In der Diskussion über Ipod-Psychologie (weiter unten auf dieser Seite) hat Herr Knecht eher beiläufig und vage den Begriff philosophisch in Spiel gebracht. Nun frage ich mich: Was, wenn man das Philosophische ernst nähme? Was, wenn man sich vornähme, Musikstücke und ihre Abfolge nach philosophischen Überlegungen zu organisieren, also philosophische Playlists zu erfinden? Platonismus. Die Phänomenologie des Geistes und andere Dialektiken. Das mind-body-Problem. Negativität. Sprachspiele und Wahlverwandtschaften. Ethik. Modale Logik. Und so weiter. Sicher - das wäre zum Beispiel eine Schwierigkeit für einen Philosophen - täte das der Musik nicht wenig Gewalt an, man würde sie damit ja zum Exempel, zur Illustration entwürdigen, was ihren Autonomiecharakter beschädigen müsste. Andererseits: solange man das weiß, ist das in Ordnung. Und vielleicht würde einem so eine philosophische Jukebox ja auch etwas über das Denken, die Begriffe und deren Grenzen beibringen. Käme auf den Versuch an.






Ihre philosophische jukebox gezz klassisch nur mit 7" (in dreieinhalb minuten auffen punkt .com)? oder so neumodisch mit lange cds?


playlisting about philosophy is like dancing about architecture


and?


in other words: Kategorienfehler. Aber das steht ja schon im Originalbeitrag; ich wollte eigentlich nur den alten Costello-Spruch anbringen. Mir fehlt immer die nötige Phantasie zu sehen, was soetwas bringen soll (soetwas: z.B. Jarmans Wittgenstein-Film). In der Philosophie geht es um wahre oder falsche Aussagen, resp. Bedingungen für solche, in der Musik nicht.


gute musik drückt und löst mit verstand individuelles gefühl aus ,macht doch spass sich für grundstimmungen und überlegungen jeglicher art passende begleitmusik zuzuordnen ,warum nicht philosophisch drangehen ? wahrheit ist auch oft vor allem persönlich und ich möchte nicht den j.p.sartre-sound hören.


wahre und falsche aussagen? mich deucht, das ist ein gar enges verständnis von philosophie.


@der: dachte ich mir. eigentlich nur alten spruch anbringen. schön, ich nehme ihn, wenn es Sie erleichtert. es gibt übrigens leute, die über architektur tanzen können. man kann über alles tanzen. sogar die versteinerten verhältnisse können es, und die kategorien schon viel länger. gesetzt dem fall, es ginge in der philosophie um, na Sie wissen schon: dann bekämen Sie in bestimmten musiken möglicherweise etwas mit über die schönheit von tautologien, oder darüber, wie ein syllogismus plötzlich schönheit annimmt. oder sie könnten über kalküle in der musik nachdenken. nein, Sie müssen ja nicht. geht ja auch um etwas ganz anderes. bloß nicht tanzen.


Dazu kommen mir nun wieder die entsprechenden Experimente der Bauhaus-Bühne in den Sinn. Die Idee der philosophischen Playlist nehme ich eher so wahr wie ein Koan.


oh weh. Na gut. Zum einen ist der Spruch natürlich (absichtlich) ambig: wer gerne über Architektur tanzen möchte, der soll auch über Philosophie playlisten. Wie schon in dem Originalbeitrag gesagt, ist das Problem hier natürlich das herantragen einer fremden Intentionalität: Musik muss nicht (kann nicht?) über etwas sein in dem gleichen Masse wie ein natürlichsprachlicher Satz. Sie kann vielleicht, auch das steht im Originalbeitrag, etwas illustrieren. Hier beginnt eine Geschmacksfrage: erhellen solche (ja eher impressionistischen) Illustrationen mehr als andere? Es kommt auf den Versuch an, klar, meine Vermutung ist, dass nein. Die empfundene Schönheit von Tautologien oder Syllogismen ist, denke ich, eine externe Eigenschaft; ihre Untersuchung wird einem nichts über selbige sagen. (Vielleicht aber einiges darüber, wie Kognition funktioniert. Dann aber unter kontrollierten experimentellen Bedingungen.) Und ohne jetzt hier den Buhmann spielen zu wollen, Wahrheit ist natürlich nicht persönlich. Oder anders gesagt, die Art von Wahrheit, die man persönlich nennen kann, lässt sich bestimmt gut mit Playlists vermitteln. Wie gesagt, Geschmackssache. Ist leider ein pet hate von mir, die umgangssprachliche Verwendung von philosophisch' oder Philosophie'; zugegebenerweise, vielleicht entgeht mir dadurch etwas. Jedoch, einige meiner besten Freunde tanzen gerne und oft; wie sie auf Befragung zugeben, fast nie über etwas. @katatonik: ich hab ja extra das `Bedingungen für [die Möglichkeit des Treffens] solche[r]' dazugetan. Das scheint mir das meiste abzudecken.


@der: Den pet hate kann ich verstehen. Mich müssen Sie aber nun wirklich nicht hassen, ich habe nämlich eine recht gediegene Ausbildung als Philosoph, umgangssprachlich ist da gar nichts mehr. Und was sie "persönliche Wahrheit" nennen, hasse ich so inbrünstig wie sie. Wahrheitstafeln mit ws und s sind es aber auch nicht. Die Frage ist halt: ist Musik tatsächlich etwas nur Nicht-Begriffliches? Ich glaube nicht, dass sich das so umstandslos abschlägig beantworten lässt.


Gut. Verstehe ich wahrscheinlich zu wenig von. Habe zum Beispiel Adornos Texte über Musik nie ernsthaft gelesen. Sachen wie `Sprache der Musik' lassen mich immer etwas zusammenzucken: natürlich sind Musikformen Kalküle (an meinem Institut z.B. arbeitet jemand, der zum Zeitvertreib mit seinem Grammatikformalismus Blues-Stücke erzeugt), ich sehe aber nicht so leicht, wo da zu der Syntax die Semantik kommt. Vielleicht kann man sagen, dass es bei Musik nur Syntax und Pragmatik gibt? In jedem Fall aber sehe ich ein Problem, transportierte Aussagen (Begriffe?) von einem Medium in's andere zu übersetzen, ohne zu kommentieren / illustrieren. Hm, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt wirklich auf den Versuch an. Also hier meine Bitte an Sie: eine philosophische Playlist. (Bitte nicht im Sinne einer Herausforderung verstehen.)


die semantik hat, würde ich vermuten, vor allem mit der musikgeschichte zu tun. warum man wann welche kalküle verwendet: da kommen sofort die bedeutungen rein (die natürlich andere sind als die bedeutungen von begriffen). epochenschwellen und dergleichen. die erfindung der zwölftonmusik. die empfindung, dass man nicht mehr bebop machen kann, sondern modal werden muss. die entwicklungen bei d&b oder dub. warum musikalische formen plötzlich absterben (was möglicherweise heißen könnte: dass sie nichts mehr "bedeuten").


Wie ist es dann mit Adorno? Ist Adorno ein Zwölftondenker? Wenn Philosophie und Musik in einem neuronalen Netz nicht nur hinsichtlich der Rezeption, sondern auch der Produktion konvergieren, dann müsste man Ihre These doch am ehesten bei ihm überprüfen können.


Adorno ist vermutlich ein zu leichtes und deswegen unglückliches Beispiel, weil er ja selbst Komponist war (kein schlechter), bei Alban Berg studiert hat (wenn ich mich richtig erinnere), die Philosophie als Profession nur die zweite Wahl war, und gerade in seine philosophischen Texte nicht nur thematisch immens viel aus der Musik eingewandert ist. Der Anti-System-Impuls beispielsweise; das Fortschreiten in "Konstellationen" statt Ableitungen aus obersten Prinzipien; das Montieren usw.: Da ist schon viel aus der Zwölftonmusik drin. Was mich aber wie gesagt nicht überrascht.


Das meine ich ja mit der Konvergenz von philosophischer und musikalischer Produktion. Also ist Adorno ein glückliches Beispiel. So viele Philosophen von Rang, die gleichzeitig Komponisten waren, gibt es nun auch wieder nicht.


Öha. Da bin ich wohl unversehens beidbeinig in Herrn Praschls weltanschauliches Beet gelatscht.

Bitte ohne diesen Threads umlenken zu wollen und zur nachträglichen Ehrenrettung verdeutlicht:

  • ich hätte auch gerne eine riesige Festplatte.
  • ich halte die bewusste Auswahl von subjektiv liebenswerter Musik für einen Wert und wüsste gerne von den handverlesenen personal playlists lieber Menschen. Am Liebsten würde ich in Herrn Hacks Playliste mal reinhören oder sehen und am Besten hören, was Herr Praschl hört. Dann würde ich mit Aahs und Ooohs mein Spektrum erweitern und mich erfreuen. Am Allerliebsten würde ich dann wissen, weshalb die Playlisten sind wie sie sind. Ob man sich etwas gedacht hat bei der Anordnung und der Auswahl. Ob die Tracks eine Geschichte erzählen oder eine Stimmung nachzeichnen oder jederzeit eine bestimmte Gemütslage hervorrufen können.
  • die absichtliche Begrenzung meines persönlichen /audio/inbound-Speichers ist schlicht zweckgerichtet: ich will mich nicht mit Musik umgeben, die mich nicht berührt. Ich will keinen Trash auf meiner kleinen Platte haben, nur Essentielles. Ich verkaufe aus ebenjenem Grund schachtelweise belanglose CDs auf eBay. Wenn mir beim Anblick eines Covers, beim schnellen Durchhören nichts einfällt, dann muss sie gehen, die CD. Machs gut und suche dein Zuhause in einem anderen Regal. Das ist ein wenig neurotisch, zugegeben.
  • ich will nicht alle Beatles-Songs sammeln wo ich nur eine handvoll Stücke gerne mag.
  • ausserdem (das wird mich verdächtig machen) LIEBE ich saubere ID-Tags. Ich habe einige Zeit damit verbracht, meine 770 tracks sauber zu IDisieren. Zufrieden bin ich damit nie. Es fehlt etwa ein kleines Werkzeug, das die BPM sauber einfängt. Dann könnte ich nach der Geschwindigkeit von Musik sortieren und kleine Kaskaden zusammenstellen.