Den Sichrovsky lernte ich kennen, als ich beim "Stern" Kultur-Ressortleiter und er "Stern"-Hongkong-Korrespondent und ein bekannter Autor bekannter antifaschistischer Bücher war. Manchmal telefonierte ich mit ihm, weil ich eine Geschichte aus Asien (wofür er zuständig war, für ganz Asien!, einer der besten Jobs, die man im Journalismus bekommen kann) haben wollte, japanische Autoren, dissidente chinesische Maler usw. "Wird doch eh nicht gedruckt", sagte der Sichrovsky, und wenn er ehrlich gewesen wäre, hätte er sagen können: "Ich werd doch nicht so blöd sein, nach China zu reisen, wenn ich doch mein fettes Gehalt in Hongkong mit Nichtstun verbraten kann." Irgendwann war er dann nicht mehr im "Stern", und ich bezweifle, dass viele überhaupt wussten, dass er je da gewesen war. Einige Jahre später tauchte er wieder auf: als Jörg Haiders Vorzeigejude - eine der traurigsten und schäbigsten Existenzen, die ich mir vorstellen hätte können, wenn ich mir das je vorstellen hätte können. Na ja. Jetzt schreibt der Sichrovsky das "Wörterbuch der Wende", und für Nicht-Österreicher sollte ich an dieser Stelle erklären, dass unter "Wende" die Machtergreifung durch die blauschwarze Koalition gemeint ist. Bislang gibt es zwei Folgen (beide vom Netz genommen), und damit der geschätzte Leser ermessen kann, wie tief einer sinken kann, der einmal passable Theaterstücke über die Kinder von Nazi-Verbrechern geschrieben hat, zitiere ich aus Sichrovskys neuem Sprachschatz bloß die Eintragung "Anti-Nazi: Ebenfalls durch einen orthografischen Kunstgriff manipulierte Antithese des "Narziss" - eines schönen Jünglings, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt - und ist daher ein hässlicher Mann, der sein eigenes Spiegelbild nicht erträgt."