Gestern beim Nachhauseweg mit M. überlegt, ob man nicht für Bücher Oscars in allen möglichen Kategorien vergeben sollte. Sofort würde Literaturkritik wieder interessant werden. In der Literaturkritik nämlich kommen ja die Qualitäten, die einem beim Lesen wichtig sind, meistens zu kurz. Die besten männlichen und weiblichen Nebenfiguren zum Beispiel (bei mir ist es gerade der Professor Steffen in Sperbers Träne im Ozean), die besten special effects, die besten ersten Absätze, der beste Dialog, die beste supporting landscape usw.

Der Vorteil, den ein solches Verfahren hätte, liegt auf der Hand: Man nähme die Literatur als Handwerk, als Technik zur Kenntnis; man könnte sich über überschaubares Material streiten; und die Produzenten, also die Autoren, hätten endlich etwas, wofür sie sich selbst interessieren würden. Autoren interessieren sich nämlich nicht für Botschaft, geistigen Abhub und ähnlichen Unsinn (sonst wären sie Pfarrer, Sonntagsredner oder Reich-Ranicki geworden), sondern für Verfahrensweisen, Tricks und ähnliches.

Heute morgen dann im Autoradio ein Bericht über die Leipziger Bücherpreis-Gala. In fünf Minuten fällt ein halbes Dutzend mal das Wort "Oscar". Biolek kriegt einen, die Harry Potter-Autorin und Christa Wolf. Die Trophäe ist von Grass zusammengestümpert worden, und Frau Wolf warnt in ihren vier Sätzen Rede-O-Ton, man dürfe den Warencharakter der Literatur nicht zu wichtig nehmen. Gähn. Und alle im Saal haben sicher ergriffen geguckt dabei. Doppelgähn.

Nicht das, was ich mir vorgestellt habe.






völlig richtig! - und apropos bewertungskriterien : auch nicht schlecht, der kriterienkatalog, wie er sich hier findet : www.allscifi.com

stechlin jahrestage vineland auf den marmorklippen rave hunger die wiederholung etc.pp nach diesen kriterien aufgeschlüsselt - das wär doch mal eine wirklich gesellschaftlich nützliche tätigkeit für all die literaturwissenschaftlerinnen dieser welt, oder?


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wegen der academy awards habe ich heute zwei stunden lang im stau gestanden. die hornochsen haben den 101 freeway gesperrt und obendrein halb hollywood abgedichtet. das neue kodak theatre, welches größer ist, trotzdem aber weniger sitzplätze hat, liegt an der so ziemlich wichtigsten kreuzung der ganzen stadt. ich hasse die filmindustrie dafür ...

christian.


gute idee. bewahrt vor unscharfen und oft bildungsbürgertümlich beeinflussten wertediskussionen. schließlich geht es ums geschichtenerzählen. und da hat der unterschied zwischen langweilig und nicht langweilig priorität. dieser wiederum basiert zu einem große prozentsatz auf handwerklichem können. polemisiere ich jetzt mal.


ne

literatur würd ich nicht gern auf geschichtenerzählen eingeschränkt sehen. aber man kann ja bei den sparten auch anderes als geschichtenerzählhandwerk berücksichtigen. beste konkrete poeten, beste opposition gegen narrativen realismus, prädikat "garantiert frei von erzählfluß" oder so.


naja

wenn man das so liest, könnte man fast meinen, der oscar hätte irgendetwas mit der qualität der ausgezeichneten filme zu tun. glücklicherweise rückt die auswahl der bücherpreis-gala das wieder ins richtige verhältnis.