Topic: Arbeit am Gefuehl
- Gestern habe ich mich mit meinem Bruder zerkracht.
- Ich habe ihn mitten in der Nacht rausgeworfen.
- Um halb zwölf.
- Es kann auch halb eins gewesen sein.
- Er ist dann nach Frankfurt durchgeheizt.
- Er ist die ganze Zeit vor dem Fernseher gesessen.
- Da sehen wir uns zweimal im Jahr, und dann sitzt er die ganze Zeit vor dem Fernseher.
- Ich habe mir dann ein Buch genommen und bin in mein Zimmer.
- Aber ich konnte gar nicht lesen, so traurig war ich.
- Wenn er sich irgendetwas angesehen hätte, eine Dokumentation oder so etwas.
- Aber der zappt ja nur.
- Der hat sich noch nie etwas zu Ende angesehen.
- Alle drei Minuten zappt er weiter.
- Es ist nicht so, dass er die Werbung rauszappt.
- Er sitzt einfach da und zappt alle drei Minuten weiter.
- Wenn Du wüsstest, wie sehr ich das Fernsehen hasse.
- Dann hat mein kleinerer Bruder angerufen, und er hat von vor dem Fernseher immer Kommandos geschrien, was ich sagen soll.
- Der ist einfach sitzengeblieben und hat weiter gezappt.
- Er geht sogar zu Weihnachten in den Keller und setzt sich vor den Fernseher.
- Ich weiss auch nicht, warum er das macht.
- Ich glaube.
- Ich glaube, er macht das, weil er dann nicht mehr da ist.
- Ich glaube, wenn er zappt, ist er nicht mehr da.
- Ich glaube, er will nicht mehr da sein.
- Ich weiss auch nicht.
- Ich habe ihn dann rausgeschmissen.
- Um halb zwölf.
- Es kann auch halb eins gewesen sein.
- Vielleicht sehen die Menschen nur fern, damit sie nicht mehr da sind.
- Vielleicht gibt es das Fernsehen deswegen, damit die Menschen nicht mehr da sind.
- Ich weiss auch nicht.
- Ich weiss auch nicht.
- Ich weiss auch nicht.
- Er hat mir noch um halb vier eine SMS geschickt.
- Dass es ihm leid tut.
- Dass wir darüber sprechen müssen.
- Du weisst gar nicht, wie sehr ich das Fernsehen hasse.
praschl | 26. Februar 01