Wenn man nicht schlafen kann, macht man schwere Fehler. Man liest zum Beispiel doch noch Iris Radisch in diesem liegen gebliebenen Zeit-Literatursonderheft, das man vor Wochen gekauft hat: einen Text über David Foster Wallace, eine entsetzlich blöde Schwärmerei, nicht weil David Foster Wallace nicht zu beschwärmen wäre, sondern: weil es sich wieder einmal um diese Literaturkritiker-Variante des RTL-Promiboxens handelt, vor dem eine wie die Radisch sich doch sicher ekelt. David Foster Wallace, so geht ihre Beweisführung, ist gut, weil David Foster Foster nicht Robbe-Grillet, Grass oder Walser ist, und auch nicht Jonathan Franzen. "Jonathan Franzen" nämlich, so Frau Radisch, "ein gerade 40jähriger Amerikaner, verfasst unter Ovationen der Kritik eine Apologie des kleinfamilialen Dreiecks".

Na toll.

Im Spiegel habe ich neulich über die Corrections den verwunderten Satz gelesen, es käme darin kaum Sex vor. War auch toll.






Re: Produktenttäuschungen.

Die bedauernswerten Rezensenten sind sich eben nicht mehr sicher, wann das rituelle Hochjubeln in das rituelle Vernichten übergehen soll. Die Welt ist ja so wirr! Da kommt man öfters durcheinander und man jubelt oder vernichtet, wenn man eben genau das eine oder das andere gerade nicht sollte, wobei letztlich alles in einer routinierten Genervtheit mündet. Vielleicht ist das die wahre Postmoderne.


Re: Re: Produktenttäuschungen.

Postmoderne? Sind Schreiben über Schriebe denn routinemäßige Genervtheiten, muss mal einer in den Wellness-Urlaub. Aber Postmoderne?


Re: Produktenttäuschungen.

Was mich eher als das Jubeln und Nichten deprimiert, ist die Wahrnehmungsunfähigkeit in solchen Rezensionen. Dass es sich bei den "Corrections" um eine Apologie des Kleinfamilialen handelt, kann man zum Beispiel nur sagen, wenn man wahrnehmungstaub ist; und dass einem ein kleinfamiliales Dreieck ausgerechnet an einem Roman auffällt, in dem diese Kleinfamilie aus einem Elternpaar und drei Kindern besteht, von denen einer ein wegen sexueller Eskapaden mit einer Studentin gefeuerter Unidozent, erfolgloser Drehbuchschreiber und Komplize an einem großangelegten Internet-Nepp ist, der zweite ein ordnungssüchtiger, geiziger, masochistischer Fondsmanager, und die dritte eine manische Köchin, die irgendwann im Verlauf dieses Romans ein schmerzhaftes Coming-Out als dann vielleicht-ja-doch-Lesbe hinlegt, ist auch, wie soll ich sagen?: ein wenig unangemessen. Und das alles nur, weil man eine Behauptung über einen anderen Schriftsteller - David Foster Wallace ist gut - durchbringen will... Das ist so abscheulich kindisch.