Ein alter Zausel beziehungsweise erwachsen geworden zu sein, such dir aus, was dir lieber ist, merkt man unter anderem daran, dass man sich nicht mehr dabei ertappt, sich zu fragen, ob die Musik, die man mag, nun eigentlich peinlich oder nicht ist, sondern nur noch dabei ertappt, dass einem Peinlichkeiten nicht mehr peinlich sind. Und sich sofort wieder sehnt nach den Jahren, in denen man vor Scham nicht aus, nicht ein wusste.
Ihr werft uns mit einem Worte vor, dass wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir.
Im Alter von 40 bis 50 Jahren pflegen Menschen eine seltsame Erfahrung zu machen. Sie entdecken, daß die meisten derer, mit denen sie aufgewachsen sind und Kontakt behielten, Störungen der Gewohnheiten und des Bewußtseins zeigen. Einer läßt in der Arbeit so nach, daß sein Geschäft verkommt, einer zerstört die Ehe, ohne daß die Schuld bei der Frau läge, einer begeht Unterschlagungen. Aber auch die, bei denen einschneidende Ereignisse nicht eintreten, tragen Anzeichen von Dekomposition. Die Unterhaltung mit ihnen wird schal, bramarbisierend, faselig. Während der Alternde früher auch von den anderen geistigen Elan empfing, erfährt er sich jetzt als den einzigen fast, der freiwillig ein sachliches Interesse zeigt.
Zu Beginn ist er geneigt, die Entwicklung seiner Altersgenossen als widrigen Zufall anzusehen. Gerade sie haben sich zum Schlechteren verändert. Vielleicht liegt es an der Generation und ihrem besonderen Schicksal. Schließlich entdeckt er, daß die Erfahrung ihm vertraut ist, nur aus einem anderen Aspekt: dem der Jugend gegenüber den Erwachsenen. War er damals nicht überzeugt, daß bei diesem und jenem Lehrer, den Onkeln und Tanten, Freunden der Eltern, später bei den Professoren oder dem Chef des Lehrlings etwas nicht stimmte! Sei es, daß sie einen lächerlichen verrückten Zug aufwiesen, sei es, daß ihre Gegenwart besonders öde, lästig, enttäuschend war.
Damals machte er sich keine Gedanken, nahm die Inferiorität der Erwachsenen einfach als Naturtatsache hin. Jetzt wird ihm bestätigt: unter den gegebenen Verhältnissen führt der Vollzug der bloßen Existenz bei Erhaltung einzelner Fertigkeiten, technischer oder intellektueller, schon im Mannesalter zum Kretinismus. Auch die Weltmännischen sind nicht ausgenommen. Es ist, als ob die Menschen zur Strafe dafür, daß sie die Hoffnungen ihrer Jugend verraten und sich in der Welt einleben, mit frühzeitigem Verfall geschlagen würden. [Horkheimer/Adorno, DA]
Das einzige, was ich seit Jahren über den noch zu schreibenden Roman weiß, ist, dass das letzte Kapitel eine Abendgesellschaft beschreiben muss.
Eben habe ich mich gefragt, ob meine vagen Vorstellungen von vage gesagt richtiger Einrichtung der Gesellschaft eher von Filmen oder eher von Musik inspiriert sind. Obwohl das vermutlich keine sinnvolle Frage ist.
Eben habe ich mich gefragt, ob irgendjemand noch Hoffnungen hat. Politische, um die Frage zu einer sinnvollen werden zu lassen.
Gerade über folgende Passage gestolpert [aus: "Der Kapitalismus ist senil geworden". Ein Gespräch mit Samir Amin und Michael Hardt.]
L &W: Michael, Du scheinst eher geneigt, die Qualitäten des Anti-Nationalismus zu betonen.Mich gleich gefragt, ob es nicht der Denkfehler von, sagen wir mal: Sozialisten ist (deren Gemeinschaft ich mich als zugehörig imaginiere, auch wenn sie meistens eher einem Narrenhaus oder einem Distinktions-Wettbewerb oder einer Mensa, in der es immer nur Stammessen 3 gibt, gleicht als dem, was ich mir gerne nach Hause einlade), genau das zu wollen: sich eine Gemeinschaft vorzustellen, für deren Glücksvermehrung der Sozialismus in Gang gesetzt wird? Kann man denn nicht auch aus rein egoistischen Gründen Sozialist sein? Ich bilde mir ein, dass das erstens ginge, dass es zweitens entspannter und drittens vernünftiger wäre, aber ich habe noch nicht sehr gründlich darüber nachgedacht.MH: Absolut. Benedict Anderson hat dieses Schlagwort von der Nation als imaginierter Gemeinschaft geprägt. Leider ist die Nation mitunter die einzige Gemeinschaft, die die Menschen sich vorstellen können, wohingegen ich denke, daß es andere Möglichkeiten gibt, Kollektivitäten zu konstruieren. Der Einwurf, man möchte ja einerseits gegen alle Arten von Nationalismus kämpfen, die einzigen Alternativen seien jedoch ein islamistischer Internationalismus oder ein Internationalismus des neoliberalen Kapitals, dann halte ich dagegen, daß die Nation dennoch nicht der einzige andere Lokus der Identität ist und eine andere Alternative gefunden werden kann.
SA: Klasse ist eine andere.
MH: Klasse ist sicherlich eine.
SA: Und hoffentlich einflußreicher als Nation. Anderson hat recht, wenn er sagt, die Nation ist eine imaginierte Gemeinschaft, aber einmal imaginiert, wird aus ihr eine reale Gemeinschaft.
MH: Zeugt es nicht von einer Armut der Phantasie, wenn das die einzige Gemeinschaft ist, die wir uns vorstellen können?
Manchmal führe ich Praktikantinnengespräche. Was sie wollen, warum sie hier sind, welche Geschichten sie gerne schreiben würden undsoweiter. Heute wieder.
- Warum machst du denn ein Praktikum?
- Man sagt uns, Praktika wären gut.
- Wer ist "man"?
- Na, die Uni.
- Wieso?
- Wir sollen Erfahrungen sammeln. Wird gern gesehen.
- Warum willst du Journalistin werden?
- Weil ich nicht dauernd im Büro herumsitzen mag. Und weil ich gerne Leute kennenlerne.
- Ähm, da könntest du doch auch Animateurin im Club Robinson werden wollen. Oder Polizistin und auf Streife gehen....
- Ja klar, schreiben will ich natürlich auch. So mit Sprache und so.
- Und wo würdest du denn gerne am liebsten arbeiten?
- Regional. In einer Tageszeitung.
- Wieso das denn?
- Weil ich dort das Gefühl habe, dass ich gebraucht werde.
- Das ist dir also wichtig.
- Ja schon. Warum denn nicht?
- Na ja, du hättest ja auch sagen können, dass du Journalistin werden willst, weil du gerne die Welt verändern würdest. Oder weil du gerne gute Geschichten erzählen möchtest. Oder etwas aufdecken.
- Die Welt verändern kann man doch alleine nicht.
- Ja schon, aber. Du bist doch knapp über 20. Da darfst du das doch nicht glauben.
- Ihr wollt immer, dass wir anders sind, bloß weil wir jung sind. Wir sind aber gar nicht anders.
- Wie was wünschst du dir denn von von deinem Leben, sagen wir in zehn Jahren.
- Na ja. Dass ich vielleicht einen festen Job habe.
- Wie? Das ist alles.
- Ja, das ist nicht mehr so leicht.
- Das ist doch ein ziemlich kümmerlicher Traum.
- Ja.
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