"für die schauspieler ist keine andere arbeit mehr möglich außer der geistigen arbeit, die den versuch darstellt, sich mit den rollen zu identifizieren. wenn ein seriöser schauspieler wie de niro einen film dreht, nimmt er sich 3 1/2 jahre zeit, weil er zweimal abnehmen und dreimal wieder zunehmen muß. wenn er die rolle eines boxers spielt, lernt er boxen. er kann es sich leisten, denn er ist ein großer star. es gibt eine ganze reihe von filmen, die man deshalb nicht mehr machen kann, weil die schauspieler nicht mehr die möglichkeit haben, die arbeit kennenzulernen, die man von ihnen erwartet. folglich wird sogar schon in den drehbüchern diese arbeit unterdrückt. wenn depardieu die rolle eines arztes spielt, heißt das, daß er einige telefonate führt oder daß er eine maske aufsetzt und sagt: >geben Sie mir das skalpell"<" jean-luc godard, wie kann man sexuelle beziehungen filmen? interview mit libération, mai 1980.






Andererseits, so könnte man erwidern, haben die Menschen heute vor dem Hintergrund des "lebenslangen Lernens" gar nicht mehr die Möglichkeit, eine feste berufliche Identität, ein Selbstbewusstsein in der eigenen gesellschaftlichen Funktion zu entwickeln, sodass sie alle nur noch method acting betreiben: Verkäuferin, Klempner, Universitätsdozent, Werber, Versicherungsvertreter zu sein spielen müssen, und zwar so überzeugend wie möglich, ohne jemals Applaus für diese künstlerische Leistung erwarten zu können.


ich weiß gar nicht, ob es godard in diesem alten interview so sehr auf die menschen ankam als vielmehr auf ihre arbeit, ihre tätigkeiten, die aus den filmen verschwinden, weil die leute, die sie darstellen sollen, die zeit nicht mehr haben, sie für die darstellung halbwegs zu lernen. (was wiederum, jedenfalls in diesem godard-interview, daran liegt, dass die produktionsbedingungen das nicht zulassen). jedenfalls war das grund, warum mich die stelle interessiert hat. das verschwinden von arbeit aus den bildern. jedesmal, wenn sie doch noch vorkommt (vor einem halben jahr etwa diese grandiose feature-serie beim zdf über callcenter, consultant-ausbildungsschmieden und all so was), bin ich regelrecht erstaunt. vielleicht könnte man einwenden, dass arbeit nicht mehr so wichtig ist wie sie mal gewesen sein muss; aber das würde ich anfechten. sogar, dass sie schwer zeigbar ist, würde ich bestreiten.


Aber sie ist uncool geworden. Was zur Folge hat, dass die Menschen in Filmen oft nur noch Un-Berufe haben. Selbst in den Vorabend-Sitcoms arbeiten alle nur noch in Web- und Werbeagenturen, modeln oder betreiben Stadtzeitungen. Soll ich das bedauern?


manchmal haben sie aber auch

gemueselaeden in koelner vororten oder wurstbuden in muenchner ungegenden(die im jeweils gegenteiligen ort gedreht werden). oder sind arbeitslos oder klempnerlehrling. (ich habe gestern marienhof gesehn) gzsz ist nicht die welt.


Dieses method acting findet hier in der Firma ständig statt, meist als Zurschaustellen eines generellen Zutunhabens, Stresshabens und also Legitimiertseins. Gestern dachte ich: Als Kind spielt man Erwachsensein, als Erwachsener auch. Das freudlose Leben indes scheint mir echt.


Die Erving-Goffman-Gesellschaft.