gestern morgens, als es im frühstücksfernsehen 16 oder 30 tote waren, gestern mittags, als es auf spiegel online 170 tote waren, gestern abends, als es in den spätnachrichten 197 tote waren mit der prognose, dass es nachts über 200 tote werden würden, heute morgen, als es 198 tote waren. wie einem nichts einfällt, wie einem keine wörter, keine empfindungen, keine vernunft mehr beistehen, wie jede analyse, jede vermutung, jedes bild, jede information nichts mehr auslöst in einem. nichts, schwärze, decken, die über zerfetzte körper geworfen werden, nichts, schwärze. wie es einen nicht mehr interessiert, was damit gezeigt und gesagt werden wollte, wie es einen nicht mehr interessiert, wer die bomben gezündet hat, denn die einen feinde der menschheit sind wie die anderen. wie man sich, egal, schwärze, decken, die über zerfetzte körper geworfen werden, schwärze, nichts. jetzt, da es bei usa today 198 tote sind, jetzt, da die body counts in schon längeren abständen kommen.






etwas freude schon,

wenn Sie gestatten, über die bilder von den egal wie blutverschmierten mitmenschen, die da (gerade noch) rausgekommen sind.


als ob es darauf ankäme, was ich gestatte oder nicht. und wie seltsam es ist, bei mir ja auch, dass man dann denkt: wenigstens nicht 200, wie sie es gestern noch gesagt hatten, und gleich danach diese scham, den 198 gegenüber.


tageszeitung hier heute morgen

ein junger mann und eine altersmäßig schlecht einzuschätzende dame sitzen nebeneinander an eine hauswand gelehnt, er mit blutüberströmtem gesicht, sie auch sehr derangiert, bei denen ich mir sehr sicher bin, dass die sich vorher nie gesehen haben, und wie sie zu ihm schaut, mit einem blick, in dem das ganze gemeinsam erlebte und das die 2 jetzt irgendwie verbindende drinsteckt. das hat mich doch sehr gerührt. freude, ja, für die beiden


Weblog hier heute morgen

Ja, in dieser empfindungslos unscharfen Alltagswelt ist das doch eine letzte Freude, für jenes, was in uns wallt, uns regt und sich aus uns erbricht; wie der Notstand der Gewalt uns unserer BEWUSSTLOSIGKEIT enthebt, wie die Stahlgewitter gleich einem reinigenden, furchtbaren Sturm das Allerzarteste, das letztheilige Unausgesprochene aus uns HERVORSCHEINEN lassen. Das ist groß. Das rührt uns, schon weil es unseren Etappenworten warme Ströme der Bedeutung schenkt. Ach, Casinowelt. Einmal Kamerad sein dürfen jener dort! Schrappnelle - und von geschoßartigen Waggonklinken knapp verfehlt. Freude, ja, für diesen fühlend schönen Sehnsuchtsblick. Kulturteiltöne, die wir stolz als unser Innerstes empfinden.


da haben Sie aber ganz toll lange nachgedacht, meine güte, und diese echt subtilen anspielungen auf die stahlgewitter. so schafft einem auch der auskennerfreund das abtreten an. ich schlage gleich die hacken zusammen, mon géneral.


Schiffbruch mit Zuschauer

Es tur mir sehr leid, wenn es Ihnen ob meiner Grobheiten die Fersen zusammendrängt, nur weil ich nicht in eine derartige Solidargemeinschaft tiefer Gefühle eintreten will. Natürlich kann man sich seine beruhigenden Empfindungen humaner Werte retten, indem man aus der Fernsicht im Gemetzel Aphorismen findet. Die Leichensäcke liegen noch zur ersten Zählung aufgereiht, und der Privatfeuilletonist arrangiert bereits die ersten Bilder. Die Dame rechts scheint heute "auch sehr derangiert", und wir schaffen uns von ihrer Verbindung zum Gestrandeten neben ihr unsere sanften Ahnungen. Wie sie doch "zu ihm schaut" - mit ereignisangefüllten Blicken. Dazwischen nicht das dumpfe Garnichts, sondern "das ganze gemeinsam Erlebte und das die 2 jetzt irgendwie Verbindende". Den einen rührt's, der andre kriegt Migräne, wenn so das Grauen mit Gefühlsgirlanden humandekoriert wird. Es muß einem ja erst einmal einfallen, einen Mann anzuschauen, dem die Leere ins zugeschwollene Gesicht geschrieben steht und sich dabei an der eigenen "Rührung" zu berauschen. Die Toten tot, die Passanten denken gar nichts mehr, die Politik beginnt ihre Geschäfte. Der Privatfeuilletonist unterdessen bekundet "Freude, ja" - für diese beiden. -- Ich muß da nicht ganz toll lange nachdenken, um diesen Zugewinn an freudigem Gutgefühl vollkommen abgeschmackt zu finden.


Sehr kernig. Aber Ihr verbaler Sondermüllwaggon kommt spätestens an der Schwelle der Vokabel "humandekoriert" ins Schlingern. Prost!


Schlingernde Schienenfahrzeuge

Angesichts der Subtilität Ihres Rezensentenscharfsinns bin ich zu der einen oder anderen Verneigung bereit, es ging mir allerdings weniger um literarische Geschmacksurteile als um die Unangemessenheit einer Beoabachtungshaltung, die angesichts medial übermittelter Gewalt ihre eigene Rührung literarisiert. Das ist Ihnen vielleicht in der Eile entgangen. Möglicherweise handelt es sich auch um ein an dieser Stelle besonders schwer vermittelbares Unbehagen.


Sie schlagen sich wirklich tapfer, ulysse, gegen eine seltsame allianz von geschmacklosigkeiten und hirnlosen reflexen. sind jetzt plötzlich alle hier völlig verrückt geworden? das monopol auf freude bei einem solchen horror liegt alleine auf seiten der terroristen, scheint mir. und selbst denen nehme ich diese gefühlsregung nicht so ganz ab.


Dafür kriegen Sie 100 Selbstgerechtigkeits-Punkte, alex63.


meine literarisierung, ulysse, angenehm modestes pseudonym im übrigen, hat immerhin den vorteil, dass sie sich, as you may have noticed, der eigenen peinlichkeit bewusst ist. Ihre deliterarisierung ist, nun ja, auch nur kulturteil, oder nennen Sie es emotionsbullentum, ganz wie Sie wollen. Sie haben erkannt, dass rührung unangemessen ist? meine güte, wie toll, eins plus, gratuliere! Ihnen ist unbehaglich angesichts der emotionsbekundung nach medial übermittelter gewalt? mann o mann, welche dignität des gedankens, und sorry, dass ich die medienform nicht mitbedacht. nächstes mal schmale lippen, schweigen, keine vorschnellen literarisierungen, ich versprech's Ihnen.

nun gut, ich versuche lieber, es Ihnen zu erklären als zurückzupesten, man soll das vertrauen aufs argumentieren ja nicht aufgeben. was Sie hier machen, ist unredlich. Sie fahren leuten über die gefühle - mit gefühlen. was Sie hier gelesen haben, war die eine oder die andere bekundung über die eine oder die andere empfindung. was Sie daraus gemacht haben, war die eine oder andere unterstellung: dass zum beispiel einer, der beim ansehen eines fotos eine bestimmte empfindung hat und von ihr berichtet, es bei dieser empfindung auch bewenden lässt, dass er sich das denken, urteilen, abwägen und argumentieren erspart, und dass er sich selbst für seine empfindungen ganz kostbar findet. das mag sogar alles schon so sein - aber das wissen Sie nicht, Sie können nicht die geringste ahnung davon haben, und Sie haben sich nicht im geringsten bemüht, sich eine ahnung zu verschaffen. stattdessen geben Sie den angemessenheitsrichter, der den leuten seine eigenen mutmaßungen als deren insuffizienzen um die ohren haut und sie dabei noch mit allerhand banalitäten behelligt. dass die politik ihr geschäft beginnt, mediale vermittlung, literarisierung, allsowas: ja meinen Sie denn ernsthaft, auf so etwas wäre man nicht jederzeit schon von selbst gekommen? kriegen Sie denn gar nicht mit, dass all das, was Sie da, nicht ohne es vorher mächtig aufgepumpt zu haben, vortragen, jederzeit auch gegen Sie vorzutragen wäre? fällt Ihnen denn wirklich nicht auf, dass Sie hier auch nur Ihre distinktionsbedürfnisse kundtun - die es halt ein wenig weniger abgeschmackt haben wollen als Sie für tolerabel erachten? leichenbittermienenrezensionen: das ist, so oder so, kein gutes genre. ich weiß das schon lange. Sie wissen es, befürchte ich, noch nicht.


das andere leidender betrachten

ein freund, zum spiel real-bayer nach madrid gereist, und in einem hotel direkt gegenüber dem anschlag untergebracht (dem leiden gegen-über), berichtete, zögerlich erstaunt, nur, daß der anschlag DIREKT mit dem klingeln des weckers zusammengefallen sei.


Zweifelsfragen

Ich habe mich, wie Sie meinen Zitaten entnehmen können, durchaus nicht zum Rezensenten Ihrer oder sonstwelcher Empfindungen aufgeschwungen, sondern eine Haltung bemängelt, die Medienbilder des Schreckens zum Anlaß aphoristischer Spekulationen nimmt. Ich habe weder etwas gegen das entschlossene Schweigen einzuwenden, noch gegen öffentliche Seufzer der Empathie. Rezepturen für Würdehaltungen angesichts des Terrors sind wohl eher etwas für Amtsträger in der höheren Diplomatie. Etwas ganz anderes weckt meine militanten Ressentiments: die Bewußtlosigkeit, mit der ein Kommentator das übermittelte Agenturfoto als Zugang zur Wirklichkeit der Ereignisse mißversteht, dann an den in ihrer Würde verletzten Opfern eine spekulative Bildinterpretation verrichtet, um schließlich auf sie sein empathisches Wohlgefühl zu projizieren. Es ist nicht die Einfühlung, sondern ihre doppelte Ableitung, die mich entsetzt. Es handelt sich um eine Einfühlung, die sich ihrer notgedrungenen Oberflächlichkeit nicht bewußt zu sein scheint; die nicht begreift, dass sie zur Realität der beobachteten Opfer keinen Zugang erlangen kann; die für die Obszönität eines quasi-literarischen Freudenausrufs über die Verbindung zweier Menschen durch Not keine Sensiblität zu entwickeln scheint. Eine solche Ästhetisierung sozusagen aus privater Hand in einem Weblog vermittelt zu bekommen, erschüttert mich noch etwas mehr als die beruflich abgerufenen Trauerroutinen der Amtsträger und Medienagenten. Es besteht kein Grund, in einen Wettstreit der medialen Bewußtseinsgrade einzutreten. Noch immer finde ich es aber richtig, der Dekontextualisierung zu widersprechen, mit der aus Katstrophenschnappschüssen Freudenszenarien werden. Einem Berufsschreiber würden Sie solche Aufpropfungen subjektiver Gestimmheiten auf eine Szenerie des Terrors vermutlich als Kitsch verweisen. Die Frage ist, ob der Schiffbruchbetrachter am Kaffeetisch eine anderes Beurteilung verdient, nur weil er seine egozentrischen Aphorismen als bloggender Privatier ausspricht.


Naja, Ihr hermeneutischer Kreisel dreht sich halt schlicht in die falsche Richtung. Wenn Sie nichts dagegen haben, dass jemand seine Empathie mit den Davongekommenen äussert, können Sie den Rest stecken lassen. Denn nichts anderes hat Supatyp gemacht.


Hilfestellungen für die Betrachtung von Kreiseln

Sie haben sicher ausgeprägtes Talent zum Punktrichter, müssen sich hier aber noch einmal der Mühe der interpretation entziehen, auch wenn Ihnen das Nachlesen rasch als Hermeneutik verdächtig wird. Supatyp interpretiert zunächst einmal Blicke: "...und wie sie zu ihm schaut, mit einem blick, in dem das ganze gemeinsam erlebte und das die 2 jetzt irgendwie verbindende drinsteckt. das hat mich doch sehr gerührt. freude, ja, für die beiden". Wir müssen nicht allzu lange über Interpretationen streiten, um festzustellen, daß dies keine bloße Empathiebekundung, sondern die Deutung eines Szenenbildes ist. Problematisch ist die Umdeutung des Szenenbildes in einen gefühlig positiven Wert. Sollten Sie Ihren fürchterlichen Hermeneutikverdacht nicht gegen diese spekulative Bilddeutung richten? Nicht, daß Sie mir am Ende noch einen gewissen Spielberg-Film empfehlen, nur weil er Empathie verrät.


Supatyp deutet das Bild und Sie deuten Supatyp. Wenn Sie Supatyps Deutung kritisieren, ist es - auch in Ihrer eigenen Logik - erlaubt, Ihre Deutung von Supatyps Posting zu kritisieren.


Scharfschlüsse

Selbstredend. Darum bemühe ich mich anders als Sie nicht um Punkrichtereien, sondern um die konkrete Kritik einer konkreten Lektüre, die Bildoberfläche und Bildkontext verwechselt, um bequemeren Zugang zu romantischen Einfühlungen zu erlangen. Die aus dem Bild zu beziehenden Umstände, Fakten, Analysen und Folgerungen haben gewisse Grenzen. Ich bezeichne die Überschreitung dieser Grenzen um einer romantischen Bekundung willen als Kitsch. Dass meine Schlußfolgerung ihrerseits jederzeit kritisierbar ist, sollte uns nicht im ganz allgemeinen hindern, kritische Schlußfolgerungen zu ziehen oder den Gebrauch von Medienbildern mit größerer Vorsicht zu betreiben. Das meinen Sie doch sicher auch.


Null Punkte. Uninteressant.


Und dann diese Vermutung, dass die PP Spuren in Richtung al-Qaida unterschlagen, um ihren Wahlsieg nicht zu gefährden. Dass ihnen ein ETA-Anschlag gelegen käme. 200 Tote als Wahlkampfhilfe.


so scheisse es ist:

so laeufts business. und aus dieser tatsache entstehen dann verschwoerungstheorien, weil: wer so denken kann, dem ist alles zu zu trauen. kotz


Ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, dass es selbst Aznar nicht zuzutrauen ist, das Baskenland mit Vergeltungsbomben anzugreifen.