le pingpong d'amour dernière am 2.12.07 von 13:00 bis 03:00 uhr. € 10. kosmos, karl-marx-allee 131 a, berlin
Schaum, wie war´s ?
ach, das seh ich eben erst. nunja, es war unbegreiflich schlecht besucht. gut, 13.00 uhr mag etwas waghalsig sein, aber in anbetracht von 410 minuten film in 15 folgen und weiterem programm, dachten wir, dass es günstig sei, den ganzen sonntag auszubreiten. nachdem alles aufs schönste vorbereitet war, kamen gegen halb zwei als erstes zwei höfliche damen, die hatten karten gewonnen. dann kamen lange keine weiteren gäste.
die kellner, unbeschäftigt wie sie waren, begannen pingpong zu spielen, das nahm sich hübsch aus, mit ihren knöchellangen schürzen und den weißen blusen. die türsteher, die zwangsweise mitzumieten waren, standen mürrisch und sinnlos herum. die verschickten sich via blootooth nackte frauen, die auch mal auf andernleuts handys landeten. wir sahen uns an, und rauchten uns scheckig, in ermangelung anderer möglichkeiten. wir lachten. lachten wieder. ich suchte nach einem versteck. wir zeigten dann die erste staffel im großen raum. e. und ich begrüßten das publikum. das publikum war zu viert. immer drängte sich mir der eindruck auf, die kellner (es waren wohl 12 oder 15) feixten, aber das taten sie gar nicht. die türsteher waren eh zum feixen nicht fähig, schien mir. die standen einfach da, kompakt wie schwere hindernisse. ob sie uns verachten, fragte ich mich. die vereinzelten gäste wunderten sich über ihre groben beschützer, die die schwelle markierten. a. meinte später hochfranzösisch, die wären nur dann irgendwie richtig gewesen, wenn alle gäste erstmal eine in die fresse gekriegt hätten, aber so? nicht der rede wert.
ich versteckte mich hinter dem büchertisch - ein grandioser büchertisch übrigens, wie hatten wir über den nachgedacht! wie wir übrigens über alles nachgedacht hatten - und begann erst balzac, dann die kinderbücher von m. zu lesen. aus dem großen saal hörte ich den verlauf von pingpong d'amour eins. ich wusste nicht, was ich tun sollte. dann ging ich ins kassenhäuschen, um zu rauchen und zu lächeln und gemeinsam hilflos zu sein. das ging ganz gut. wir sagten: ich finds trotzdem toll. wir rauchten. manchmal sagte jemand etwas wie, wo ist eigentlich n.? kommt der nicht? selbstfiktion und wahrheitsbedürfnis. es kann ja nicht sein, dass die tatsache, dass sich niemand dafür interessiert, allein schon als beweis für verblendung fungiert. nein. das kann nicht sein.
irgendwann, am ende der dritten episode ging ich den großen raum, dachte: das beste versteck ist das größte kino. das war auch so. der große raum: in seiner leere schon auch großartig und die sitzsäcke schwappten in dieser retrodisko wie große, weiche, graue tiere, wobei man nie sicher sein konnte, ob sie noch lebten. dann: endlich war üt da. ich hatte mich bereits in einen der eigens aus potsdam herbeigeschleppten sitzsäcke hineincamoufliert. mimesis betrieben, aufgrund der scham, die aus den enttäuschten erwartungen hervorgequollen war und vielleicht gar nicht nötig gewesen ist, wer weiß. die großen grauen sitzsäcke machten die regression bewohnbar. es waren so viele, für all die, die nicht gekommen sind. halbdunkel, endlose regression - die provisorik einer versöhnung, die bereits aufs haar dem fatalismus glich. doch dann formten wir, üt und ich, mittels der uns mitgegebenen schwerkraft die sitzsäcke in eine uns vorgeblich entsprechende atmosphäre, gemäß unseres knochenbaus und dessen aufhängung; oder motorik, wie man auch sagen kann. in einem moment wurde üt vom sitzsack-arrangement so über die eigene achse gekippt, dass sie nicht anders konnte als die arme auszubreiten: selbstkreuzigung auf vagem terrain. sie brauche eine kliniktriangel, um jemals wieder auf die beine zu kommen, sagte sie. ich sagte: wir müssen nicht wieder auf die beine kommen. dann kam auch mein bruder, es kam a. und j. und wir arrangierten eine klobige landschaft und sahen die zweite staffel. wenn ich mich umdrehte, konnte ich sehen, dass weitere leute da waren, fünf oder sechs.
der kellner konnte nun seine runde machen und uns schnittchen anbieten. die schnittchen waren reicher als gedacht, aufgrund des publikums, das weniger zahlreich war, als gedacht. wie gesagt. später stieg aus dem sitzsack die rückenlehne wie von selbst und die ellbogen wurden untermauert. diese dinger wärmen von unten. es ist wie in kleidern schlafen, und daher von leiser schuld durchsaust. aber schön, eine rettung, oder ein rettungsersatz. dennoch saß uns am nächsten tag das schleudertrauma im nacken. da waren wir, wie es per sms hereinkam, nicht die einzigen. auch frau zach hatte man verspannt.
das war selbstverständlich nicht das schlimmste. (so schlimm war es ja gar nicht, aber es war eben doch für mich, in der hierarchie der möglichkeiten, das schlimmste - - ) das schlimmste war die tyche einer komplett unverständlichen enttäuschung, die, wenn es eine gerechtigkeit gäbe, nicht wirklich hätte sein müssen; es sei denn, sie wäre zu etwas anderem gut, was ich noch nicht wissen kann. dennoch war ich so froh, jetzt und da, freute mich so, üt zu sehen, die den zug aus münchen genommen hatte, um dabei zu sein. die regression, die freude, der übermut, die enttäuschung, der übermut, der mithilfe von drogen auch noch aus der tiefsten enttäuschung zu beziehen ist - wir wissen ja alle, dass er nicht hält. er hält nur solange wie der rausch. "danach sind alle für sich selbst verantwortlich." letzteres ist zum glück nur ein zitat und stimmt so nicht. wenn ich auch auf dem rückweg mit dem fahrrad verunglückte und als erstes aufs knie knallte; dasselbe knie, das ich jetzt immer wieder auf- oder unterlege, damit es sich nicht so dumpf mit seifigen schmerzen meldet, um mich zu erinnern an die enttäuschung, ihre missbeliebige drogierte überhöhung (und das kurzfristige klappern des rauschs, in klappernder euphorie) - ihr fortgesetztes schmerzliches zutun. ihr so nachhaltiges zutun. über ein ende hinaus.
aber war es das ende? wirklich das ende? ich glaube nicht. wie ich hinkte! die letzten fünf tage. über das ende hinaus. das heißt ja auch was. aber was? was, aber was? vielleicht ist es so: der schmerz im linken knie erinnert mich daran, dass es weitergeht. weil ich dieselbe person bin, und keine andere. und nie gewesen. der dekonstruction zu ehren, und ihr zum trotz, ehrenhalber, trotzeshalber. (you and me, we don't believe in happy endings) wobei: wenn ich nicht vom gutem ende überzeugt wäre, was täte ich noch hier. ich füge an, that I don't believe in unhappy endings ebensowenig. ja. gestern nacht erfuhr ich, dass auch üt vor wenigen tage auf das knie gestürzt ist. und zwar auch auf das linke. es scheint sich um eine serie zu handeln. wird so nicht alles zwingend logisch?
und eben gerade, in diesem moment kommt eine nachricht von üt hinein, es denkt sich also weiter, überall, auch in der ferne, darin heißt es: "Meine Begriffe sind mir etwas durcheinandergekommen: ich meinte nicht PingPong-Limbo, sondern PingPong-Limbus. Aber eigentlich Purgatorium. PPP sozusagen, PingPongPurgatorium. Der Limbus ist mir da freudsch-fehlleistend hineingeraten, obwohl es ihn ja schon gar nicht mehr gibt (wie ich nun nachgelesen habe, hat Papst Benedikt den Limbus puerorum quasi geschlossen) und es ihn eigentlich immer nur als eine schwammig definierte Zwischenlagerung und Verlegenheitslösung für die, die man sonst nicht eindeutig in Himmel oder Hölle unterbringen kann, gegeben hat. "Aufenthaltsort für Seelen, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind." Und: "Verlust der Gottesschau, geistige Umnachtung und Traurigkeit, aber recht milde Sinnesstrafen". Mild Oblivion with Bells and Beautiful Burnout. Die Frage nach dem guten Ende kommt da gar nicht vor, wie CriCri schon treffend in PP1 konstatierte. Hauptsache, wir vergessen nicht, dass es trotzdem immer einen Ausgang gibt. Unsere Knie wissen das und der Schmerz im Knie mag uns daran erinnern. Aber dass es sich mit dem Knie gut denken läßt, wußte nun auch schon der Beuys."
ja, so war das. und dennoch, dass es einigen leuten gefiel, leuten mit herz und verstand - das war erlösend. erlösend für mich, im sinne der suspension einer recht milden sinnestrafe. das innere tierchen, das aus der höhle tritt und sich friedlich in die sonne legt.
vielen Dank für die plastische Beschreibung, alles Gute für dein Knie,unbegreiflich, daß so wenige kamen, das tut mir leid
Ich habe außer bei N. ein paar Szenen am Schneidetisch nie etwas gesehen von PingPong, aus Mangel an Gelegenheit und die Gelegenheit nicht direkt gesucht, weil ich wohl Angst hatte, daß es mir nicht gefällt. Wenn man so viele Leute kennt, die da mitmachen und es gefällt einem nicht: große Angst.