Ganz unvermutet wieder das Glück, Filme anzusehen. DVDs auf dem 12 Zoll-Monitor eines iBooks auf dem Bauch, im dunklen Zimmer im Bett liegend; vorher auf dem DVD-Recorder sorgfältig alles von Werbepausen, Sponsorengeblöke und Abspannverstümmelungen gereinigt. Merken: wie sehr man es gehasst hat, was Fernsehen den Filmen antut, wie sehr man das Kinogehen dafür gehasst hat, dass es einen, ehe man schauen darf, erst einmal dreißig Minuten lang mit Werbung traktiert und einem das Schauen verhagelt. Merken: wie sehr es einem gefehlt hat, Werke zu sehen. Jetzt: Nur noch Texte, keine Kontexte mehr. Und schon leuchten die Bilder wieder.
In der Schweiz wird der Film in den meisten Kinos auch noch in der Mitte durch Werbung / Pinkelpause unterbrochen. Das ist böse.
In Italien ebenfalls.
Schätze, das ist ein Überbleibsel der Filmrollenwechselpause. Aber die bräuchte man bei modernen Projektoren nicht mehr.
Nach der ersten Hälfte erscheint auf der Leinwand eine Schrift, die das Ende des ersten Teiles, la 'Fine della Prima Parte' erklärt. Der Beginn der zweiten Hälfte wird ebenfalls angekündigt. Dies wird auch bei Fernsehfilmen beibehalten.
In den deutschsprachigen Kinos in Italien laufen die Filme ohne Unterbrechung.
Was mich zunehmend mürbe macht, ist der Umgang der Verteilungsapparate mit dem Material, das sie verteilen (& mit dem sie ja Geschäfte machen wollen, was ja okay ist): die eigene Ware kaputtmachen. Bei Abspännen das Licht anmachen. Sowieso dieses Notausgangslicht während der Vorstellungen. Im Fernsehen Abspänne überhaupt rausschneiden und ersetzen durch split screens mit Trailern für den nächsten Programmpunkt, damit ja kein Zuschauer abspringt. Diese Idee, dass ein Film kein Ende haben darf, sondern nur ein Übergang sein soll zum nächsten Anzeigenplatz. Die Fernsehlogos im Bild. Die Schriftbänder, die eben nicht in den Film gehören. Die Werbeunterbrechungen, nach denen die letzte Szene noch einmal wiederholt wird, damit die auf eine Länge kommen, die ihnen ein bestimmtes Zeitbudget für Anzeigen erlaubt. All das. Das setzt sich fort, wenn man dann, Fernsehen und Kinos vermeidend, DVDs mit Filmen kaufen will. Diese Regale, in denen DVDs nicht etwa nach den Regisseursnamen geordnet sind, sondern nach Filmtiteln. Diese bizarren Ordnungskriterien: "special interest" für Independent Filme und Nazi-Dokumentationen, "classics" für den schlimmsten Peter Alexander-Schrott neben den Kubricks. Alles immer nur Grabbeltisch. Keine Chance, sich einigermaßen gelassen so etwas wie eine Filmgeschichte zuzulegen, man muss immer durch den Schrott, das Marketing, die Arschlochverkaufe, die Vertreterdenke waten. Auf Amazon nach Resnais-DVDs suchen, nach Melville-Filmen, frühen Cassavates-Geschichten, Bob Rafaelson, all so etwas, was eigentlich zum KANON gehört, nicht obskure "Avantgarde" ist: keine Chance. Dabei müssten die das Zeug nur auf Scheiben pressen. Und wir würden es kaufen. Bei Musik-CDs ging das ja: eigentlich ist das einzige, was den Wechsel zu CDs toll gemacht hat, der Umstand, dass plötzlich fast alles, die Musikgeschichte, wieder erhältlich ist, jeder Ton, den Miles Davis geblasen hat, jeder alternate take von Bud Powell. Funktioniert immer noch, gerade neulich hatte ich ein dankbares Glücksgefühl, weil bei Atlantic eine bestimmte Freddie Hubbard-Aufnahme reissued wurde. Warum geht das nicht bei Filmen? Warum kann ich mir nicht die 1000 wichtigsten Filme der Filmgeschichte kaufen? Warum gibt es keine nationalen Stiftungen, die Bibliothek der Klassiker spielen wollen? Warum wollen die kein Geld machen mit ihrer eigenen Ware? Warum verschenken die nicht die Rechte an irgendwelche Filmenthusiasten, die historische Ausgaben machen und dann die Rechteinhaber, die zu faul sind, sich die Arbeit anzutun, mit Tantiemen beglücken?
Merkwürdig, was ich tue: den DVD-Festplattenrecorder programmieren auf die paar Nuggets in den Fernsehprogrammen, am Tag danach alles wegputzen, was Verkaufe, Propaganda, Fernsehsenderscheisse ist, auf DVD-Scheiben brennen: Als wäre es MEIN Job, die Integrität eines Werkes herzustellen.
Es ist anstrengend. Andererseits dieses Bestehen auf Rechten an Material, das die Besitzer inhaltlich überhaupt nicht interessiert. Dabei verhindert das Gezerre um Filmrechte, dass klassische DVDs veröffentlicht werden. Der Niedergang des Handels wäre nochmal ein Thema für sich.
apropos "slots" und "integrität": auch arte, dessen ziel nach baldigem relaunch es ist, ein "ganz normaler sender" wie jeder andere auch zu werden, verlangt von den produzenten/regisseuren neuerdings, vor- und abspanngestaltung der in ihrem auftrag hergestellten sachen, der designabteilung des senders zu überlassen. dass es besser flutsche.
Notausgangslicht: Vorne an meinem Laptop sind ein paar Leuchtdioden. Eine davon ist grün und leuchtet immer beim DVD-Gucken. Wenn man das abzudecken versucht: Wie schwierig sowas ist! Chaostheorie. Mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt, empfinde es fast als Feature.
Ansonsten d'accord. Die aufgeblähten Verpackungen gehen mir auch auf den Geist.
dogville
Sie macht es vielleicht mürbe. Aber was Sie zunehmend mürbe macht, lässt mir den Kragen platzen. Was Sie am Beispiel des elenden Fernsehprogramms anführen, wo es hier und da noch einige Nuggets zu finden gäbe, setzt sich überall fort. Man könnte fast glauben, dass tatsächlich kein Geld mehr verdient werden soll. Denn das ginge auch auf vernünftige, kultivierte und niveauvolle Weise. Jeder, der noch etwas klar sieht, wird nicht nur klagen können, dass es ihn mürbe macht. Mich macht es nicht mürbe. Grace lässt grüßen.
ich hatte in erwaegung gezogen
eine pasolini-box zu kaufen, als wir letzthin(eher hin als letzt, eigentlich) in mailand waren. erschien mir zu teuer, an manchen tagen bereue ich es, an anderen nicht. alle dvd's die ich bisher kaufte, waren grabbeltisch, manche eben nur runtergesetzt, andere richtige c ware zu c preisen(2-5 euro). ich gehe lieber ins kino, ehrlich gesagt. wg arte: das war bisher der einzige grund, ueberhaupt mal an eine satelittenanlage zu denken. haben sie wohl auch verscherzt, jetzt.
apropo werbung...
hier der mülleimer, die cuts als mp3 zusammengefasst...
Der Humor ohne Lachsack
Hab noch einen Jetlag aus dem Sonntags-Nachtprogramm - ARD; "Brot und Tulpen". "Guten Morgen, liebe Zuschauer, DAS wollen Sie doch nicht wirklich sehen?" Und um halbe Sieben fiept der Wecker... Die alte Klage, daß die netten kleinen Filme ohne Brände, Bomben, Explosionen immer im Vampirblock versteckt werden. (Wenigstens noch ohne die unsäglichen "RUF MICH AN!!!-Reklamen.) Was die DVD Regale angeht, Herr Prasch, lassen's Gnade vor Recht ergehen, einen Filmtitel behalten wir harmlosen Durchschnitts-Banausen allemal leichter. Aber zugestimmt: Noch einen Stallone-Schwarzenegger-Willis-Williams-Murphy-Nein-das-wird-jetzt-doch-zu-lang brauch ich auch nicht auf DVD, "Passion Fish" hätte ich gerne oder "Die Straight Story".