Im Outplacement-Seminar gewesen, emotionale Mobilmachung für den Arbeitsmarkt. Seltsam: Ein Psychologe wird von dem Laden, der uns nicht mehr benötigt, dafür bezahlt, uns die Selbstsuggestion anzutrainieren, wir wären so vielschichtig, grandios und toll, dass kein Laden je auf die Idee verfiele, uns nicht mehr zu benötigen.

Übung: Zeichne deine Lebenslinie, von deiner Geburt bis jetzt. Die Krisen, die Aufschwünge, die Tief- und die Hochplateaus. Denk nach: Wie hast du es geschafft, die Täler wieder zu verlassen, welche Talente hast du in dir gefunden, welche Lehrer, welche Ratgeber haben dir geholfen, was hat dich befähigt, nicht unterzugehen?

"Macht es etwas, wenn es bei mir immerzu nur nach oben geht?" - "Nein, das macht gar nichts."

Kairos und Charisma.

"Da sind wir jahrelang achtlos aneinander vorbeigeschlurft, und jetzt, da alles vorbei ist, erfahre ich, dass du eine Geschichte hast."

Wie erstaunlich es ist, sich, einander das Leben nicht mehr in Anekdoten, sondern als eine einzige Geschichte zu erzählen. Versuchen Sie das mal. Wie ergriffen das macht. (Und, selbstverständlich, mein Wissen, dass ich das auch umgekehrt hätte anlegen können: als Untergangsgeschichte, für jeden einzelnen von uns; "sonst säßen wir ja wohl nicht hier"; "als Journalist kenne ich jeden verdammten Trick".) Immer wieder der Buch-Respekt: "Ich habe bemerkt, mein Leben könnte ein Buch sein…" - als ob es besser dran wäre, geheilt, wäre es Buch statt Leben.

Berufe, die sich nach dreieinhalb Tagen Kenntnis Leute für mich ausgedacht haben, was könnte Peter machen, und denkt daran, beim Brainstorming wird nichts gestrichen: Priester. Kultusminister. Stefan Raab. Theaterintendant, Fremdenführer, Sportreporter.

"Ich hätte aber so gerne, dass die Konjunktive endlich weniger werden."

Die sechs, sieben, acht entscheidenden Ereignisse. "Obwohl wir alles richtig gemacht hatten, gerieten wir plötzlich in Seenot." - "Am selben Tag machte ich einen Schwangerschaftstest, und, was soll ich sagen, das Ergebnis war positiv." - "Wir haben uns jeden Nachmittag zum Quarkessen getroffen und dabei über das Leben und unsere Gefühle gesprochen."






Das ist auch so eine erstaunliche Sache, dass das Leben wieder ein Buch sein will, und nicht mehr ein Film von Truffaut, oder so ein junger Godard, dass man nicht mehr auf dem Bett liegt und der Frau beim Rauchen zuschaut, und das gar nicht mal, weil es ein schreckliches Klischee ist, denn eigentlich eignet sich das Bild immer noch dazu, sich mit der Beobachteten zu verzahnen, sondern weil die Filme heute selten Geschichten von Menschen erzählen. Sie erzählen nur noch die Geschichte eines einzelnen Menschen, fast autitisch und ich hab da immer das Bild im Kopf: "Schau, da zeigt uns einer wie schlimm alles ist, da fokussiert einer auf den einsamen Löwenzahn mitten auf der Mülldeponie." Und weil das eigene Leben ja nicht hoffentlich nicht so ist, verfangen sich die Bilder vielleicht wieder mehr in Büchern


Vielleicht sind Filme zu schimärisch geworden, Datenströme. Bücher haben - für die Leute - so etwas Grundsolides, Papier, Hardcover, ein Ding statt bloß vorbeigehende Zeit, die Sehnsucht nach Verdinglichung.

"Mein Leben könnte ein Weblog sein."

[Gestern nachts, während ich schlief, nahm der DVD-Recorder Godards "2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß" und "Masculin - Féminin" auf. Nouvelles leçons sur les sociétes industrielles, Gott, war ich hochgeputscht, nachdem ich das mit 17 in London gesehen hatte, vielleicht sollte ich es mir gar nicht wieder ansehen...]


War das eine Pflichtveranstaltung, oder warum sind Sie da hingegangen?? Und, wahrscheinlich eine unzulässige Frage, aber ich versuch's mal: Wer war's? Interessiert mich, weil selbst Psych und immer wieder überrascht, wofür Kollegen bezahlt werden.


Oh, ich war aus freien Stücken da, Lebensrecherche, wann hat man sonst die Gelegenheit. Und ich bereue es nicht, man sitzt da in Kreisen und erzählt einander Geschichten, dachte gleich, man könnte das statt Smalltalk betreiben, "in einer Viertelstunde komm ich wieder, und dann erzählst du mir dein Leben, von Anfang an". Und er hieß Wolfgang und war 60 und hatte einen fantastischen Körper, zeitlebens geschwommen, & war nicht so schlecht als heuristische Hebamme, nicht dass ich es gebraucht hätte, ich hab ja selber nie viel anderes gemacht als biografische pattern recognition, aber außer mir waren da ja nur Menschen, die eher mit Administration und Zahlenschubsereien beschäftigt gewesen sind, denen es ersichtlich gut tat, dass jemand, ein Profi, ihnen dabei half, ihr Leben einmal anders anschauen zu können. Zu welchem Ende auch immer.


So eine Aussenansicht des eigenen Selbst konstruieren. Stelle ich mir unter "Outplacement"-Bedingungen aber besonders schlimm vor.