gestern abends bei randy newman in der musikhalle gewesen. ein älterer freundlicher herr in khakis und geräumigem freizeithemd, ein klavier, vielleicht zwei dutzend lieder, die meisten aus der heroischen epoche, rednecks, birmingham, political science &tc. mich sofort gefragt, ob er wohl alleine durch europa reist, er braucht ja niemanden für seine show, mich sofort gefragt, wie newman wäre, wenn newman wie dylan wäre, spielen an 250 abenden im jahr, an jedem verdammten ort. wie es wohl wäre, als einzelner in diesen zickzack-routen durch die welt zu kommen und sich im tausch dafür jeden abend an ein gut gestimmtes klavier zu setzen und "let's drop the big one" zu singen.

jolly coppers: das beunruhigendste lied von ihm, das ich kenne, vielleicht das beunruhigendste lied überhaupt. ein kind, das am straßenrand steht, die polizei vorbeimarschieren sieht und sich dringend wünscht, selber ein polizist zu werden, wenn es einmal groß ist, hinweggetragen vom ozeanblau der uniformen, den tricks, die für die kinder aufgeführt werden, dem röhren der motorräder. wie schön das ist! all die ausrufezeichen! der nominalismus! das glück, die welt und das leben in indikativischen sätzen unterzubringen!

& dann, Sie wissen schon, man weiß das ja: eine polizeiparade...

Und genau so funktioniert das. Schalmeien, Motoren, Tricks, das Heer der Engel als Soldateska: alles, was ein Junge wollen kann.

follow the flag auch das natürlich ein verdienst, sänger und künder verschiedener rekrutierungstaktiken zu sein, von "new orleans wins the war" bis eben zu "follow the flag".

in sachen rekrutierung scheint mir allerdings das paraden-paradigma dann doch obsolet, das ist letztlich zu sehr k.und k., der schöne major, schau nur die uniform und der säbel blitzt etc (auch die erotisierungsstragien als form der rekrutierung für die "älteren kinder"). die uniformen die jetzt hip sind, kennen eben nicht den fesch geschnittenen rock sondern die übergroße, unterm arsch hängende hose etc. in gewisser weise sind also die hiphop videos mit den babes klare erben der früheren paradenherrlichkeit.

den von ihnen beschriebenen ausrufezeichen entkommt man dann nicht. erinnere mich an die anekdote eines regisseurs, der von einem filmprojekt berichtete, mit dem er - allerdings demaskierend - verständlich machen wollte, was die faszinationskraft am militär ist. zeigte den fertigen film dann stolz mehreren gruppen von jungen menschen mit dem ernüchternden ergebnis, das die ganz einhellig der meinung waren: faszinierend, das militär. seither macht er krimis.

noch einmal zu newman. während des konzertes gestern fragte ich mich dann auch des öfteren warum ich den dicken mann am klavier denn so schätze, immer leicht irritiert durch die fast das ganze konzert hindurch weinende frau links vor mir (überlegte zunächst ob sie aus enttäuschung weint, in das falsche konzert gegangen zu sein, es schien aber dann doch die tonspur der wahren empfindung zu sein, die ihr so ans herz ging). irgendwann über den eigenen vermutungen die frage vergessen und mich unverhofft an der erleichterung erfreut, die darin liegt, den eigenen wertschätzungen keine argumentative entfaltung aufdrängen zu müssen.