie werden nackt duschen oder nicht, sie werden irgendwann mit einem von den Typen, die da reinkommen ficken oder nicht, sie werden in die Talkshow kommen oder nicht, der Spiegel wird es verurteilen, Reinhard Mohr wird darüber schreiben, der Stern wird eine Titelgeschichte bringen, und auf Max Online stehen die schärfsten Fotos von den Girls, und ich werde mich ekeln und morgen wieder nicht mehr.
Genau so wird es sein oder nicht, und es wird egal sein, es wird alles wie immer egal sein, und das ist das einzig Entscheidende daran.
Die Erde wird nicht erzittern, niemand wird Angst haben müssen, nichts wird sich verändern, alles wird immer so sein, wie es immer schon war.
Und wenn es jetzt Leute gäbe, die auf die bescheuerte Idee kämen, man, die Welt, das Leben müssten sich nicht mit Girlscamps und Rabatten begnügen, und wenn diese Leute sich nicht nur mit dieser Idee begnügten, sondern auch dafür kämpften und Krieg führten - denn es steht fest, dass man das alles nur mit einem anständigen Krieg wegbekäme, nur mit einem Aufstand, und keinesfalls mit Umkehr, Neuem Denken und all dem Scheiss, den man den Machtlosen verschreibt, damit sie an der Macht zwar verzweifeln, sie aber nicht abschaffen -, wenn es diese Leute also gäbe, (und ich wünschte, es gäbe sie, denn wenn es sie gäbe, würde ich wissen, was ich tun könnte anstatt pathetisch und naiv und lächerlich zu sein), wenn es diese Leute also gäbe: würden sie doch nur verlieren. Und sie wären auch bloß nur Nachrichtenmaterial und Titelgeschichtenstoff und Talkshowgäste, und in 20 Jahren würden sie erzählen, wie sie 2001 auf die Idee kamen, die Erde zum Zittern zu bringen, und man müsste das aus der damaligen Zeit verstehen, aber dann hätten sie doch eingesehen, dass der Aufstand die falsche Strategie wäre.
Und alles wäre wie immer dasselbe. Das habe ich gestern begriffen. Man könnte auch sagen: Diese Welt ist es nicht wert, Revolutionär zu sein. Deswegen habe ich mich geekelt. Nicht zuletzt auch vor mir.