In meinem Leben habe ich dreimal gewählt. Einmal "Slowene" bei der Minderheitenfeststellung, einmal GRM bei den ÖH-Wahlen und einmal ungültig bei der Waldheim-Wahl. Wird auch nicht öfter werden.






.

doch darf man sich beklagen, wenn man nicht gewählt hat?


ja. enthält nicht diese gern gestellte frage im umkehrschluss die konsequenz, dass alle, die nicht an den wahlen teilnehmen wollen oder auch können, keinen anspruch auf berücksichtigung ihrer interessen erheben dürfen, egal, ob sie keine wählbaren kandidaten auf dem wahlzettel entdecken können, ob sie krank zuhause liegen, ob sie behindert oder zu jung oder zu gebrechlich zum wählen sind? da weht schon milde der geist des utilitarismus, wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. wahlabstinenz halte ich für ein sehr wertvolles gut. Nicht wählen zu gehen kann ausdrücken, dass man mit dem anzutreffenden politischen personal nichts anzufangen weiss, dass einem die ganze richtung nicht passt, dass man es lieber mit carl schmitt halten möchte. Aber eben auch, dass man die bestellung der briefwahlunterlagen vergessen und ausgerechnet am wahltag einfach interessanteres vorhat. Nie werde ich den ansonsten sehr intelligenten australier verstehen, der mir von der in seiner demokratie herrschenden wahlpflicht - bei strafe von paar hundert dollars - erzählte und damit wirklich vollkommen einverstanden war.


nunja. das ist ein bisschen zu bewusst missverstanden, glaube ich. jedenfalls scheint mir kd's frage nicht gleich auf wahlpflicht hinauszulaufen.

die dringlichkeit des selbst wählenwollens kommt ja auch auf den kontext an, wie drängends dann einen vorkommt. bspweise chirac wählen wg. le pen. hätte ich jedenfalls auch so gemacht. weia.


das ist so eine sache. es besteht ein enormer unterschied zwischen wahlfreiheit und wahlpflicht. ich befinde mich knappe 7.000 meilen von meinem wahlkreis entfernt und koennte dennoch teilnehmen, das hast du schon richtig erkannt. ich muss jedoch nicht. es ist meine entscheidung. doch wenn ich den aufwand scheue, aus welchem grund auch immer, zumindest eine meinung kundzutun, ein anzeichen dahingehend zu geben, wonach mir zu mute ist, selbst wenn ich nicht vollkommen mit einem kandidaten uebereinstimmen kann (wer kann das schon? wo bliebe da der konsens?), wie kann ich mich dann beklagen, wenn eben jene, mit denen ich nicht uebereinstimmen konnte, meine meinung nicht erkennen und vertreten wollen oder gar koennen? wie kann ich meinen unmut aeussern, wenn ich ihnen nicht durch meine einzelne stimme an einer anderen position vor augen zu fuehren zumindest versuche, dass ich mit ihnen nicht uebereinstimme?


die wahlpflicht habe ich erwähnt, weil jener australier so argumentierte, als hinge wohl und wehe der demokratie hauptsächlich von einer möglichst grossen wahlbeteiligung ab. Ja, ich weiss, demokratie ist kein wunschkonzert usw., aber gerade in der vorwahlzeit kommt immer so eine tendenz auf, als entschiede sich das schicksal der nation daran, ob partei a oder partei b den chef stellen darf. dabei wird ein bisschen unterschlagen, dass es in einer funktionierenden massendemokratie glücklicherweise noch eine ganze reihe anderer mechanismen (medien, interessengruppen, verbände, gewerkschaften etc.) gibt, die auf die politik einfluss haben - andernfalls würden in der tat die interessen von freiwilligen und unfreiwilligen nichtwählern in gar keiner weise berücksichtigt. Das liefe auf eine art totalitären positivismus hinaus und das kann niemand wollen, der das abc der demokratie begriffen hat. Dann aber zu sagen, wer nicht an der wahl teilnimmt, hat vier jahre lang legitimerweise nichts mehr zu melden, reduziert die individuen in letzter konsequenz auf die rolle des stimmviehs, ist eine unnötige dramatisierung und widerspricht aller erfahrung. Die politikwissenschaftler haben sich übrigens, um sich nicht ewig mit legitimer/illegitimer politischer einflussnahme herumschlagen zu müssen, das kriterium der organisationsfähigkeit von interessen erfunden. Das heisst, kurz gesagt: in der demokratie ist legitim, was sich auf friedlichem (also meist: gesetzlichem) weg duchsetzen lässt. Wunschdenken: Wenn das alle begriffen hätten, könnten wir auf legitimitätskrücken wie die turnusmässige wahl von repräsentationsbeamten verzichten. Aber statt ihre interessen zu artikulieren (z.B. in weblogs [gelächter]), hören zuviele leute gebannt zu, was auf parteitagen für ein schmarrn erzählt wird.

P.S.: Ich werde zwar wählen gehen, aber nicht weil ich glaube, andernfalls das recht zur kritik einzubüssen, sondern weil ich nach wie vor glaube, dass es gerade für die ganz armen leute einen kleinen, aber vielleicht entscheidenden unterschied macht, ob z.b. riester oder seehofer am sozialhilfeschlüssel dreht. Wahrscheinlich ein irrtum, aber wählen tut zumindest auch nicht weh.


aber

ich beklage mich doch gar nicht.


Klar darf man sich beklagen,

aber nur wenn man anstatt Wählen was gegen das Beklagenswerte tut, um es in was Genehmeres zu verändern.


nicht behauptet

habe ich, daß du dich tatsächlich beklagen würdest. ich habe lediglich einen gedanken verfolgt...

ich bin zu faul, die übrigen siebzehn kommentare heute nacht noch zu lesen. sorry.


willkommen

an Bord, wenn's nicht nur mal so gesagt wurde ... wir treffen uns dann weit vor dem Wahllokal; ich verhalte mich, aus einem diffusen und mit nur beschämend wenig Eloquenz zu beschreibenden Ekelgefühl, seit langem nicht anders; weder Vernunft, noch "Pflichtgefühl" noch andere Argumente haben mich genötigt, einer wie auch immer gefärbten Gruppe aus dem großen Pool der "Interessen"-Vertreter mittels meiner Stimme Legitimation zu geben. Da bin ich ganz Volksmund, der sagt: die tun sich alle nix, die sind doch alle gleich. Worin die sich gleichen gefällt mir nicht; ist 'ne Charakterfrage, bei denen - und bei mir auch. Marotte von mir, mir nicht auch noch selbst die Leute auszusuchen, die mich verarschen und dann sagen zu müssen: Mund halten, schließlich hast Du die gewählt. Manchmal träume ich, z.B., daß die Wahlbeteiligung plötzlich bei 15% läge und es den Damen und Herren "da oben" sehr schwer fallen müßte, das anders zu interpretieren, als als verdiente Ohrfeige. No fear: unsere freiheitlich demokratische Grundordnung wäre dabei nie in Gefahr - für "peanuts" sind hier immer Großbanken zuständig gewesen, die wählt man nicht, die sind einfach da und schauen nach dem Rechten (und Linken).


Moment mal

Was ist mit der überproportionalen Vertretung von radikalen, deren Klientel weder schönes Wetter, Wirbelsturm noch Krückstock vom Wählen abhalten kann? Egal? Was ist mit Demokratie leben und den Kindern vorleben? Bin ich hier der einzige Dumme, der immer nur das geringere Übel wählt, während mehr und mehr sich angeekelt vom politischen Angebot abwenden? Die Großbanken werdens schon richten? Wenn sie keine Stimme mehr hören, wohin wird dann die Reise gehen?


Nein, ich bin genau so 'dumm'

...


to vote or not to vote

@ seewolf vor allem der letzte Satz meines Kommentars ist als ironische Äußerung von Verbitterung zu verstehen - typisch für mich, daß das mißverständlich formuliert scheint, gut, das klarzustellen, bevor ich noch Applaus aus einer falschen Ecke bekomme oder Einladungen zu Aktionärsversammlungen. "peanuts" und der Satz, in dem ich das Wort gebrauche, bezieht sich auf (mir noch ganz gut erinnerliche) Großpleiten (Schneider), bei denen zig Handwerkerfamilien brotlos geworden sind und dieser herablassende Begriff von Bankern gebraucht wurde. Ich sehe da schon Zusammenhänge mit Parteipolitik, Machtverhältnissen, diesbezüglichen Illusionen, "dem kleinen Mann" usw. Meine Großmutter (übrigens Näherin in einer Krawattenfabrik) sagte immer: "Geld regiert die Welt" - war eine kluge, desillusionierte Frau. Ich hoffe, ich bin ihr ähnlich. Ich mag Leute, die wählen gehen und unsere Gesellschaftsordnung; Intentionen oder Qualifikation, als Vorbild zu dienen, habe ich nicht, sorry.

@ smal: Macs sind besser als PCs ;-)

Nachtrag, 17.10 Uhr-> @ seewolf, Bezug: peanuts-Weiterentwicklung zum Guten: DAS wußte ich nicht und das freut mich aufrichtig!


@ brotlose Handwerkerfamilien

sagt die IHK L: "urban legend" wegen Schneider keine Pleiten, weil den Banken dieser "Peanut"-Spruch so heftig aufs Butterbrot geschmiert worden ist, daß sie alle Aufträge bezahlt und zuendegeführt haben. Also hat die Pressekonferenz mit diesem Spruch doch ihr gutes gehabt.


Lieber eine Stimme gegen Rechts

abgeben, als gar nix zu tun. Lieber zur Wahl gehen, seinen Unmut über die "Unwählbarkeit" des Angebots in Form von Kreuz quer über den ganzen Stimmzettel deutlich machen, als gar nix zu tun. Lieber selbst Initiative ergreifen, als gar nix zu tun.


@praschl

Warum?


oh,

da hab ich mich schon ganz furchtbar mit den nichtwählern gestritten. ich finde es immens wichtig, wählen zu gehen und halte es tatsächlich für eine verpflichtung. gehört für mich in die rubrik: verantwortung für das eigene leben übernehmen. das gerne angeführte argument, das wahlprogramm der parteien unterscheide sich ja überhaupt nicht voneinander, halte ich für unzutreffend. allerdings habe ich für protestwähler noch weniger verständnis als für nichtwähler. naja, diskussionen darüber haben sich aber als mühselig erwiesen. ungefähr so wie diskussionen pc oder mac.


...die mühsamen Diskussionen kenn ich auch...

und trotzdem vertrete ich weiterhin die Ansicht, dass man unbedingt wählen gehen sollte. Verantwortung als Begründung trifft es ziemlich genau. Wenn ich wählen gehe, wähle ich ja nicht nur eine bestimmte Partei, sondern unterstütze auch unser politisches System als Ganzes. Und bei allen Nachteilen - ich wollte kein anderes haben. Die so oft ironisch zitierte FDGO ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit und ich wär ziemlich froh, wenn wir sie noch eine Zeitlang hätten...


der fairness halber

muss ich natürlich auch erwähnen, dass ich, ausländer in deutschland, ohnehin nur ein sehr beschränktes wahlrecht habe. kommunalwahlen, eu-wahlen, aber nicht für den bundestag. das relativiert meine wahlabstinenzen sowieso.

andererseits aber würde ich vermutlich auch nicht wählen, wenn ich es bei den entscheidenden wahlen dürfte. das hat nichts mit ekel und abscheu zu tun, sondern mit der erfahrung, dass auch die kleineren übel mittlerweile mir so groß erscheinen, dass ich sie niemandem zugemutet wissen will - mir nicht, aber auch nicht - durch meine stimme - anderen menschen. es gibt für mich einfach keine überlegung, mit der ich mir gestatten könnte, parteien als das kleinere übel zu akzeptieren, bei denen dann etwa weltweite out-of-area-Einsätze, deutsche soldaten im nahen osten oder die schily-position des institutionalisierten generalverdachts inkludiert wären. ich könnte auch sagen: so etwas wie eine wahl habe ich gar nicht.

das argument, dass wahlabstinenz zu einer "überproportionalen vertretung von radikalen" führt, zieht für mich nicht wirklich. in meiner wahrnehmung bekämpfen die "nicht radikalen" parteien die radikalen ohnehin nur dadurch, dass sie deren positionen zu den eigenen machen. vermutlich wäre es mir sogar lieber, wenn die dvu im deutschen bundestag säße als eine csu, die die dvu-positionen aufsaugt. ich habe nichts gegen radikale im bundestag, auch nichts gegen rechtsradikale. im gegenteil: sie wären dann identifizierbarer, beobachtbarer, öffentlicher als sie es jetzt sind. (nebenbei gesagt: ich gehe sowieso davon aus, dass ungefähr 15-20 prozent der leute zeug denken, das einer aufgeklärten position recht abscheulich vorkommt).

es könnte auch sein, dass ich ein problem mit dieser fünf-prozent-klausel habe. ich habe sie immer für undemokratisch gehalten (nach den maßstäben der bürgerlichen demokratie): sie zwingt wähler dazu, sich gedanken darüber machen zu müssen, ihre eigenen interessen zu relativieren, um "kleinere" übel gegen "grössere" übel durchzusetzen; sie führt dazu, dass bestimmte positionen gar nicht erst zu wahlen antreten, sichtbar werden, sich von vornherein auf kompromisse einpendeln, anstatt ihre programmatik deutlich zu machen. mir fällt auch nicht ein, warum es in einem parlament nicht zehn oder fünfzehn positionen geben sollte, die dann immerhin positionen wären.

könnte auch sein, dass es - in österreich und in deutschland - die partei einfach nie gegeben hat, die mich dazu brächte, sie zu wählen. die grünen waren es nie (zu viel ökologie, zu viel alternativer unsinn), die sozialdemokratie: ach ja, die kommunisten: welche denn?, usw. vor dem 2. weltkrieg hätte ich die österreichische sozialdemokratie gewählt, in italien und in portugal hätte mich der eine oder andere verein ins abstimmungslokal gebracht, aber das sind ja alles konjunktive und hypothesen. was die indikative und die realität betrifft: da fällt mir nichts ein, was mich auch nur zehntelwegs überzeugt.


Ok

und was die Alternative zum Nichtwählen? Was schafft Abhilfe? Warum sind die Parteien, wie sie sind? Wollen wir's ändern?

Ich bin übrigens auch Ausländerin hier und habe ein eingeschränktes Wahlrecht. In Wien also nicht mal auf Gemeindeebene, da gleichzeitig Landtag.


etwas baff

Du schreibst, "dass auch die kleineren übel mittlerweile mir so groß erscheinen, dass ich sie niemandem zugemutet wissen will". Wenn man diese abstruse Logik weiterspinnt, dann sind also die größeren Übel den Leuten sehr wohl zuzumuten, oder wie? Nach all diesen Politdiskussionen hier auf dem Sofa bin ich wirklich sehr erstaunt, ob Deiner Wahlboykotthaltung. Mir fehlt bei dieser Position, alle zur Wahl stehenden Parteien abzulehnen (und das auch noch für die Zukunft) ein bisschen der Pragmatismus. Auch in der Politik müssen Kompromisse gemacht werden. Der Satz "ich könnte auch sagen: so etwas wie eine wahl habe ich gar nicht" gibt mir dann doch ziemlich zu denken. Ganz falsch liegst Du damit leider nicht. Es wäre mal eine Diskussion wert, inwieweit unsere heutige Demokratie noch zu recht ihren Namen trägt (und was denn da schief gegangen ist), wenn man oft nur die Wahl hat (extremistische Parteien ausgenommen) zwischen zwei Lagern, die sich nur noch in wenigen Punkten minimal unterscheiden. Ich weiß auch nicht, wen ich diesmal bei der Bundestagswahl wählen soll, vielleicht lasse ich es diesmal auch, aber ich würde niemals so wie Du apodiktisch sagen können, dass ich wahrscheinlich nie mehr wählen gehen werde.


@praschl

Wie passt das zu den überlegungen über Bürokraten hier?


@der

ich würde sagen: es passt.

da steht:

Wenn einem die Menschen, die gerade die Regierung innehaben, nicht passen, wählt man eine andere Regierung, wenn einem das auch nicht genügt, gründet man eine eigene Partei oder eine außerparlamentarische Interessensgruppe und legt seinen Standpunkt, so gut es eben geht vor. (...) Das Lamento über die entfremdete, undurchschaubare, anonyme Politik ist kompletter Schwachsinn. Man kann Zeitung lesen, Fernsehen gucken, in die Parteien gehen, selbst eine gründen usw. Falls man keine Lust hat, sich mit Politik zu beschäftigen, muss man sich nicht bei ihr darüber beschweren, dass man sie nicht versteht oder dass sie einem nicht behagt, dass sie einem fremd ist oder weiß Gott was.
Einiges davon tue ich, anderes nicht. Ich habe noch nie eine Partei gegründet und ich wähle keine, aus bestimmten Gründen, über die ich Auskunft gegeben habe. Ich mache aber meine Standpunkte klar, so gut es eben geht. Außerparlamentarisch. Außerdem hast du von mir noch keine Lamentos über Politik & Politiker gehört. Kritik allerdings.

Widerspruch, wo ist dein Stachel?


Stächelchen..

Nicht direkt Widerspruch, aber das:

"Nächster Punkt: Ziemlich alles an Politik ist leider nun einmal sehr kompliziert. Leider Gottes hängt alles mit allem irgendwie zusammen. Wenn ich zum Beispiel Bürokraten abschaffen will, muss ich mir überlegen, was ich mit ihnen mache, wenn sie keinen Job mehr haben. Wenn ich mehr Schulen, Spitäler, Jugendzentren haben will, muss ich möglicherweise darüber nachdenken, wo ich das Geld für ihren Betrieb herbekomme und möglicherweise die Steuern erhöhen, Wohlhabende enteignen, Leute zu Gratisarbeit verdonnern, whatever. Wo immer man es anpackt mit der Steuerung von Gesellschaft, wird es kompliziert - das gilt für jeden, der eine Nation und eine Nationalökonomie steuern müsste, ob er nun Thatcher-Liberaler ist, Planwirtschaftler, Sozialdemokrat oder Faschist."
klang doch sehr nach, Schreck lass nach, Realpolitik, Einsicht in limitierende Zwänge, etc, während die Positionen hier einen sehr idealistischen Anspruch an Politik anklingen lassen (`ich wähl euch nur, wenn ihr alles richtig macht.'). Ich finde diese Argumente von wegen den (fehlenden) Unterschieden zwischen den Parteien immer etwas, nun, einfach. Von weit genug weg betrachtet, gibt es auch keine Unterschiede zwischen meiner Freundin und meiner Nachbarin. Trotzdem würde ich immer meine Freundin wählen. Oder so...

gegen realpolitik

habe ich nichts, nicht das geringste, und die unterschiede zwischen den einzelnen parteien sehe ich (und würde jeden kritisieren, der sie bestreitet). ich will auch gar nicht, dass irgendeine partei alles richtig macht, was ich für richtig halte. mein urteil aber lautet: alle zur wahl stehenden parteien machen für meinen geschmack so viel zu viel falsch, dass ich, selbst wenn ich wählen dürfte, keine von ihnen wählen würde.


aber was ist denn die Alternative,

wenn das kleinere Übel nicht mehr klein genug ist? Schaffen wir dann die Wirklichkeit ab? Ich gehe das Wahlproblem sehr viel pragmatischer an - mir gehts nicht in erster Linie darum, ob es eine Partei gibt, deren Positionen ich vorbehaltlos unterstützen kann, es geht mir darum, dass unser System weiter funktioniert, weil es das beste ist, das ich kenne. Und die Fünf-Prozent-Hürde hat ja nun auch durchaus historische Gründe und wenn ich mir die Parteienlandschaft in Italien z.B. anschaue, find ich sie auch ganz sinnvoll - ob sie gerecht ist, ist eine andere Frage. Grundsätzlich lebe ich gern in einem Land, wo es das Prinzip der Rechtssicherheit gibt, wo der soziale Friede einigermaßen gewährleistet wird, wo es garantierte Grundrechte gibt... Und das ist, wie gesagt, alles nicht selbstverständlich, sondern immer wieder gefährdet. Und auch wenn nicht immer alles so funktioniert wie vorgesehen - bei diesem Thema wäre meine erste Frage eben immer: was ist die Alternative? Wo ist das politische System, das gerechtere Verhältnisse herstellt? Wir leben nun mal hier und heute und unter Verantwortung versteh ich, dass ich mich entscheiden muss, für das kleinere Übel, aber damit eben auch für die Realität, in der ich lebe.


wählen wollen müssen.

ich finde nicht, dass meine wahlabstinenz irgendetwas mit einer systemfrage zu tun hat. wenn ich nicht wähle, klappt das system ja auch prima ohne meine stimme (ob das nun gegen mich oder gegen das system spricht, soll jemand anderer beantworten). ich finde es auch ein wenig erpresserisch, die position zu vertreten: wenn du rotgrün nicht wählst, wählst du stoiberwesterwelle. ich will aber rotgrün nicht wählen wollen müssen - und zwar aus bestimmten gründen, die ich in einer schönen liste zusammenfassen könnte. die alternativen dazu gibt es doch, mv hat sie aufgezählt. man sagt, schreibt, gibt kund, welche positionen man für die richtigen hält, man beteiligt sich an der einen oder anderen außerparlamentarischen initiative, an dem einen oder anderen interessensverband. oder man schreibt ein weblog. zum beispiel. man muss ja wohl nicht seine eigene partei gründen, ich meine, was soll man denn noch alles tun?


hmm,

grundsätzlich würd ich schon sagen, dass die Wahlbeteiligung etwas mit der allgemeinen Akzeptanz des politischen Systems zu tun hat. Aber auch das Recht auf Nicht-Wählen ist - bei uns zumindest - ja ein demokratisches Recht. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung, ich persönlich find es halt nicht richtig. Und die Gründe habe ich auch versucht darzulegen. Dabei wollte ich ganz sicher kein mangelndes gesellschaftspolitisches Engagement unterstellen. Ihr weblog Herr Praschl ist wonderfully thought provoking - danke dafür :-)


Es gibt sie noch,

die Anarchisten. Habe nicht schlecht gestaunt, als ich meinen Lieblingsbuchhändler am 1. Mai unter einem schwarzrotem Stern wandern sah. Deshalb sei hier auf die verwiesen, die immer schon meinten Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten