Fundstück aus der <a href="www.netzeitung.de"">Netzzeitung. Titel: Grillwalker. Was ein Grillwalker ist, wird nirgendwo erklärt. Ich liebe solche Stücke ja mit ihren durchgeknallten non sequiturs.

"Die mobilen Würstchenbuden, die man an viel besuchten Plätzen der Stadt antrifft, sind Symbol dieser Fleischwerdung des Menschen. Sie bestehen aus einem Verkäufer, der auf einem Bauchladen Würstchen grillt. Braten, Verkaufen, Anpreisen sind ein Akt - und der Verkäufer wird selbst zur Wurst. Er steht unter einem Sonnenschirm, vor sich hat er bis auf Augenhöhe eine Plexiglasscheibe. Die Hitze und der Geruch dahinter müssen gewaltig sein. Und die Kundschaft verzehrt ihre Mahlzeit wahrhaftig im Schweiße seines Angesichts."
Und:
"Die traurige Erwartung, die uns eher betrifft, ist eine andere. Erkrankt jemand in der Familie an Creuzfeldt-Jakob, wird man zwar nicht den Bolzenschießer bemühen, aber man kann sich weitere detektivische Arbeit sparen."





Ich war jung, ich brauchte das Geld: "Daniela kann tanzen - und wie. Sie war ja schließlich mit DJ Bobo zusammen" - aus dem GirlsCamp....





Mein Wort des Tages: Menjou-Muschis - Damit meinte Meike die offiziersmäßig akkurat getrimmte Schambehaarung der nudes im aktuellen Playboy.

BTW: Den Playboy muss man weder wegen der Arschundtitten noch wegen der Interviews kontrollieren - Eingangsfrage diesmal, journalistische Meisterleistung: "Herr Krug, unter welchen Aspekten sehen Sie fern?". Meine Güte, wenn es death rows für miserable Journalisten gäbe, bräuchten wir George W. als Gouverneur...

Nein, den Playboy MUSS man kontrollieren, um zu kontrollieren, was die Neue Deutsche Sackgesicht-Literatur so macht. Tristesse Banale-BESSING, der sich selbst ja mal als "gut aussehenden" Schriftsteller bezeichnet hat, trifft diesmal Nicolette K., und erzählt einen Artikel lang nicht, was er mit ihr geredet hat, sondern schreibt darüber, wie er mit ihr im Theater saß und Hunger bekam, weil sie auf der Bühne Würstchen grillten und er nichts gegessen hatte, und was er gesehen hat, als er in Nicolettes Handtasche linste. Dazu gibt es immerhin 2 Fotos, auf denen Bessing noch übler als sonst aussieht. Weiters: Uwe Kopf, ein Mann, dessen Namen eine Lüge ist (für diese Lüge wird er aber vom Schicksal gerecht bestraft: Kopf hat panische Angst, dass Kopf-Fotos mit seiner Glatze veröffentlicht werden), Uwe Kopf also grottenschlecht über Leonard Cohen, was mich wieder einmal fragen lässt, warum so unangenehme Leute so häufig dieselben Götter verehren wie ich; und AlexaHenningvonLange steuert eine Kurzgeschichte bei, in der eine Frau zuerst, mit ihrem Freund, nicht Sex hat, dann aber doch, auf einer Party, in einer Badewanne, in der Bier gekühlt wird, mit einem Anderen. Abgesehen davon, dass wir schon bessere Sätze gelesen haben als in dieser Geschichte - in Bierdosen-Kühlwasser-Badewannen klappt das nicht mit Erektionen, Alexa, dichterische Freiheit hinoderher, an solchen Orten hat man, um mit Seinfeld zu sprechen, shrinkage problems.





In den USA, habe ich mir erzählen lassen, sind Kündigungen recht einfach. Am Freitag nachmittag kommt einer vorbei und legt dir einen Zettel auf den Schreibtisch, auf dem DCM steht.

DCM heisst: Don't come monday.

Meinen DCM-Zettel für diese Woche lege ich auf den Schreibtisch des Spiegel-Redakteurs Reinhard Mohr, der wahrscheinlich in diesen Minuten ein paar Hausnummern weiter einen seiner fundamentalen kulturkritischen Essays über die deutsche Spaßkultur beendet. Ich kann beweisen, dass er schon viel zu viele dieser Essays zusammengeschustert hat und dass es hoch an der Zeit für einen neuen Song wäre. Unter Geiern (23.8.1999, über einen Kabarettisten):

"In den achtziger Jahren entwickelte er seine große Leidenschaft, das Kabarett; freilich nicht die politische Zeigefinger-Akrobatik von Hildebrandt und Co., auch nicht die Comedy-Raserei der neuen deutschen Spaßkultur, sondern ein ganz eigenes, poetisch inspiriertes Satiretheater, dessen Zynismus auf der Höhe der Zeit war - sportlich gesehen eine Mischung aus virtuellem Stabhochsprung und 400 Meter Hürdenlauf mit Wasserloch-Schikane."
Die Dialektik der Abklärung (29.11.1999, über "Titanic"):
"Zwei geistige Linien kämpfen seit den achtziger Jahren um die kulturelle Vorherrschaft in Deutschland: Hier die eher protestantisch grundierte Jammerkultur der immer schon Zuspätgekommenen, Frühenttäuschten und Erlösungswilligen, dort die neue deutsche Spaßkultur des zynischen Hedonismus."
Der totale Spaß (5.6.2000, über die...):
"Witzischkeit kennt keine Grenzen / Witzischkeit kennt kein Pardon! Von der Politik bis zum Sport, von der "New Economy" bis zu den Society-Events der Berliner Gesellschaft, von Möllemann bis Lilo Wanders - der Fun-Faktor regiert die Republik, Spaßkultur muss sein: "Konkret krass" und "fett stabil"."
Die neuen Fast-Patrioten (11.9.2000, über das Nationalgefühl):
"Reiches, globalisiertes Deutschland: Die Wirtschaft brummt, jetzt auch virtuell: Wir sind drin im World Wide Web. Der Pixelpark blüht, selbst in Sachsen-Anhalt. Lustiges, lockeres Deutschland: Die Spaßkultur überholt sich ständig selbst. Harald Schmidt und danke Anke, Gottschalk &amp;amp;amp; Ciao, Big Brother. Hauptsache, nie wieder: Volk ohne Witz."
Sigrids Welt (25.9.2000, über Sigrid Löffler):
"Sigrids Welt ist vor allem das Resultat einer philosophischen Anstrengung. Was sie in ihrem Antrittsartikel als Feuilletonchefin der "Zeit" 1996 volltönend prophezeite - den Abschied von der "Spaßkultur" -, hier ist's vollbracht: Humorlosigkeit und sinnliche Askese"
Tyrannei der Geschwätzigkeit (30.9.2000, über Sportsendungen):
"Ob bei Olympia oder in der Formel 1, bei der Champions League oder den alpinen Skiwettbewerben - die weltweit populärsten Sportarten verkörpern den virtuellen Ernst des Lebens in der Spaßkultur, eine Ersatzreligion in der entzauberten Welt, die nicht zuletzt die Maßstäbe für Jugend, Schönheit und Lebensglück setzt: fit for fun. Ästhetik als Körperästhetik."
Wettlauf um das Gute (30.10.2000, über Moral in Zeiten der ....):
"Dabei laviert die Spaßkultur, die schon von Berufs wegen mit unzähligen Ressentiments und Zitaten spielt, zwischen Souveränität und Verantwortungslosigkeit. Einerseits ist sie Ausdruck eines gewachsenen demokratischen Selbstbewusstseins der Gesellschaft, die praktisch keine Tabus mehr kennt, aber auch keine ideologische Feindschaft - andererseits höhlt sie tendenziell Werte und Orientierungen aus, ja, sie beschleunigt geradezu soziale und intellektuelle Auflösungsprozesse, aus denen sie dann wieder ihre humoristischen Funken schlagen kann."
Eine Rakete namens Harry (27.11.2000, über Harald Schmidt):
"Manchmal aber ist die "Harald Schmidt Show" Teil der Krankheit, zu deren Linderung sie beitragen soll. Zum Beispiel dann, wenn die Endmoräne der Spaßkultur, das Geröll der besinnungslosen Witzischkeit, völlig ungebremst ins Studio einbricht und alles unter sich begräbt. Wenn die letzte Blondmaus von "Bravo TV" die nichtigste Nichtigkeit in den Äther piepst, wenn die Gag-Lage so labbrig ist wie abgestandenes Bier und die Stimmung zäh vor sich hin kalauert wie in den Komik-Ruinen der "Wochenshow" nach dem Abgang von Anke Engelke."
(Zu dieser Liste ist anzumerken: Sie ist nicht vollständig. Und sie dokumentiert bloß Spaßkultur-, nicht aber Spaßgeneration-, Fun-Kultur-, Spaßgesellschaft- und Fungesellschaft-Vorkomnisse...) Übrigens hatte ich einmal ein Date mit einer hinreissenden Frau, die ein Date mit Reinhard Mohr gehabt hatte. Höflich sei er ihr vorgekommen, erzählte sie, höflich, aber langweilig. Und natürlich sei nichts daraus geworden..





Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob Medien noch so wichtig sind. So verbindlich. So seismografisch, dass sie spüren, was kommt. Und wer die sein könnten, die daraus dann etwas machen. So etwas wie die eine Öffentlichkeit gibt es ja nicht mehr

Die Medien, bei denen ich noch etwas Elektrisches empfinde, sind: de:bug. Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte. Ich glaube: dass hier eine der Parties stattfindet, an denen man teilnehmen möchte. Viel Wissen, ganz vorne. Die Print-Ausgabe ist besser als die Website: Also an den Kiosk gehen. Die Financial Times. Weil sie sagen, was ist. Sehr nüchtern, sehr unterstating, sehr grausam faktisch. Das macht sonst ja keiner in Deutschland. Das imponiert mir. Ein Beispiel: Vor den Präsidentschaftswahlen in YU (bei denen dann Kostunica sich doch durchsetzte), merkte die FT als einzige deutsche Zeitung an, dass es wohl auch nicht besonders demokratisch sei, wenn der Westen schon vor den Wahlen beschlossen hatte, nur einen Präsidenten anzuerkennen (nämlich: nicht Milosevic), unabhängig davon, wer nun gewählt werden würde. Die SZ. Wegen ihrer merkwürdigen Mischung aus radikaldemokratisch, gut informiert und Lokalzeitung sein. Sonst in Deutschland: fällt mir nichts ein. Es gibt ein paar Sachen die ich mag (die Jungle World vor allem), aber Lead-Medien sind das nicht. Die Brandeins könnte es für die Nouvelle Economie sein, wenn sie nicht immer wieder zu gefühlig, selbstmitleidig, cluetrainig wäre und stattdessen nüchterner. Die Wirtschaftszeitungen rudern immer dem Markt hinterher, anstatt ihn zu erklären. Die Lifestyle-Zeitschriften wollen nur noch Wohlgefühl erzeugen und reflektieren sich nicht selbst - was wichtig, gut und innovativ wäre. Zeitschriften/Net-Magazines wie Wired, die Hotwired News, den Industry Standard, den Redherring, den Salon gibt es hier nicht (ich meine diese Mischung aus superinformiert, entertaining und weiter-denkend). Der Spiegel, der mal ein Lead-Medium war, kommt mir zusehends nur noch muffig und nicht mehr erkennend vor (was aber möglicherweise einem gesellschaftlichen Trend entspricht: dem allgemeinen Müde-Sein). Einen globaleren Approach hat in Deutschland trotz allen Geredes über Globalisierung sowieso kein Medium (wir wissen nichts über Asien, nichts über Afrika, auch die allerwichtigsten Dinge nicht). Sowieso setzen sich zunehmend die schlaueren Leute ihre Informationen aus 12 Newslettern, 5 Tageszeitungen und ein paar wenigen Zeitschriften zusammen, die alle extrem selektiv gelesen werden. Gut (und auf meiner Wishlist ganz oben) wären schlaue Digests aus Technik-, Ökonomie- und Global-Nachrichten, die jeden Tag infeed liefern.

Auch gut (das dachte ich schon vor Jahren) wäre ein Lifestyle-Magazin für Sinnsucher (start making sense). Die Schwierigkeit dabei wäre: Religion, Esoterik und ähnlichen Mumpitz zu vermeiden, aber das Surfen so zu beschreiben wie eine Art netter Religion (aber eben nur eine Art). Ich beobachte seit längerem, dass da was kommen könnte: die ganzen Simplify-your-Life-Magazine, die es in den USA gibt und von der downshifting-Bewegung kommen oder so etwas wie das Ipuri-Magazin, das ja eigentlich nur ein Werbeblättchen für den Klamottenladen ist, aber von der Aufmachung und einigen Themen in diese Richtung zeigt (ohne sie zu finden...). Da könnte man drüber nachdenken.