"Ihr internationales Know-how entwickelte die Firma während der NS-Okkupation Europas, als sie Luftbildpläne der besetzten Staaten herstellte und ihr technisches Wissen bei der Germanisierung des Kontinents zur Verfügung stellte. Zwar unterbanden die Alliierten 1945 eine weitere Tätigkeit der Firma, doch setzte das Unternehmen zehn Jahre später seine Luftaufklärung fort und half bei der ,,Raumplanung" Deutschlands. Heute zieht die Hansa Luftbild AG vor allem im Mittleren und Nahen Osten, in Afrika und Südamerika neue Grenzen." Von: hier.
Eine Wahl, die eine wäre, setzte voraus, dass man eine Wahl hätte. Man hat sie nicht. Man wählt entweder eine Regierung, die Jugoslawien bombardiert hat oder eine Regierung, die Jugoslawien bombardiert hätte. Auch falls man nicht wählt oder ungültig wählt (das sind die beiden Möglichkeiten, die mir in den Sinn kämen, wenn ich in Deutschland wählen dürfte), endet die Wahl mit der Angelobung einer Regierung, die: siehe oben. Was sagt man in Fällen wie diesem? So fucking what.
Platz 1 bei wer ist der beste kanzler für mich?
Gestern beim Einkaufen all die "Der Kanzler kommt!"-Plakate gesehen, also gingen wir hin, Hamburg-Altona, Platz der Republik. Wir standen eingekeilt in einem Pulk von Leuten, bei deren Anblick ich unwillkürlich ein wenig pathetisch Salz der Erde dachte, manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt noch nichtliterarische Assoziationen habe. Gewerkschafter mit Stoppt-Stoiber-Abzeichen, rote SPD-Luftballons (auf der Rückseite, obwohl man bei Ballons ja nur schwer von Rückseiten sprechen kann: Inhalt: Das Parteiprogramm von CDU/CSU), Transparente, auf denen gegen den bayerischen Reaktionär Stimmung gemacht wurde, Ver.di-Flaggen, ein Name übrigens, den ich immer noch für konterrevolutionär halte, eine Gewerkschaft, in deren Namen man auch Filterkaffee-Werbespots drehen könnte, hat sich schon aufgegeben. Gute Stimmung, aber viel schlechte Haut. Man sah, & ich betone, dass das nicht abwertend gemeint ist: die Massenbasis der SPD besteht aus Modernisierungsverlierern, die sich immer noch die Illusion machen, die SPD würde, räusper, Arbeiterklasseninteressen vertreten. Viele Kinderwägen mit merkwürdig sediert wirkenden Babies im Pulk, Dauerwellen, Blaumänner, forciert bunte Hemden.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Friedhelm Mönter, einem NDR-Veteranen, an diesem Samstag besonders tuckenhaft, huch hier und huch aber da, ein wenig so wie Herr Morgenstern im Kaffeeklatsch, das ergab bei einer SPD-Wahlveranstaltung nicht wenige groteske Effekte. Herr Mönter also, der sich anhörte wie ein Kaffeefahrteneinpeitscher, der ollen Damen Komplimente macht, damit sie noch mehr Rheumadecken kaufen, bat Dariusz Michalszewski (zu faul, um die korrekte Schreibung nachzuschlagen) auf die Bühne, den polnischen Tiger, der gekommen war, obwohl ihm sein Trainer und sein Manager davon abgeraten hatten, so mitten im Aufbautraining für irgendeine Verteidigung eines WM-Titels eines von 500 Boxverbänden. Der Tiger: "Besonders gefällt mir an Gerhard Schröder, dass er sich so sehr für die Völkerverständigung einsetzt“.
Danach wurde Heidi Kabel auf die Bühne geschoben, Herr Mönter wurde noch tuckiger, begrüßen sie mit mir die Grande Dame des Volksschauspiels, die eben erst bezaubernde 88 Jahre jung geworden ist, und hach Heidi hier und hach Heidi da, wie machst du das bloß, und dann redeten sie ein wenig über den Garten Heidi Kabels in Nienstedten, wo Heidis Tochter Kleinheidi leckeren Zwetschenkuchen auftischt und die Krähen eine Zuflucht gefunden haben, und Heidi sagte: "Ich bin so fit, weil ich jeden Tag noch was mache", und dann sang Heidi zum Halbplayback drei Lieder, nämlich "Hamburg ich liebe dich", "Oma mit Schwung" und "Junge mit dem Tüttelband". Der Pulk, in dem wir standen, wurde immer genervter, man konnte die Frau ja nicht gut ausbuhen, immerhin war sie schon 88, aber sie nervte gewaltig. Keine Ahnung, wieso die SPD auf so etwas kommt, Pur und Scorpions könnte man ja noch verstehen, selbe Alterskohorte, aber na ja, sie werden das schon wissen.
Dann endlich war es soweit. Der Kanzler. Nein, noch nicht ganz, zuerst musste er von Olaf Scholz, SPD-Kandidat in Altona, vormals Hamburger Innensenator, angeteasert werden. Olaf Scholz also erinnerte erst mal an Helmut Schmidt, 1962, große Flut, empörte sich dann über dessen und seinen Nachfolger Roland Schill und dessen unmöglichen Bundestagsauftritt, und zwar, Originalton, weil Schill sich "nicht an die Leitungsanweisungen" von Anke Fuchs gehalten hat, und Anke Fuchs wäre ja die Tochter des ehemaligen Hamburger SPD-Bürgermeisters Nevermann, und deswegen sei der Schill-Auftritt noch abscheulicher gewesen, und dann sagte Scholz, dass auch der Inhalt von Herrn Schills Ausführungen skandalös gewesen wäre. Aha, wer hätte das gedacht.
Dann endlich doch noch, meine Damen und Herren, der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Gerhard Schröder, kam von hinten links auf die Bühne, legte sein Jackett ab, machte die Siegerpose, einmal, zweimal, dreimal, damit alle es auf den Film bekamen, und dann legte er los. 45 Minuten, wie soll man sagen, ein buntes Potpourri von SPD-Positionen, Hochwasser, keine Neuverschuldung, Arbeitslosigkeit (keine Erwähnung der Hartz-Kommission), Treibhausgase, Bildung, auch die Unternehmer in der Pflicht, unangenehme Begleiterscheinungen, die da aus Amerika herüberschwappen, keine Beteiligung an einem Krieg gegen Irak (der größte Applaus an diesem Nachmittag), ein paar Hiebe gegen die Springerpresse, und eine halbe Minute über die Toleranz, die die SPD bewiesen hätte mit der Anerkennung von äh Lebensverhältnissen von Leuten, die sich nicht so lieben, wie das für die meisten von uns üblich ist. 45 Minuten, das war´s dann, ganz passabel vorgetragen, eine Rede war das allerdings nicht, eher eine Aneinanderreihung von Losungen, aber war schon okay.
Heidi Kabel sang noch zum Abschied "In Hamburg sagt man tschüss".
Irgendwann in den vergangenen drei Wochen habe ich festgestellt, dass mir aus keinem besonderen Grund jedes Interesse an dem, was man so Politik nennt, abhanden gekommen ist. Ich kann mich nicht einmal mehr dazu zwingen, & ich habe es versucht, irgendeine politische Emotion aufzubringen. Völlig entkoppelt von meinem System. Im Frühstücksfernsehen sehe ich mir fast jeden Tag die Portraitserie über irgendwelche Wahlkreiskandidaten an, stelle fest, wie kaputt die alle schon am Frühstückstisch sind, wenn sie ihre Frauen und ihre herausgeputzten Kinder vorführen, freue mich sekundenkurz darüber, dass Angelika Beer, die von mir am innigsten verabscheute Bundestagsabgeordnete, es nicht mehr schaffen wird, das war´s dann aber auch schon. Merkwürdiges Gefühl, so war das noch nie, und ich kann es mir nicht einmal erklären. Rationalisierungen ja - ist eh alles unter jedem Niveau jeder Kritik - aber die hätten ja bisher auch schon gegolten. Vielleicht hatte ich ja so etwas wie einen Mikro-Schlaganfall, der genau die drei Kubikmillimeter Gehirn ausradiert hat, die für politisches Interesse zuständig sind.
- Ich.
- Nein, ich.
Man muss nicht den Makel des Rechtsradikalismus loswerden, man muss die Rechtsradikalen loswerden, und ihr müsst auch nicht die Ausländer integrieren, wie kommen die denn dazu, von euch integriert zu werden, nicht wahr, es genügt völlig, wenn ihr sie endlich in Ruhe lässt, einfach das Maul halten, die Steine liegenlassen, Benzin ins Auto tanken statt in die Imbissbude schmeissen, das würde wirklich schon genügen.
Was ich mich natürlich auch gefragt habe: Ob es diese Plünderer, die da immer wieder mal als Angst beschworen werden, wirklich gibt, und falls ja, wie sie es denn schaffen sollen, unbeobachtet in Schlauchbooten durch überschwemmte Straßen zu paddeln.
Ich habe nicht allzuviele dieser Sondersendungen über die große Flut gesehen, aber einige doch, und gestern ist mir dann endlich aufgefallen, was ich in den vergangenen 14 Tagen unter all den Abgesoffenen, Nichtversicherten und Panzer fordernden Bürgermeistern nie, kein einziges Mal gesehen habe: Immigranten. Als wären dort, wo das Wasser war, keine gewesen. Oder als wären sie mit weggespült worden, vom Wasser und vom großen neuen Wir.
Am 22. August jährt sich zum zehnten Mal das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen. Eine Zusammenfassung der Ereignisse von Jan Jansen und Susanne Brandt in der "Jungle World". Und ein zweiter Artikel am selben Ort über die gerichtliche Entsorgung.