und was macht frau beer zwei tage nach der wahl zur größten führerin aller grünen? sie redet darüber, was nach dem völkerrecht unzulässig ist.





Arnulf Baring, Angelika Beer. Und nie wieder an Buchstabenmystik zweifeln. Unglück jedenfalls kündigt sie verlässlich an.





Ja sicher, es ist so leicht, die aktuellen Aufgeregtheiten der Lumpenbourgeoisie zu dechiffrieren, ihren Putschismus, ihre Sehnsucht nach dem paternalistischen Führerstaat, in dem der Führer die Untertanenkinder nicht belügt, ihr profundes Unverständnis dessen, was Politik überhaupt ist, ihre Bereitschaft, für ein paar Cents Handelsspanne jederzeit Massenarmut in Kauf zu nehmen. Kein Problem, das zu lesen, da tarnt sich nichts mehr, die Leute reißen ihre Fassaden ja selber ein.

Nur: Was hätten wir dem entgegenzusetzen? Unsere eigene Muffigkeit? Mehr nicht?





im fernsehen, dem öffentlich-rechtlichen, lassen sie gerade so eine miederwarenladentrulla erzählen, dass sie beschlossen hat, ihren miederwarenladen dichtzumachen, nachdem sie am wahlabend erfahren hatte, "dass die spd gewonnen hat". dazu der kommentar: "aber die bundesregierung scheint die hilferufe nicht zu hören".

okay, leute, hier könnt ihr gratis die marktberatung eines marxisten mit guten manieren haben: kapitalismus ist keine veranstaltung dafür, dass sich kleinkapitalisten wohlfühlen, eine regierung hat nicht den job, eure hilfeschreie anzuhören, und wenn ihr bei der freien marktwirtschaft mitmachen wollt, müsst ihr schon damit rechnen, dass ihr auf die schnauze fliegen könnt.

habt ihr das jetzt verstanden?





Der kleinbürgerliche Putschismus. Letzte Woche hat sogar der gute Herr Grandits in der 3sat-Kulturzeit die durchaus nicht ironisch gemeinte Frage gestellt, ob uns nun "nur noch ein benevolenter Tyrann retten" könne. Die Volksgemeinschaft, die da gerade geboren wird. Das Baring-Getobe gegen "Zynismus", "Spielertum" etcetera. Die Mittelstand-Apologien. Und die neuen Christiansen-Lippen.





Dass ausgerechnet Herr Merz sagte, die Regierung sei - wozu auch immer, ich habe nicht wirklich hingehört - "intellektuell nicht in der Lage", hat mich dann doch sehr belustigt.





Claus Koch in der taz von gestern: Das Ende zahlreicher Räusche, ein Leitartikel, in dem sich recht, sagen wir: originelle Bemerkungen über Solidarität & die Notwendigkeit des harten Staates finden. Nein, das ist keine Satire, das ist ernst gemeint, so wie alle es ernst meinen, die sagen, was der Staat tun und wo er schneiden muss, Chirurgen überall, als gäbe es nur noch Ärztezeitungen. Herr Koch also, die Kursivierungen stammen von mir, aus den üblichen Gründen, Irrsinn im Irrsinn:

Nur noch Naive können darauf setzen, dass der Generationenvertrag, die vom Staat organisierte Zwangsorganisation, gebaut auf ungedeckte Schecks der Zukunftserwartungen, auch nur noch ein Jahrzehnt aufrechterhalten werden kann. Das bedeutet, dass der Staat immer öfter mit Steuermitteln einspringen wird, ohne doch das Steuer ganz in der Hand zu haben. Es wird ihm aber, zum Unwillen der Wähler, nichts übrig bleiben, als mit harten Direktiven einzugreifen, will er die unentbehrlichen Reste der organisierten Solidarität retten. Dafür muss er sich, weil er gegen einen Kranz von Interessen und Konsumegoismen kämpfen muss, stark machen.

Wenn es stimmt, dass rund die Hälfte aller Heil- und Pflegekosten aufs Konto von selbst verschuldeten Krankheiten geht, dann muss der Staat dort einen Schnitt machen. Wer sich im Skiurlaub ein Bein bricht oder beim Motorradrennen verunglückt, wer vom Riesenrad fällt oder sich vom Walkman das Trommelfell beschädigen lässt und dafür das Solidarsystem der Krankenkassen in Anspruch nehmen möchte, handelt asozial. Ihm muss die Solidarität verweigert werden, im Interesse der Vielen, die sich disziplinieren, um gesund zu bleiben und ihre Einkommensteuer bezahlen zu können.

Die zahlreichen Räusche, die sich die Massengesellschaft leistet und mit ihrem sozialschädlichen Konsum die Wirtschaft stimuliert, sind jahrzehntelang vom Sozialstaat begünstigt, ja direkt bezahlt worden. Wenn sich die Bürger diese Räusche versagen müssen, weil der Staat für die Folgen nicht mehr haftbar gemacht werden kann, wird es ein Riesengeschrei geben: von den Skiliftbetreibern und den Motorradbauern, von der Ferienindustrie und den Werften für die Vergnügungsschiffe der reichen Greise bis zu den Kliniken für die Entschlackung der unzähligen Überfetteten. Überflüssig würden Millionen von Arbeitsplätzen, die vom hilflosen Sozialstaat abhängig sind.

So ist es schließlich der Staat selbst, der die Entsolidarisierung der Bedürftigen betreibt, weil er von den unsolidarischen Verhaltensweisen der Konsumbürger aufrechterhalten wird.

So trifft sich das alles unter den Sachzwängen wieder: der Parasitenhass mit der Konsumkritik, die Disziplin mit der Gemeinschaft derer, die im Urlaub & der Freizeit keinen Scheiß bauen, die Schädlingsbekämpfung mit dem Normgewicht, die Volksgesundheit mit der Einsicht ins Notwendige, die Solidarität mit dem Ausmerzen derer, die sie nicht verdienen. Na dann.





M: "Das Brandenburger Tor sieht aus, als müsse es gleich kotzen."





Das ist mir bisher völlig entgangen:

At a meeting in the Axel Springer building in Hamburg on Aug. 27 with about 30 American friends of Germany, the defense minister who had been recently booted out of Chancellor Gerhard Schröder's cabinet for financial irregularities was asked why Germany was so loudly opposed to President Bush's campaign to oust Saddam Hussein. Rudolf Scharping reported that he had answered that very question in a Schröder cabinet meeting: it was all about the Jews. Bush was motivated to overthrow Saddam by his need to curry favor with what Scharping called "a powerful — perhaps overly powerful — Jewish lobby" in the coming U.S. elections. Jeb Bush needed their votes in Florida as George Pataki did in New York, and Congressional redistricting made Jewish votes central to control of Congress. Germany, the discredited minister said proudly to his discomfited audience, had rejected such pandering.
William Safire in der NYT (Registrierung erforderlich) über The German Problem. Scharping hat das ein paar Tage später dementiert, aber was hat Scharping nicht dementiert?





Peter Sloterdijk erklärt

  • die USA zum Schurkenstaat
  • das Denken zur "geistigen Funktion der Nation"
  • Gerhard Schröder zum europäischen Führer
  • die deutsche Presse der Selbstgleichschaltung fähig
  • die Medien durch eine kollektive Verdächtigungsrhetorik nach dem Muster dekonstruktivistischer Psychoanalyse gelähmt
  • von ihm abweichende Ansichten zur parlamentarischen Zensur und erst recht Klartextzensur
  • Kritiker, die Martin Walsers "Tod eines Kritikers" Antisemitismus wahrnehmen, zu Entlarvungsfeuilletonisten
  • die öffentliche Diskussion in Deutschland für fundamental gestört
  • sowieso wie immer die Welt,

und am Ende seines Luftbebens in der Frankfurter Rundschau sagt er uns dann noch, dass die Juden, die Amis und die Weiber unfairerweise die einzigen sind, die im Westen noch frei den Mund aufmachen dürfen:

Da aber der Mensch ein meinendes Tier ist, wird auch hierzulande das Meinungsleben irgendwie weitergehen. Schon sind unzählige in die Meinungslosigkeit ausgewichen - und entwickeln Hintergedanken über jene, die in den meinenden Berufen tätig sind. Für die geschichtlich Interessierten wird man demnächst im Nachtprogramm Filme von westlichen Menschen zeigen, die sorglos wie Verbrecher sagten, was sie über Frauen, Amerikaner und Juden dachten. Die sorglosesten unter diesen westlichen Menschen von einst, wird man erstaunt bemerken, werden Juden, Amerikaner und Frauen gewesen sein, wir werden Heimweh nach ihnen haben und wünschen, wir hätten in ihrer Zeit gelebt.