Texte jetzt: Ein Buch über das "Elend der Ironie". Ein anderes, dass "Schluss mit lustig!" heißt und die These verficht, dass man sich endlich von den soft skills verabschieden sollte, zugunsten von Leistung und Disziplin. Im letzten Spiegel ein Stück von Julie Zeh darüber, wie ihre Bekannten jetzt nicht mehr Karriere machen, Geld verdienen, teure Autos kaufen wollen, sondern stattdessen ein von der Oberflächlichkeit nicht mehr erpressbares Leben führen, nur noch bedarfsweise jobben, bei Aldi einkaufen und Teebeutel recyclen. Und noch immer das olle Popliteraten-Bashing da und dort.

Als ob Ernstdreinschauen & Arschbackenzusammenkneifen hülfe.

Ganz abgesehen davon, dass es billig ist, das Sinnhubern immer erst dann anzufangen, wenn man keine Kohle mehr hat.






Stimmt schon. Ohne Ironie wird es elend.


wenn man es schon immer gWusst hat dann war es auch die ganze zeit komisch. echt.


Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Das gehört doch alles dazu, zu einem ordentlichen Lifestyle.


Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Ja, wirklich schlimm, dass jetzt wieder die Rousseaus und Thoreaus aus ihren hinterwäldlerischen Unterhölzern gekrochen kommen. Und dass sie auch noch Jahrhundert für Jahrhundert dümmer werde müssen. Was für ein aufregender Irrer war Jean-Jacques! Aber Jeremiah Purdy, brr.


Re: Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

...das macht, sie haben schon gegessen

(Brecht)


und ..

.. vor allem isses scheinheilig


Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Aber ganz abgesehen davon - was sollen denn jene sinnhubern, die nie in den Genuss des Luxus gekommen sind? Was bleibt denn dann letztlich, als die Arschbacken zusammenzukneifen und so zu tun, als wär das alles so gedacht?


Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Hi,

aufgrund Eurer Kommentare habe ich den Zeh-Essay noch mal gelesen. Und muß sagen: Selber :-) So, wie Ihr in Eueren Kommentaren mit Worten geizt, seid Ihr ja Muster der neuen Sparsamkeit :-)

Scherz weg. Ich finde, Ihr ignoriert Möglichkeiten, die in Zehs Text stecken. Einfach nur Gregor und die, die noch nicht am Luxus genascht haben, als scheinheilig anzublaffen, verkennt doch einiges.

Gregor ist ein Prinzip. Das für die Leute steht, die mir auch zahlreich an der Uni begegneten - Studium, weil Kohle in Aussicht. Und Prinzip Gregor hat plötzlich keine Lust mehr drauf. (Die Figur G. will kündigen! Sie wird nicht gefeuert. Und das erlebe ich trotz Krise im Medienbusiness auch in meinem Freundeskreis - Leute schmeißen die Jobs, weil sie den Schwachsinn nicht mehr mitmachen wollen.)

Zeh beschreibt, wie "ein Sack Reis umfiel" (ob sie da nicht eher den Schmetterlingsflügelschalg meinte?). Wie der Bruch in der Gesellschaft stattgefunden hat, und selbst die Elterngeneration, die noch das Prinzip "Konsum ist gesellschaftlich wichtig" verkörperte, ALDI ok findet. Was wiederum zur Folge hat, daß der gesellschaftliche Motor Konsum zu stottern beginnt.

Zeh zeigt auf, daß es eine Ablösung geben könnte: Religion und Politik sind eh out, doch auch die Anerkennung über Konsum / von der Wirtschaft ("tolle Leute in tollen Autos") nimmt ab. (Was Zeh mit der Shellstudie untermauert), Kommunikationstechnologie übernimmt die Anerkennungshoheit "Wow! arrogant.ville hat mich zur Kenntnis genommen!" :-) Ich merke, wie z.B. die verknüpfte Kommunikation eben Befriedigung bringt.

Daß das Abschlußbild von Zeh mit auf Strohmatten liegenden lächelnden Leuten, die recycleten Teebeuteltee trinken, nur bedingt ernst gemeint war, ist doch wohl nicht entgangen. Dazu sollte vielleicht auch bedacht werden, daß Zeh durch Bosnien gereist ist, eine nicht gerade rundlaufende kapitalistische Gesellschaft, in denen viele Leute aber nicht unbedingt den ganzen Tag depressiv in der Ecke sitzen...

Allerdings: Ist das auch nichts repräsentatives, wenn ich mir die Markenfetischisten namens "Kidz" angucke; oder wie der Besitz von dicken Autos & dollen Frauen & Reichtum bis zum Abwinken in bestimmten Videoclips unironisch ins Bild gesetzt wird.

Und hier noch ein paar Anmerkungen zu Euch:

praschl, 14.11.2002, 23:37 Als ob Ernstdreinschauen & Arschbackenzusammenkneifen hülfe.

Wieso hülfe???

Ganz abgesehen davon, dass es billig ist, das Sinnhubern immer erst dann anzufangen, wenn man keine Kohle mehr hat.

Falls Du das auf Zeh beziehst: Wer sinnhubert denn? Und wem ist da Kohle ausgegangen?


am Freitag, 15.11.2002 um 01:24 schrieb ratte: Das gehört doch alles dazu, zu einem ordentlichen Lifestyle.

ähhh???


am Freitag, 15.11.2002 um 09:08 schrieb knoerer: Ja, wirklich schlimm, dass jetzt wieder die Rousseaus und Thoreaus aus ihren hinterwäldlerischen Unterhölzern gekrochen kommen.

Also, Thoreau und JJR sind ja nun wirklich komplett verschiedene Ansätze. Und Thoreau war nun nie ein hinterwäldlerischer Waldschrat!


am Freitag, 15.11.2002 um 11:58 antwortete shelog : ...das macht, sie haben schon gegessen (Brecht)

Ja, auch Brecht hat nicht zu schlecht gelebt - so what? Aber die Zeh-Leute stellen sich ja gerade nicht asozial und gleichgültig neben die Gesellschaft (s. Bem. zur Shellstudie).


So weit mal. Gruß, mischa


Gregor? Wer ist eigentlich Gregor? ;) Nein. Es geht um das Propagieren des Prinzips "Gregor", nicht um den Typen, der vielleicht nicht mal existiert ... Die, die Wahl haben, sind doch eine Minderheit. Den anderen soll suggeriert werden, dass, hätten sie die Wahl, sie diesen Weg gewählt hätten, den sie jetzt zwangsweise gehen. Und das ist einfach unredlich in meinen Augen.


Re: Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Hallo, Kassandra,

genau: Es geht um das "Prinzip Gregor", sach ich ja :-) Aber wo wird denn behauptet, daß da irgendwas suggeriert werden soll? Macht sich Zeh irgendwo lustig über Arbeitslose? - oh, Entschuldigung! heißt ja in NewLibSpeak: Freigesetzte... Natürlich hat eine Arbeitslose sich das nicht ausgesucht! (Aber das behauptet Zeh ja auch nicht, oder?)

Es geht in dem Essay für mich mehr um die Diskrepanz "Konsumzwang aus systemerhaltender Sicht" und "Konsumverzicht aus Unlust". (Zeh: "Müßte man nicht ganz viel Geld verdienen, um es auszugeben und damit die Wirtschaft anzukurbeln?")

Diese Diskrepanz, wenn sie sich denn wirklich ausbreiten sollte (was ich ja z.Zt. durchaus bezweifele, s. Hinweis auf KonsumKidz und Videoclips; letztlich ist der neue Slogan "Geiz ist geil" auch nur ein Versuch, Konsum anzuregen), ist durchaus ein Problem für eine auf Konsum basierende Volkswirtschaft.

Und da fängt es doch erst an, interessant zu werden: Wie reagiert eine Volkswirtschaft / Gesellschaft auf (z.Zt. ja auch extrem erzwungenen!) Konsumverzicht? Die Politik spart und kriegt das Menetekel grassierender Arbeitslosigkeit nicht von der Wand - viele, die noch konsumieren könnten, verzichten darauf, um für die Zeit der Arbeitlosigkeit noch was auf dem Konto zu haben. Riester-Renten u.a. ziehen Kohle aus dem Konsumbereich ab.

Ich bin froh um jeden umweltverpestenden Touri-Flieger, der am Boden bleibt. Und weiß, daß das für die Beschäftigten im Touri-Gewerbe nichts gutes heißt. Blöder Widerspruch. Aber letztlich setzt das vielleicht endlich mal die Diskussion in Gang, wie nach dem Abschied vom Ideal der Vollbeschäftigung (das ja - siehe Hartz-Komm. - noch in vielen Köpfen steckt bzw. stecken soll) die Zukunft der Arbeit gedacht werden kann. Mittelfristig wird man da vielleicht auch "SozialspinnerInnen" nicht mehr links liegen lassen können. Oder aber ein neuer New deal muß wieder mal her.

Gruß (hmm, ist das in blogs eigentlich unüblich?), mischa


ich kann jetzt hier nur für mich sprechen: aber mir bereiten solche Texte, wenn sie massenhaft auftreten wie derzeit, einfach Unbehagen. Ich selbst bin nicht arbeitslos und maße mir auch nicht an für selbige zu sprechen, obwohl ich das zeitweise auch schon "geübt" hab, genau wie fast alle meiner Freunde und Kollegen. Ich hab auch nix gegen Utopien. Vor solchen wie Bahro hab/hatte ich großen Respekt. Man braucht Visionen, denke ich. Aber wenn ich eh nicht selbst entscheiden kann, dann will ich das nicht noch als den einzig guten moralisch/politisch korrekten Idealweg verkauft kriegen. Das hatten wir hier schon mal. Und wenn ich irgendwelche Uniprofessoren daherschwätzen höre, dass vom Ideal der Vollbeschäftigung abgegangen werden muss .. bitte schön, würd ich gern. Hobbies hätte ich genug. Blöd is nur, dass das Leben Geld kostet und zum Ökolandbau und stricken und weben eigne ich mich nicht. Ich les halt gern ein Buch (selber schreiben kann ich weniger gut) und will im Urlaub nicht nur wandern und zelten ... man kommt halt in die Jahre g

Gruß Kassandra (die sicher der Gepflogenheiten in blogs nicht ganz sicher ist, da hier auch nur zu Gast)


Re: Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Hallo, naja, ich lese wohl die falschen Sachen - so was wie der Zeh-Essay ist vor meinen Augen noch nicht massenhaft aufgetaucht :-)

Du schreibst: "Aber wenn ich eh nicht selbst entscheiden kann, dann will ich das nicht noch als den einzig guten moralisch/politisch korrekten Idealweg verkauft kriegen."

Bitte nochmal zurück zu Zeh: Wo macht sie das? Und sie schreibt nicht über Arbeitslose.

Du weiter: "Und wenn ich irgendwelche Uniprofessoren daherschwätzen höre, dass vom Ideal der Vollbeschäftigung abgegangen werden muss .."

"irgendwelche", "schwätzen" - so so ;-> Und wieso "muß" - ich würde gern auch nur ansatzweise begreifen, wie es bei z.Zt. offiziell 4 Mio. (!, da dürften dank ABM und statistischer Kniffe noch ein paar mehr dazu kommen) Arbeitslosen zukünftig eine Vollbeschäftigung geben kann. Mit 37.5h/Woche für alle?

Genau: das Leben kostet Geld. Aber irgendwie werde ich nicht schlau aus dem Politik- und Wirtschaftslager, wie "wir" das in Zukunft durch "Arbeit" verdienen sollen.

Doch solange eben nicht mal ansatzweise erklärt wird, wie das funktionieren soll, ist die (für mich) Illusion einer Vollbeschäftigung eher kontraproduktiv. Weil sie verhindert, andere Modelle (Utopien) in das Denken miteinzubeziehen. Und ist es nicht die Wirtschaft, die immer mosert, menschliche Arbeitskräfte seien zu teuer? Wie also soll das funktionieren, wenn wir nicht irgendwann alle 3 Jobs mit Minilöhnen haben müssen? Wie immer mehr Leute in dem angeblich so tollen Aufschwungsland USA. Was da im Niedriglohnsektor abgeht, ist wirklich nicht mehr feierlich.

Für mich ist das Festhalten an alten Modellen ("ist bis jetzt ja immer noch gut gegangen"), nur weil man "gerade" (wie lange geht denn das schon!) nichts anderes an der Hand hat, extrem frustrierend.

Aber jetzt geht es erst mal ins Bett, mit Michael Moores "Stupid White Man" - von den USA lernen heißt lachen lernen :-)

So long, mischa


ob lesen oder hören .. dieses Thema is neuerdings recht häufig .. zu häufig

Wie das Problem Massenarbeitslosigkeit einerseits und Zwang zur VollBeschäftigung zwecks Lebenssicherung andererseits gelöst werden soll, ist mir ebenfalls nicht und umso wenigier klar, je mehr die Politiker als derzeitigen Ausweg das Hochsetzen des Rentenalters anpreisen.

Und noch mal zu den Uniprofessoren (Namen hab ich vergessen, war in irgendwelchen Diskussionsrunden im Fernsehen): Die haben ja auch keinen Ausweg gezeigt ... DAS war ja das frustrierende. Das lief nur in die Richtung, man solle sich nicht nur über seinen Job definieren, sondern was allgemeinnütziges oder sowas machen .. Is ja gut und schön, würde ich ja sogar was finden .. aber dummerweise müsste man dazu meist noch Geld mittbringen statt davon leben zu können.

Zu Visionen braucht es echte Fantasie .. und Politiker haben sowas nun überhaupt nicht. Gute Nacht, Kassandra


Re: Rezessions-Tugenden vs. Glam.

Was Zeh beschreibt, ist eigentlich ein Großstadt-Phänomen. Konsum ist das Lebenselexier der Großstädte. Die 24/7 Gesellschaft gibt es an den Randbereichen der und im ländlichen Raum nicht. Wenn jetzt Konsumverzicht eintritt, ist das eine Krise der Städte. Latte Machiatto (schreibt man das so?) zuhause statt beim Italiener bedeutet das Ende der Großstadt in der jetzigen Form.