Neulich waren M. und ich mit den Kindern im Kino, Ice Age. Kurz vor Beginn der Vorstellung musste Paul, gerade sieben geworden, M. noch dringend eine Geschichte erzählen, die ich hier hier nur aus zweiter Hand und mit dem Abstand von drei Wochen wiedergeben kann: Man hätte seine Schule umbenannt. Nun heiße sie nach einer ehemaligen Direktorin, die von bösen Männern entführt worden war. Eines Tages seien sie gekommen, in gelben Anzügen, und hätten sie abgeholt. In eine Ubahn gesteckt und abtransportiert. Und dann sei sie gestorben. Nach dieser Frau heiße nun seine Schule.
Soweit Pauls Geschichte. Völlig durchgeknallt, sagte M. damals nach der Kinovorstellung, stell dir vor, was er mir erzählt hat. Und ich musste lachen und sagte, wie so oft vorher, wenn ich Leuten erzähle, wie speziell Paul ist: Er denkt sich dauernd solche Geschichten aus. Keine Ahnung, wie er auf das alles kommt.
Heute nun hatte ich in Pauls Schule zu tun, Besprechung mit einer Lehrerin, und, ach ja, es ging unter anderem auch um die Geschichten, die Paul so erzählt.
Dann, beim Hinausgehen, fiel mir eine Gedenktafel gleich am Ausgang auf. Die Gedenktafel erinnerte an Marie Beschütz, eine Jüdin, bis 1934 Lehrerin an Pauls Schule, nach Riga deportiert.
Plötzlich war alles dort, wo es hingehörte. Die Männer verwandelten sich in Gestapolizisten, die Ubahn in einen Viehwaggon, und die gelben Anzüge, er wird sie verwechselt haben mit dem Stern, den sie tragen musste.
Was für ein Land, in dem man sich davor hüten muss, die Hirngespinste der Kinder für Hirngespinste zu halten statt für die Wirklichkeit. Was habe ich mich geschämt für mein "ach ja, Paul und seine Geschichten"-Lächeln.
Erkenne Dich, Bessere Dich!
Dafür bist Du in der Lage Deine Meinung, Dein schnell-hingeworfenes Hirngespinnst zu revidieren. Schade das so etwas nur selten passiert...