[Life Update.] Immer noch schleimig, man hasst Erkältungen ja so, weil sie einen so sehr in sich selbst zurückstülpen und einen ratlos mit einem fädenziehenden Ich zurücklassen. Heute morgens an der Tankstelle die Bildschlagzeile gelesen, dass im Weltall Chaos herrscht und die Erdachse kippt. Davor im Frühstücksfernsehen Arafat im Pyjama, gleich hinterher in drei aufeinanderfolgenden Sätzen die Wendungen "der ZDF-Tag" und "die ZDF-Woche". Was ist das bloß für ein Leben, was ist das bloß für eine Welt? Auch sehr albern gerade: Die US-Präsidentschaftswahlen-Obsession in deutschen Medien, all die whitehousekritischen Filme, die sie vor dem 2. November runternudeln, um dem Untertanen der rotgrünen Friedensregierung, die damals in Pristina das neue Auschwitz verhindert hat, beizubiegen, wie hervorragend er es doch getroffen hat, auf dem Territorium einer aus der Geschichte gelernt habenden Zivilgesellschaft zusammengepudert worden zu sein. Wahlempfehlungen da und dort, innerlich sind wir ja zuständig für alles, gerade wir, wer sonst. Und die Ausgeschlossenenempörung über die für foreigners gesperrte Bush-Website. Was wollen die Leute hier bloß sehen? Habe ich jemals das Bedürfnis verspürt, eine Bush-Website zu lesen? Und warum können mich nicht noch mehr Websites endlich aussperren, ich wäre wirklich dankbar dafür? Mit den Dylan-Chronicles begonnen, gestern nachts gegen eins die ersten 35 Seiten. So toll das alles. Man möcht sich am liebsten gleich umbringen im sicheren Wissen, die falsche Epoche zum Leben erwischt zu haben. Auf dem iTunes-Shop gibt es übrigens eine Hörbuchversion, von Sean Penn gelesen, ich glaube, die werde ich mir auch kaufen. Gestern nachts, vor den Chronicles, Andreas Klostermaiers web page Was Sie schon immer über den Betrieb von Garmin GPS-Empfängern am Apple Macintosh wissen wollten (aber nicht zu löten wagten) gefunden & diesen Respekt empfunden, der erst durch das Internet in mein Gefühlsleben gekommen ist. Da nimmt sich einer die Zeit und die Liebe, den Leuten haarklein aufzuschreiben, wie man Kabel löten muss, damit zwei Geräte doch miteinander sprechen können, denen man das Miteinandersprechen nicht erlaubt hat. Wie toll es ist, wirklich, auch wenn man das nicht versteht (jedenfalls nicht ich), auch wenn das Extrem-Nerdismus ist (jedenfalls für mich), dass einer sein Expertenwisssen nicht nur einfach so herschenkt, sondern, irgendwann darauf gekommen, wie dankbar Nichtnerds für sein Wissen sind, sich gleich noch mehr Expertenwissen angeeignet hat, um noch die esoterischsten Probleme nicht ungelöst zu lassen. Und hätte man so etwas je mitbekommen ohne das Internet? Und hätte man einen wie Andreas Klostermaier je toll finden können ohne das Internet? Toll finden ist nämlich schön, das macht einen dankbar, das geht mir oft so, dass ich etwas lese oder sehe und gleich so dankbarkeitsbesoffen bin, die Schöpfung, all so was. Im Guardian Nick Temples Liste mit den nach seinem Dafürhalten 10 besten gesellschaftlichen Erfindungen gelesen, sehr schöne Sachen dabei: Rumhänger-Rechte, Ruhm-Lotterie, Häuser-Tausch-Netzwerke. In diesem Zusammenhang & weil ja Weihnachten kommt: Ein schlaues Bessere-Welt-Investment ist es, einem Mädchen in einem armen Land eine Schulausbildung zu bezahlen; mir hat das mal ein Amerikaner in Kambodscha erklärt & gleich auch dazu gesagt, es gäbe sogar Untersuchungen darüber, mir hat es aber auch ohne Untersuchungen schon eingeleuchtet: Frauen machen mit ihren Ausbildungen meistens etwas Gescheiteres als wir Männer, sie versaufen das Geld seltener, das sie verdienen, sie haben seltener Lust auf Raufhändel, Waffen, Kriege und so einen Scheiss, sie kümmern sich inniger um ihre eigenen Kinder, sie geben ihr Wissen weiter, sie werden durch eine Ausbildung selbständiger, entkommen vielleicht dem blöden Familienpatriarchen, können zur Not sich auch alleine durchschlagen, jedenfalls besser als ohne eine Ausbildung, usw. usf., all so was, wenn man ein bisschen nachdenkt, fällt einem dazu noch viel mehr ein. Jedenfalls wird die Welt ein wenig besser dadurch. Nicht, dass man das merken könnte, aber man kann es sich ja logisch deduzieren, und das ist schon mal deutlich mehr als sonst, sonst kann man sich logisch ja nur deduzieren, dass alles immer nur noch scheisser wird. Der einzige Nachteil, den diese Theorie hat, besteht darin, dass sie von vornherein mit so einem "Mädchen-sind-vernünftiger-also-irgendwie-braver"-Makel leben muss, und das hört man ja nicht so gerne, man denkt sich dann gleich: was für eine Spießerideologie, und kommt sich so kleinlich vor, als würde man denen den Fun nicht gönnen, als würd man auf die Braven setzen, stimmt schon, das kann man schon als Makel empfinden, geht mir ja selber oft so, wenn ich meine Tochter ansehe, mit ihren sechzehn, denke ich gelegentlich, ob sie nicht ein bisschen wilder sein könnte, alberner, nicht so verdammt erwachsen sozial freundlich und vernünftig, sondern ein wenig mehr wie ihr Bruder, der mit seinen 14 gerade dieser Jungsspacken sein muss, Fußball, Playstation, Lautsein, Spaß haben, wie so Jungsspacken halt sind, war ich ja auch, kannst du zivilisatorisch machen, was du willst, wie ein Haftelmacher aufpassen, dass der nicht immer davonkommt mit dem Jungskram, während die Tochter die Verantwortung übernimmt, ohne dass das einer von ihr gewollt hätte. Aber, auch wenn es so ist und man ein wenig zusammenzuckt wegen des Bravseinkrams: Mädchen-Ausbildungen machen die Welt besser. Glaube ich jedenfalls, rede jedenfalls ich mir ein, hoffe ich jedenfalls. Ich erledige das, indem ich monatlich für so ein Mädchenprojekt in Kambodscha spende (Lehrer bezahlen, Schulsachen bezahlen, bessere Lehrer anstellen können, zweite Reisernte hinbekommen, damit die Mädchen mehr Zeit und Kraft haben, in die Schule zu gehen, all so was), aber es gibt unfassbar viele solcher Dinge, Sie finden sicher ein paar mit Google. Ich frage mich ja, ob man so etwas wie das infame RTL-Dschungel-Camp zu einer ganz tollen, nützlichen, die Welt verbessernden Sendung umbauen könnte. Wenn man da jetzt ein indisches oder laotisches oder kirgisisches Dorf nähme und sich dort zwölf Menschen herauspickte und man würde die dann schlau fördern, den einen mit ein paar Säcken Reissaat, die andere mit einem Webstuhl und Stoff, so Zeug eben, und wir könnten uns einmal in der Woche ansehen, wie das auf so eine community wirkt, dass es plötzlich mehr zu essen gibt und mehr anzuziehen und mehr Zeit, die nicht mit dem schieren Überleben zugebracht werden muss, und man könnte das entlang von zehn, zwölf Geschichten verfolgen über ein paar Jahre hinweg, dass eine von denen dann Ärztin werden kann und all so was: ob man das nicht viel lieber sähe als diesen Aufeinander-Herumpick-Einander-Quäl-Müll? Dachte ich nur, weil der Herr Thoma, der so viel Unglück über uns gebracht hat, neuerdings doch meint, Reality-TV wäre zu Ende. Seltsam: dass man sich so selten Fernsehshows überlegt, in denen Leute nicht gedemütigt, gequält, vorgeführt, verarscht, mies behandelt, verspottet, gegeneinander gehetzt werden. Diese Calmund-Nummer jetzt zum Beispiel, von der ich nur den Trailer gesehen habe: dass der gleich wieder damit lospoltert, dass man sich den ganzen arroganten Unischeiss sonst wohin stecken kann. Du merkst ja sofort diese bösartigen Kalküle: dass die Hartz-IV-Aussortierten als ideelle Kompensation jetzt wenigstens zusehen dürfen, wie der Calli die Klugscheisser von der Uni rundmacht, die sie natürlich so gecastet haben, dass du gleich weißt, der sieht aus wie einer, der dir den Arbeitsplatz wegnehmen würde, ließen sie ihn nicht nur im Fernsehen los. So wie die Arbeiterklasse im Fernsehen immer nur so aussehen darf wie in diesen Frauentausch- und Kämpf-um-deine-Frau- und Big Brother-Erniedrigungssendungen. Issjanurspass. Das Arbeitslager-Fernsehen, das Assessment-Center-Fernsehen, das Folter-Fernsehen, das Jeder-gegen-jeden-Fernsehen, das Konkurrenten-Fernsehen. Falls du bisher gelesen hast: das hier ist ein Liebesweblog, heute jedenfalls. Nur bei Microsoft schaffe ich das nicht. In James Barrons Bericht über das tolle Microsoftmusterhaus stand auch folgendes zu lesen:

The Microsoft Home [...] can read similar tags in clothes for cleaning instructions. "My daughter might not care about that, but my washer will," Heath said. The tags can also tell the network whether the skirt a child has pulled out of the closet conforms to a school dress code, or a parental one.
Das muss man sich mal vorstellen: Der Kleiderschrank petzt den Eltern, dass die Tochter das Top rausgezogen hat, das ich dir doch schon hundertmal verboten habe. Vielen Dank auch. Und wie schade, dass man kein homo floriensis sein durfte, sondern auf dem Territorium des homo sapiens zusammengepudert worden ist.






fast ein sakrileg jetzt ein kommentar zu schreiben, aber ich bin dankbarkeitsbesoffen, da scher ich mir nix. danke.


Wieder an diese Werbung in der U-Bahn gedacht, Spenden für Straßenkinder in Brasilien, da kam das Jungsding zum Einsatz - ein Foto von einem aufgeweckten Jungen, und drunter ein Spruch, dass der wohl nicht Manager werden kann oder sowas. Einerseits Ärger, andererseits der Gedanke, dass das hoffentlich nur die businessglatten Deppen in der Werbeagentur waren, die via Straßenkinderhilfe den brasilianischen Manager-Nachwuchs einfangen wollen.

(Um dem Patriarchen zu entkommen, ist es ja nicht nötig, brav zu sein, im Gegenteil.)