Die Saaltöchter scheuchen, einen Bierwärmer bitte, an den Nebentischen junge gutgewachsene Paare, Gnade der späten Gebu…, ah nein, ist ja scheusslich, der Satz schon wieder. Warum nicht ich, denkt er, warum die, warum nicht ich? Die Augen zugewachsen, da oben, kam nicht drauf an, vor der Einführung des Fernsehen, sehr schön, Idylle. Dann denkt es gleich wieder los in ihm. Ich möchte, bitte schön, losdenken dürfen, denkt es los, warum immer nur die, warum nicht ich. War doch nur, weil der Rückstau sich gebildet hat, die ganze Zeit über, Denkverbote, Gedankenpolizei, ah, danke schön, Fräulein. Hatte mal eine Reputation wie nur was, sogar bei den Kommunisten gewesen, wie jeder anständige Mensch, kein Grund, sich davon loszusagen, ich bin Dichter, ich soll nicht losdenken dürfen, ja bitte, wer denn dann? Jetzt, seitdem sie das Fernsehen eingeführt haben, gleich immer, alles den Bach hinunter, Gerede, nervt, Unwohlsein immer. Einmal möcht ich reden dürfen, einmal nur, ohne dass ein anderer zurückredet. Gehn´s Fräulein... Noch einen Wunsch? Ich würde gerne zurückschlagen. Wie bitte? Ab Null Uhr. Zurückschlagen. Genau. Ist ihnen schlecht? Ja, immer. Nicht wirklich schlecht, unwohl halt. Sind Sie so nett und sagen mir: Ist das jetzt falsch, wenn ich sage dass ich da herumsitzen möchte, ohne dass jeder gleich sagt, dass ich mich schämen sollte? Soll ich vielleicht einen Arzt holen? Ich hab den doch gar nicht umgebracht, ich bin doch ein Dichter, ich bin doch kein Wahnsinniger. Dürfte ich jetzt abkassieren, wir haben Schichtwechsel jetzt. Sagen´s doch Fräulein... 4 Euro 70. Das Geld nehmens uns auch weg, Fräulein. Stört Sie das gar nicht, also mich stört das sehr.





Czeslaw Jaszczynski, geboren 1913 in Bochnia, im August 1940 wegen Widerstands gegen die neue Ordnung verhaftet. Um sie zu überleben, musste er ihre Bewacher zum Lachen bringen. Sie mochten das. Lachen hielt sie gesund, vor allem in den Situationen, die den ganzen Mann forderten. Jaszczynski, den die Deutschen Bumbo nannten, es war aussprechbarer und klang witzig, durfte keine Fehler machen. Ans Tor gestellt, dessen Aufschrift FREIHEIT DURCH ARBEIT verhieß, musste er jeden Tag neu an sich arbeiten, um sich die Freiheit nicht zu verbauen. Einmal die Deutschen zu griesgrämig gemacht, und er oder ein anderer, man wusste nie, wen die Griesgrämigkeit traf, wäre ins Gas gegangen. Der Grieche, der einige Zeit lang mit Czeslaw das Türhüter-Duo bildete, war bei weitem kein so guter Spaßmacher. Ganz abgesehen davon, daß er mit seinen 2 Meter 19 viel zu groß war. Große verreckten schneller im Lager, zu viele Angriffsflächen. Czeslaw schien das verstanden zu haben, er hielt sich klein, die Deutschen lachten gerne über ihn. So konnten sie sich glatt für Menschen halten. Czeslaws Mithäftlinge hielten ihn für einen Kollaborateur, wer einen Deutschen zum Lachen bringt, ist ein Verräter. So hätten sie ihn nach dem Krieg beinahe verraten an ein falsches Gedächtnis, du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider Deinen Nächsten. Nur einige wussten, dass Czeslaw, indem er die Deutschen zum Lachen brachte, daran arbeitete, sie von ihrer Mordlust zu zerstreuen. Man weiß aber nicht, ob durch das Lachen, das Czeslaw in den Deutschen auslöste, irgendjemand überlebt hat. Wie sollte man das auch berechnen können?





Kleingartenkolonien, Flaggen im Garten, Schutzzone, jedem sein eigener Staat. Es ging hoch her, Putengriller, gib bloß acht aufs Cholesterin.





Wir sind ein altes Geschlecht, viele Irrtümer alt.

Wir wussten nichts mehr anzufangen mit uns. Die Geschichte hatte jetzt anderswo zu tun.

Wir waren muffige junge Männer, jederzeit bereit, noch muffiger zu werden.

Wir haben den Selbstmord Kurt Cobains für eine schlechte Wiederholung gehalten.

Wir konnten uns alles vorstellen, wahrscheinlich war das unser Problem.

Wir haben so oft miteinander gefickt, dass wir uns darüber ganz aus den Augen verloren haben.

Wir haben uns viel seltener über etwas gewundert als über etwas empört.

Wir wären eine schöne Dreiecksgeschichte gewesen, wenn Dreiecksgeschichten nichts mit den Genitalien zu tun hätten.

Wir haben zu oft darüber diskutiert, wie man diskutieren müsse.





Wenn man sie gefragt hätte, was sie am liebsten tat, hätte sie schlafen gesagt, einfach nur schlafen, aber das konnte man niemandem erzählen.

G lebte von seinen Plänen, immer nur vorwärts, feuerte sich mit den Möglichkeiten an, die sie noch hätten. R dagegen hatten die Möglichkeiten so lange zugesetzt, bis sie aus Ratlosigkeit Ehefrau geworden war.

Irgendwann war sie einfach erschöpft gewesen, immer nur Anfänge und keine Enden. Sie wollte, daß auch einmal etwas zu Ende ging, keine Kraft mehr, noch etwas durchzuziehen, Abitur, Promotion, Praktika, Einstiege, Männergeschichten, dann wieder Herumlauern, bis sich etwas Neues ergab. Als G sie nach nur sechs Wochen gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle, hatte sie gleich heftig genickt. Er war autistisch genug, um nicht auf ihre Launen angewiesen zu sein. Es genügte, wenn sie da war und er gegen sie anreden konnte, vielleicht brauchte er einfach einen zweiten Menschen, damit seine Wünsche schön wurden. Wer malte sich schon aus, alleine nach Amerika auszuwandern oder sich von einem verrückten Architekten ein Haus bauen zu lassen, das klang nach einer Verzweiflung, mit einer Frau war es dagegen ein Abenteuer, mutig, Triumph. Für sie war es das Beste gewesen.

R hörte ihm gerne zu, sie mochte es, wenn er seine Entscheidungen so präsentierte, als müsse er noch kämpfen, es sagte ihr, daß er sich Mühe gab mit ihr, er mußte ihr Seelenqual präsentieren.

Manchmal stellte sie sich vor, wie er eines Tages vom Flughafen nach Hause kommen würde, und sie lag tot im Bett. Er würde auf Zehenspitzen durch die Wohnung fremdeln und seine Geschenke arrangieren und erst allmählich unruhig werden. Woran denkst du, sagte G. Ach nichts, sagte sie.

Er wollte sie zu seiner eigenen Begeisterung überreden, wenn sie einmal nicht teilen mochte, empfand er es schnell als Liebesverrat. Ich habe immer nur geredet und geredet, hatte er ihr erzählt, alle meine Frauen habe ich ins Bett hineinüberredet, am Ende waren sie einfach erschöpft und wollten mich zum Schweigen bringen, oder sie haben mich mit meinen Wörtern verwechselt.

Es erleichterte sie, Besitz zu sein, sie mußte nicht mehr nachdenken, was und wer sie war, er gab acht auf sie wie auf ein Auto, und außerdem sah er nicht schlecht aus, obwohl ihm das ein wenig peinlich war.

Wir sind jetzt zwei Jahre verheiratet, dachte R, aber ich weiß immer noch nicht, ob ich ihn liebe. Er rührte sie, soviel stand fest, aber ob sie ihn liebte, wußte sie nicht. Sie hätte ihn, bildete sie sich ein, begehren müssen, aber wann hatte sie je etwas begehrt? Nie hätte sie über G so sehnsuchtsvoll sprechen können wie er über ein Buch, eine Stadt, einen Fußballspieler, und das alles waren Dinge, von denen er niemals behauptet hätte, sie zu lieben.