nachts noch los, zum social chat bei elektronischer musik, vermeintliche dernier cri-location, unter den linden ecke irgendwas, "eintritt: €4, studenten: €5" - humor von leuten, die die allgemeine hochschulreife nicht gepackt haben. kurz gedacht, dass es angebracht wäre, dieser durchsichtigen in-group-schein-inklusion die stirn zu bieten und nicht mehr auf gästelisten zu stehen, es steht ja eh jeder drauf. könnte sich aber natürlich kein mensch leisten. prunkvoll gehobenes ddr-interieur von ehedem, 20 mal 20 meter groß, säulenbestandener saal, dorische kapitelle, zwei kubisch geformte kronleuchter über der bar, überbordend im stumpfen gelblicht. gut gefüllt von twenty-somethings bis mitdreißigern, verhältnis männer-frauen wie immer in solchen kontexten circa 2:1. unter den älteren vor allem in die jahre gekommene jeunesse dorée, also im prinzip die genau richtigen role models, mal ganz davon abgesehen, dass an der eigenen jugend nun wirklich gar nichts golden war. semi-glamour, keine glaubhafte verlorenheit, aber viele schöne körper, die hageren berliner nachtlebengesichter eben, das speed hält ja sehr schön schlank. weitaus weniger essgestörte unterwegs als noch im sommer. der army-look ist praktisch völlig verschwunden. andererseits die rückkehr eigener ausdrucksbedürfnisse, jedenfalls sehr viele custom-made-shirts bemerkt, bester aufdruck: "adalbert stifter factory team", hätte man selbst drauf kommen müssen. die frauen überwiegend in engen neo-punk-referenzen aus der young fashion-abteilung von peek & cloppenburg. (wobei man wiederum zugeben muss, dass die, wie ich neulich in der kudamm-filiale hören konnte, inzwischen besseren deep house spielen als einige der einschlägigen clubs.) der drohende sozialneid nach unten, an dem sich die eltern so entschieden abarbeiten, ist hier durch die romantisierende kombinatorik von casual street wear-versatzstücken vorübergehend aufgehoben. auch sind unter männern, quer durch alle möglichen tribes, dreitagesbärte weiterhin en vogue. unter frauen inzwischen ikonographischer topos, wenn nicht gar schon klassiker: standbein durchgedrückt, spielbein leicht vor- und zurückknickend, in der linken hand zigarette und sektglas, handtasche in die achsel geklemmt, der andere arm bildet einen rechten winkel und wird, mit den snare drums synchronisiert, im 45 grad winkel in richtung des dj ausgestreckt, der elan dabei leicht relativiert durch eine etwas überdrüssige anmutung. weiterhin beachtenswert im körperpolitischen zeichenreich: die schleichende renaissance von achselhaaren gerade bei frauen um die 20. an einer wand ein großformatiges bild, mock-minimalismus von heute, mittendrauf das wort "ficken" gemalt. was dann aber doch bloß wishful thinking ist und vor-schein eines menschenwürdigen lebens. schließlich fallen körpergefühl und arbeitnehmervernunft, zumal werktags, immer noch verläßlich zusammen. man muß ja am nächsten morgen, wenn auch später, wieder raus. überhaupt diese immer noch gehemmte lakonie zwischen den geschlechtern. trotz oder wegen der gespielten dancefloor-ekstasen, die sex appeal nur noch als leeres zitat mitschleppen. als wäre man immer schon in detlef soosts assessment-center oder auf nachtschicht im andy warhol obedience training. wieder mal darüber gestaunt, wie stark porno-features in den mainstream eingesunken sind und wie das ganz selbstverständlich mit der angestammten heterosexuellenkleinlichkeit koexistiert. die libertinage funktioniert spielerisch zumindest so weit, dass die toiletten post/cross-gender benutzt werden. mitten in einem der beiden toilettenräume – dann aber doch weiterhin zwei! - eine sitzgruppe, le corbusier-me-too aus schwarzem nappaleder. unverhohlen den images nachjagen: die exzessive mimikry an pseudolesbische west-coast-hip-hop-video-einlagen: kurios. vielleicht schaue ich ja auch nur zu wenig privatfernsehen. ein paar männer kompensieren ihre verspätete entdeckung von metrosexualität durch david-beckham-haarfrisuren, dezidiertes overdressing und bereits zu hause sorgsam eingeübte moves. überlegt, dass das bemühen um hipness, siehe "metrosexuell", vor allem dromologie ist, panisch beschleunigter zeitwettbewerb. drei frauen, die sich ein glas sekt auf eis geteilt haben, fingieren gekonnt einen anderthalbstündigen kokainrausch. später mehr menschen, die es nicht für die verinnerlichte casting-show machen, sondern irgendwie auch für sich. darunter sehen viele ganz klasse aus, sehr cool, vereinzelte camp-reminiszenzen, selbst-experimentalismus, der einfach schön anzusehen und ermutigend ist, dazu die präzise prägnanz, mit der die bässe manchmal ganz unvermittelt auf die physis drücken, electro-geräusche, die ornamental in die sound-ränder gearbeitet sind, viele, die so tanzen, als wären sie selbst die musik, das zu sehen beglückt immer, lächeln, eruptive nähe, eine nackte schulter, ein augenpaar, dann wieder nichts. kann man mal machen.






schöne Bestandaufnahme der stylishen Klamottenkatachese, die sich im Hip der angedeuteten Innenraum Retrodeko in ihrem 'ach' suhlt.


Erinnert mich an eine Begebenheit in Eureka / CA, als ich bei einem Ausritt in den Redwood-Wald auf eine studentische Gruppe stieß, die in selbstgeschneiderten Kostümen hide & seek zwischen den Pilzen spielte, mit kleinen Zettelchen unter Steinen, Rätselstationen usw. Ich durfte dann mittun. Es ging anscheinend auch ein wenig um Genpool-Pflege; auf einem der Zettel stand zum Beispiel "Catherine gives head" usw. Wunderschön das alles. Nur meine Kleider. Am Lagerfeuer probierte ich müde Scherze, ich sei verkleidet als european visitor, und brachte die Runde durch mein ungelenkes Englisch erst recht zum Lachen. Was wäre ich mir in Ihrem Berliner Club da exoplanetar vorgekommen.


das können wir ja montag nacht dann ausprobieren.


Oh Hilfe. Ich trage Jeans. Mail kommt.


das mit den achselhaaren

liegt vielleicht am winter. da lasse ich auch immer wachsen, jedes haar waermt.


Zu dem Wort »Ficken« fehlt mir, je salonfähiger es wird, immer stärker jede Referenz: Aber vielleicht ist dieses Nicht-Zeichen tatsächlich gerade der Ort, an dem diese immer noch gehemmte lakonie zwischen den geschlechtern sich in einem kurzen ektoplasmatischen Zucken verliert oder verrät.

Die Toiletten hingegen dünken feministisch sozialisierte Volkskundler wie mich schon recht shocking: Der Nasenpudern-Scheiß ist plötzlich so furchtbar entkleidet, die vermeintlichen Weiblichkeits-Refugien sind fast enträumlicht. »Ey, neben mir so «.


Diese Das-Wort-Ficken-Beispiele gehören meiner Meinung nach noch am ehesten in den Kontext von: Infantilisierungsstreben.

Als man neue, auf dem Pausenhof gelernte Wörter seiner Mutter vortrug, die dann geschockt war (also: nur so tat) und einen milde zurechtwies. Zurück zur Gemeinschaft der verlegen Prustenden, Bedürfnis nach Unschuld (?).


ihre reportage ist fein

allein, berlin, da kommt halt immer so ein scheiss bei rum, pornobildchen auf 6x2 metern (maria am abgrund) hauptsatdt der verlierer, immer wieder neu


Letztens das erste Mal in dem Club gewesen; nach Jahren in dieser Stadt. Nie gecheckt, wo eigentlich die früher fortwährend wechselnde location war, nie die entsprechenden Leute entsprechend gut genug gekannt. Dann vor wenigen Wochen auf einer Party in der Nähe gewesen, bei der kurz nach Mitternacht eine Frau, 25 und erschreckend agil, einen Freund und mich einlud, dorthin mitzukommen. Der Freund war auch nie dort. Jemand anderes, der nach Hause wollte, hörte das und sagte noch, dies sei eine Gelegenheit, die wir nicht verpassen sollten; er meinte den Club. Auf der kurzen Fahrt in dem Auto, das eine weitere Freundin fuhr, thematierte die 25-Jährige das Einlass-Procedere: Männer ohne Frauenbegleitung würde der Einlass auch mal verwehrt, würde uns nicht passieren, der Look sei wichtig, natürlich, vor allem Schuhe, was wir denn für Schuhe trügen. Nach dem Aussteigen der Check: Der Blick fiel nach unten, zeigt doch mal Eure Schuhe, sind die okay, gehen die?. Sie entschied, dass sie gingen, diese total unterschiedliche Modelle: der Freund, gepflegte Herrenschuhe, ich, billige Camperkopien. Am Einlass gingen die beiden voraus und es ging, unerwartet unspektakulär. Kein Blick auf die Schuhe, warum auch. Später, gegen vier, fünf Uhr gefiel es mir auch gut, viel besser als noch um zwei; aber dann hat man sich ja meistens gut eingerichtet in der Umgebung.


camperkopien?

warum wird sowas denn auch noch nachgebaut? ich fass es nicht


weil

das original wenigstens noch geld kostet, oder wie? macht doch kein unterschied.


häufiger jetzt, vielleicht meiner eigenen müdigkeit wegen, die idee, es möchte ruheräume geben, dämmerzonen, in denen man von der zeichenarbeit dispensiert wäre, panikruckfreies herumstehen und trinken und reden und bedeutungslose musik und eine merkwürdig entspannte hellwache erschöpfung, ergebenheit vielleicht, auch so eine aus der mode gekommene haltung. weiß auch nicht.


Es gibt ja immerhin Räume, selbst Jahreszeiten mit wenigstens verzögerter Zeichenarbeit.