Montag, 18. Dezember 2000

Wie sähe eine Sinn-search-engine aus, wenn wir sie programmieren könnten?





Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob Medien noch so wichtig sind. So verbindlich. So seismografisch, dass sie spüren, was kommt. Und wer die sein könnten, die daraus dann etwas machen. So etwas wie die eine Öffentlichkeit gibt es ja nicht mehr

Die Medien, bei denen ich noch etwas Elektrisches empfinde, sind: de:bug. Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte. Ich glaube: dass hier eine der Parties stattfindet, an denen man teilnehmen möchte. Viel Wissen, ganz vorne. Die Print-Ausgabe ist besser als die Website: Also an den Kiosk gehen. Die Financial Times. Weil sie sagen, was ist. Sehr nüchtern, sehr unterstating, sehr grausam faktisch. Das macht sonst ja keiner in Deutschland. Das imponiert mir. Ein Beispiel: Vor den Präsidentschaftswahlen in YU (bei denen dann Kostunica sich doch durchsetzte), merkte die FT als einzige deutsche Zeitung an, dass es wohl auch nicht besonders demokratisch sei, wenn der Westen schon vor den Wahlen beschlossen hatte, nur einen Präsidenten anzuerkennen (nämlich: nicht Milosevic), unabhängig davon, wer nun gewählt werden würde. Die SZ. Wegen ihrer merkwürdigen Mischung aus radikaldemokratisch, gut informiert und Lokalzeitung sein. Sonst in Deutschland: fällt mir nichts ein. Es gibt ein paar Sachen die ich mag (die Jungle World vor allem), aber Lead-Medien sind das nicht. Die Brandeins könnte es für die Nouvelle Economie sein, wenn sie nicht immer wieder zu gefühlig, selbstmitleidig, cluetrainig wäre und stattdessen nüchterner. Die Wirtschaftszeitungen rudern immer dem Markt hinterher, anstatt ihn zu erklären. Die Lifestyle-Zeitschriften wollen nur noch Wohlgefühl erzeugen und reflektieren sich nicht selbst - was wichtig, gut und innovativ wäre. Zeitschriften/Net-Magazines wie Wired, die Hotwired News, den Industry Standard, den Redherring, den Salon gibt es hier nicht (ich meine diese Mischung aus superinformiert, entertaining und weiter-denkend). Der Spiegel, der mal ein Lead-Medium war, kommt mir zusehends nur noch muffig und nicht mehr erkennend vor (was aber möglicherweise einem gesellschaftlichen Trend entspricht: dem allgemeinen Müde-Sein). Einen globaleren Approach hat in Deutschland trotz allen Geredes über Globalisierung sowieso kein Medium (wir wissen nichts über Asien, nichts über Afrika, auch die allerwichtigsten Dinge nicht). Sowieso setzen sich zunehmend die schlaueren Leute ihre Informationen aus 12 Newslettern, 5 Tageszeitungen und ein paar wenigen Zeitschriften zusammen, die alle extrem selektiv gelesen werden. Gut (und auf meiner Wishlist ganz oben) wären schlaue Digests aus Technik-, Ökonomie- und Global-Nachrichten, die jeden Tag infeed liefern.

Auch gut (das dachte ich schon vor Jahren) wäre ein Lifestyle-Magazin für Sinnsucher (start making sense). Die Schwierigkeit dabei wäre: Religion, Esoterik und ähnlichen Mumpitz zu vermeiden, aber das Surfen so zu beschreiben wie eine Art netter Religion (aber eben nur eine Art). Ich beobachte seit längerem, dass da was kommen könnte: die ganzen Simplify-your-Life-Magazine, die es in den USA gibt und von der downshifting-Bewegung kommen oder so etwas wie das Ipuri-Magazin, das ja eigentlich nur ein Werbeblättchen für den Klamottenladen ist, aber von der Aufmachung und einigen Themen in diese Richtung zeigt (ohne sie zu finden...). Da könnte man drüber nachdenken.





Ist die Party vorbei? Nein, nur die Love Parade. Liebe & Parade ist sowieso eine Kombination, die nur in Deutschland jemandem einfallen konnte. Statt der einen gibt es jetzt viele Parties - at it was meant to be. Manche Parties feiert man sogar nur mit sich alleine, aber das ist eine andere Geschichte. Die New Economy der letzten beiden Jahren war nur ein Anlass für Old Economisten, mal ohne Schlips zum Meeting zu gehen und sich deswegen cool, so cool zu fühlen. Am Anfang, ehe jemand den Einfall hatte, damit trostlos reich werden zu müssen, ging es um das Vernetzen, von allen möglichen mit allen möglichen, und jetzt geht es wieder darum. Endlich.

Niemand hat gesagt, dass man mit dem Netz Geld verdienen und reich werden muss, nicht wahr? Vielleicht ist, was man mit dem Leben und in der Welt macht, sogar besser, wenn man es nicht macht, um Geld damit zu verdienen. Hundefutter-Portal-Errichter, Webmiles-Anbieter, general interest content provider - who needs them anyway? Nur gerecht, dass die jetzt auf die Schnauze fliegen. Parties kann man mit denen sowieso nicht feiern. Doch all das, was immer schon gut war am Netz, ist immer noch da und wird auch nicht vergehen: Jeder kann publizieren, ohne viel Geld, ohne Verlag, ohne Vertrieb. Jeder kann jedem zuhören, jeder jeden einladen, jeder mit jedem, potentiell zumindest. Das meiste davon ist, nun ja, nicht so wichtig, aber das gilt sonst ja auch. Es ist gut so: Dass nicht mehr DIE Musik, sondern VIELE gespielt werden. So kann man Party-Hopping betreiben. Und von der BertelsmannLoveParade geht man gleich wieder, wenn man das Buffet abgegrast hat. Zur besseren Party. Somewhere else.