jaja, ist schon klar, dass man sich auf den satz stürzt, vielleicht genauso vorhersehbar wie das ganze interview oder vielleicht auch das buch.
aber was ist jetzt eigentlich mit dem buch, so als roman, weiss man da mehr drüber, und mehr über den autor? ich kannte den bis jetzt gar nicht. der ansatz kommt mir ja so blöd nicht vor.
was ich gelesen habe: vertragsverhältnis aufgelöst, neuerliche verhandlungen mit anderen verlagen, am freitag will kunkel bekannt geben, wo und wie und mit wem. hatte vorher auch noch nichts von ihm gehört trotz klagenfurt. der "ansatz" (falls Sie das so meinen): kunkel sagt, er würde sich auf eine idee alexander kluges berufen, irgendeine episode aus der "chronik der gefühle". und ich finde auch: das thema ist eigentlich zwingend.
aber warum das ganze bohei?
typ macht buch : verlag will buch nicht : danke schüss. passiert 1000x am tag ohne geschrei. oder ist bei "porneaux" und "nazzi" automatisch veröffentlichungspflicht?
selbstverständlich ist das was anderes. wie die nackte brust im superbowl.
"Ich bin 40 Jahre alt, ich weiß, was ich schreibe."
Diesen Satz Kunkels finde ich poetologisch viel amüsanter, das Alter des Autors als Nachweis für Reife und Durchdringung des Stoffes. Daraus folgend könnten ja endlich Keats, Byron, Shelley, Radiguet, Rimbaud, Büchner etc. verdammt werden, weil sie unter vierzig gestorben sind, aber auch die "Buddenbrooks", "the sun also rises", "der tor und der tod", "Baal" etc. könnten alle getrost von der leseliste gestrichen werden wegen offensichtlicher (durch mangelndes alter erwiesener) unreife der autoren.
Das "ganze Bohei" entseht sicher daraus, daß sich die feuilletonisten inzwischen nicht mehr trauen einmal pro quartal den großen deutschen nachkriegsroman etc (great american novel) anzukündigen, da schreiben sie jetzt im zweiwochenturnus über literaturskandale. alles (biller, anonyma, walser?) ist ja auch zwei wochen später schon wieder unendlich langweilig und genauso peinlich wie die tatsache, daß vermeintlich vernünftige menschen irgenwann einmal behaupten konnten, bodo kirchhoff habe einen oder gar DEN großen roman geschrieben. studien der nichtigkeit und überhaupt ist eine "chronologie des skandals" immer auch eine verfallsgeschichte.
Ich bin 40 Jahre alt, ich weiß, was ich schreibe ist zwar absurd, heißt ja aber nicht, dass Unter-Vierzigjährige nicht wissen, was sie schreiben. Nur mal so. Dabei habe ich allerdings festgestellt, dass ich an diesem Interview nichts zum Aufregen fand. Vielleicht, weil man dazu geneigt ist, alle Aussagen als Element einer Provokations- und damit Marketingmaschinerie abzutun.
verlege keinen über vierzig!
@ albertsen natürlich hat kunkel nicht expressis verbis gesagt, daß unter-vierzigjährige nicht wissen, was sie schreiben, aber der ebenso unsinnige wie in diesem kontext überflüssige hinweis auf das alter in verbindung mit dem bewusstseinsstand hinsichtlich des geschriebenen lädt doch zumindest freundlich zu der deutung ein, daß fortschreitendes alter höheres bewusstsein sichert (was - im umkehrschluß - auf ebenso freundliche weise dazu einladen könnte, jüngeren autoren eben zu misstrauen aufgrund ihrer jugend etc.), ansonsten hätte er ja auf den hinweis bzgl. seines alters verzichten können. mich freut einfach der gedanke einer revidierten literaturgeschichte nach volljährigkeitskriterien etc.
hinsichtlich des aufregens teile ich ihre ansicht nicht: natürlich ist das inteview voller belanglosigkeiten; aber allein die tatsache, daß ein interview solcher nichtigkeiten in zusammenhang mit einem so "langweiligen" skandal abgedruckt wird, ist doch wahlweise amüsant oder der erregung wert...
Ich mochte ja "Gravity's Rainbow" nicht, weil es diese ganze Nazi-Porno-Scheiße so lax und luschdisch angeht, von anderen Sachen wie der Geisterbahnfahrt in Dora Mittelbau abgesehen, die fast schon wieder gut ist. (Und das Thema ist absolut nicht trivial, wie auch Faschismus und Pornos für sich genommen schon nicht trivial sind). Aber bei dem Satz
Ich habe drei Jahre wie ein Idiot gearbeitet und glaube, einen Roman geschrieben zu haben, über den man diskutieren kann und soll.
fürchte ich einfach, dass es immer noch ungeheuer viel besser ist, auf dem Niveau Pynchons zu scheitern als auf dem Kunkels zu kunkeln. Nur so eine Befürchtung. Der Interviewer ist natürlich nicht mehr zu retten. Seitenscheitelantifaschist.
Ich fande diesen Satz bemerkenswert: "Wir können nicht so tun, als wären wir nicht erwachsen". Er spielt damit ganz bewusst auf den von vornehmlich von konservativen Politikern geforderten "selbstbewussten Umgang" mit dem 3. Reich und dem Holocaust an. Es kann aber meiner Meinung nach kein "fangen wir noch einmal von vorne an, wir sind doch jetzt erwachsen und klüger" geben.
Zu was dies führt, sieht man ja auch bei Kunkel: Die Versatzstücke "Nazi", Porno" und nun auch "Zensur" werden zu einer aufmerksamkeitserheichenden klebrigen braunen Masse zusammengerührt.