Andrew Vande Moere





Warum Sidney, hat Jan Morris, von dem die großartigsten armchair traveller-Bücher ever stammen, in seinem Buch über Sidney (leider out of print, aber ich verleihe meines) beantwortet: Er sieht in Sidney "not the most beautiful (city)...but the most hyperbolic, the youngest in heart, the shiniest."

Was noch für Sidney spricht:

  • Es ist eine Einwandererstadt. Die Immigration kam in mehreren Wellen: Italiener, Griechen, seit den 80er Jahren vorwiegend Asiaten. Eine Zeitlang war es die offizielle Politik der australischen Regierung, zu einer multikulturellen Nation zu werden, mit deutlicher Tendenz zum Asiatischen - gegen das Weisse, auf Europa Zentrierte. Eine Art nation building-Identitätsprogramm, das in den 90ern durch den Druck der alteingesessenen Weissen dann leider wieder kassiert wurde. Diese verschiedenen Schichten, Jahresringen vergleichbar, merkt man. Nirgendwo sonst, wo ich war, gab es so wahnwitzige fusions und Hybride wie in Sidney. Essen zum Beispiel. Während die meisten guten Küche ja den Versuch unternehmen, eine bestimmte Küche gut zu beherrschen, gibt es in Sidney eine ganze Legion von fusion cooks, die europäisch, australisch und asiatisch auf eine Weise kombinieren, die auf der Speisekarte erst einmal verrückt wirkt, beim Essen eine Entdeckung ist. (Falls Ihr in der Stadt seid, besucht unbedingt die Sailor´s Thai Canteen, das beste und stylisheste Restaurant, in dem ich je das Glück hatte, essen zu dürfen....).

  • Es gibt einen hohen SchwulenUndLesben-Anteil. Ein Wohlfühlgesetz meines Lebens lautet: Ich werde in Städten, in denen es viel entspannte Homosexualität gibt, nach spätestens 10 Sekunden glücklich - obwohl ich eine langweilige, entschieden monogame, entschiedene Hete bin. Keine Ahnung, woran das wieder liegt - vielleicht nur daran, dass solche Städten logischerweise liberaler sein müssen; vielleicht aber auch daran, dass SchwuleUndLesben einfach den besseren Geschmack haben und in Städten leben, die es verdienen, dass man in ihnen lebt - ich habe halt zufälligerweise auch keinen schlechten Geschmack. Wie auch immer: San Francisco, Amsterdam, Sidney haben sofort geknallt.

  • So viel Meer in einer einzigen Stadt kann man gar nicht glauben. Sidney ist in Wahrheit keine Stadt, sondern eine einzige riesige Vorstadt (Sidney ist doppelt so groß wie Peking und sechs Mal so groß wie Rom). Das liegt daran, dass der Sidneysider es nicht ertragen kann, wenn er nicht in unmittelbarer Nähe des Meers wohnt - und deswegen ein kleines Einfamilienhaus zwanzig Kilometer vom Zentrum entfernt jederzeit einem Loft in einem Wolkenkratzer vorzieht. Ich glaube, ich habe einmal gelesen, dass 90 Prozent aller Bewohner einen Fussweg von zehn Minuten zum Meer haben. Wenn man da ist, sieht man vor allem: suburbs, die sich in die Buchten schmiegen, meilenweit. Und am Ende aller Strassen glitzert Wasser.

  • Wenn man Surfer wäre, fände man tagtäglich Wellen, von denen man sich gerne abwerfen lassen würde.

So ist das mit Sidney. Da möchte man gleich wieder hin. Und nicht mehr weg.





Draussen pisst es. Immer wieder. Zuerst stechen die Moskitos, dann beginnt der Wind zu wehen, und zehn Sekunden später ist der Regen da. So geht das ein paarmal am Tag, wie immer im November auf Koh Samui. Der Regen fühlt sich an wie flüssige Seide, ganz anders als jeder Regen, der sonst auf einen niedergegangen ist. Was nicht heißt, dass er nicht machtig wäre. Er IST mächtig. Aber er hört so schlagartig auf wie er beginnt. Zehn Minuten danach ist alles aufgetrocknet, und wir nehmen wieder unsere Positionen am Pool des Central Samui Beach Resorts ein.





Im Norden Thailands ist eine Initiative für illegale burmesische Arbeiter an die Öffentlichkeit getreten. Wie in jeder zweiten Nachricht geht es um das ingeniöse System von Korruption, das hier herrscht. Die Fabriksbesitzer holen die burmesischen Hungerleider ins Land, damit die für noch weniger Geld als Thais die Jobs erledigen, über die die Thais schon hinaus sind. Das geht nur, weil man sich mit der schlecht bezahlten Polizei arrangiert hat. Jeder weiß von den Illegalen, niemand unternimmt was gegen sie, jeder profitiert davon. In den Fabriken gibt es sexual harassment, gegen das sie sich nicht wehren können. Und am Tag vor dem Zahltag verhaftet die Polizei die Illegalen - damit die Fabriksbesitzer keinen Lohn bezahlen müssen. So läuft der Deal hier, Akkumulation von Vermögen, das irgendwann einmal legal sein wird.

In den letzten drei Tagen gab es eine Debatte darüber, ob es korrekt war, dem Golfspieler Tiger Woods, der eine Thai-Mutter hat, ein Ehrendoktorat in sports sciences zu verleihen, anlässlich seiner Teilnahme an den Bangkoker Johnny Walker Classics. die "Nation" meint, dass Tiger gut Golf spielt, hätte nichts mit seinem Thai-Sein zu tun. Die "Post" befand: Tiger hätte in allen Interviews klar gemacht, wie sehr ihm Thailand am Herzen läge. Nun ja. Man nimmt, was man kriegen kann.

Außerdem steht die International Space Station genau am 73. Geburtstag des Königs über Thailand. Nur, damit Ihr das jetzt wisst. War Aufmacher in der "Post" und in der "Nation" vor zwei Tagen. Es las sich, als stünde sie absichtlich dort. Ich habe nicht begriffen, ob die Amerikaner und die Russen sie hingeschickt haben, um den König zu ehren, oder ob der Geist des Königs sie über Thailand gebeamt hat.





Am 6. Januar sind in Thailand Parlamentswahlen. Gerade läuft die Eintragungsfrist für die Parteilisten, auf denen die einzelnen Parteien ihre Kandidaten bekannt geben. In den Berichten darüber - die alle plain to the facts sind - erfährt man über praktisch jeden wichtigen Kandidaten, welche Korruptionsuntersuchungen gegen ihn stattfinden oder stattgefunden haben, aus welcher Partei er in seine gegenwärtige gewechselt hat, für welche Bestechungen, Durchstechereien, illegalen Unternehmen, Geldwäschereien er schon mal bekannt war. Interessant dabei ist: Man erfährt das alles, und es scheint keine Wirkung zu haben. All diese Typen werden immer an der Macht sein, die einen oder die anderen, scheissegal. Insofern ist die Pressefreiheit hierzulande etwas merkwürdig Schimärisches: Es gibt sie, die Journalisten erfüllen sie mit Leben, aber so f***ng what? Mir scheint, dass die Thais ein wenig weiter sind als wir.