nach einem jahr haben wir sie wieder getroffen, im selben café, wahrscheinlich haben wir sogar dasselbe getrunken, aber das könnte ich nicht beschwören.
damals lebte er noch, gerade noch so, sein körper hing an versorgungsschläuchen, sein geist war schon verkapselt. sie erzählte ein wenig von ihren nachmittagen bei ihm im sterbezimmer und ihrer ständigen alarmiertheit, jeden augenblick könnte der anruf kommen, er hätte es nun geschafft. ein paar wochen danach haben wir in der zeitung von seinem tod gelesen und waren für sie erlöst und für sie erschüttert.
dass es schwerer wäre, als sie gedacht hätte, sagte sie heute. endlich wieder wegkönnen, verreisen, ohne all diese arrangements treffen zu müssen, ja sicher. aber wie schlimm das wäre, ohne ihn. dieser eine nachruf, den sie gelesen hätte, darin: sein frauengeschmack wäre an marilyn monroe gebildet gewesen, und er, der nachrufer, hätte ihn nie glücklich gesehen. so stünde das nun nachzulesen, nach 25 jahren ehe mit ihr, sagte sie (die durchaus zu ihrem vorteil ganz sicher nie wie marilyn monroe ausgesehen hat), und warum er, der geliebte mann, ihm, den nachrufer, sein glück hätte zeigen sollen, verstünde sie ja immer noch nicht.
nützt ja nichts, muss ja weitergehen. und so wird, sagte sie, alles immer um ein jahr älter. manchmal sitze ich vor dem kastanienbaum hier und sage mir, wenn ich glück habe, sehe ich ihn vielleicht noch zwanzigmal blühen. aber dem kastanienbaum ist das natürlich völlig gleichgültig.
bis bald, sagte sie, vielleicht ja in einem jahr.