Ich will hier nicht ins Prinzipielle und Sinnhubernde gehen, aber doch die Feststellung riskieren, dass Medien tendenziell immer weniger mit der Realität (jenseits der Medien) zu tun haben, sondern immer selbst-referentieller werden. Selbst-referentiell meint: dass der Journalismus sich immer mehr auf Journalismus (andere Artikel, journalistische Quellen usw,) bezieht und seine Funde nicht mehr jenseits des Journalismus überprüft.
Es gab dazu an der Salzburger Uni ein spannendes Projekt:
"Es wird im Forschungsprojekt zu überprüfen sein, ob die folgenden vermuteten Trends eher für eine Autopoiesis (Selbsterhaltung) oder aber für eine Auflösung des Journalismus stehen: 1. Die zunehmende Virtualisierung der journalistischen Quellen (Stichworte: Online-Journalismus, WWW, APA-Online, Teletext etc.) 2. Die zunehmende Autologisierung der journalistischen Recherche: Journalistische Recherche erfolgt zunehmend über die Rezeption anderer journalistischer Produkte 3. Die steigende Kybernetisierung der journalistischen Organisation: Journalistische Arbeitsroutinen sind zunehmend auf Arbeitsroutinen anderer journalistischer Akteure hin orientiert 4. Die wachsende Selbstreferenz der Inhalte: Journalistische Inhalte verwenden zunehmend andere journalistische Inhalte und Aussagen als Referenzen 5. Die Metamedialisierung der journalistischen Medien: Journalistische Medien berichten zunehmend über andere journalistische Medien Diese fünf mutmaßlichen Trends können zusammenfassend als "Autopoietisierung", also als steigende "Selbst-Reproduktivität" und Selbsterhaltung des Journalismus bezeichnet werden. Ihr stehen Versuche der Fremdsteuerung des Journalismus (durch Wirtschaft, Politik, Recht und auch Wissenschaft) gegenüber."Auf der erwähnten Web-Page findet man auch Links zu einer Diskussions-Mailing-Liste und den Ergebnissen der Studie. Hochinteressant und milde verstörend, weil sich schnell der Alptraum eines geschlossenen journalistischen Systems einstellt, das seine urpsürnglichen Zwecke (nämlich über die "Wirklichkeit" zu berichten) ad acta gelegt hat und stattdessen andere Zwecke erfindet: die Produktion von Hypes und Thrills, guten "Stories".
Genau das passiert natürlich, und schon sind wir wieder bei der Börse, bei den inflationär gegründeten Old & New Economy-Blättern. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich dabei um nicht gerade an kühler Rationalität und profunder Sachkenntnis leidenden Magazinen, die gar nicht erst den Versuch unternehmen, ihren Lesern Wirtschaft zu "erklären". Stattdessen wird sie in "Chancen" umgedeutet: "Wie Sie jetzt doch noch Geld machen", "wie Sie den Crash überleben", "warum man jetzt einsteigen sollte" etc. Und die Quellen, auf die sie sich dabei beziehen, sind zweifelhafte ad hoc-Meldungen, PR-Meldungen, andere Magazine, die ihrerseits andere Magazine zitieren, ad infinitum.
So entstehen Hypes. Hypes vergehen auch wieder, das weiß man ja, insofern kann man es auch bleiben lassen, darüber nachzudenken. Mir allerdings stellen sich folgende Fragen:
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Wer gibt uns die Sicherheit, dass sich à la longue doch immer die (langweiligere) Mittelweg-Rationalität durchsetzt? (Mir fällt dazu nichts ein: statistische Fortschreibungen sind nicht wirklich rational).
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Ist eine Ökonomie denkbar, die nur aus Hypes besteht? (Think about it!)
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Stimmt die Vermutung: Je mehr Leute privat spekulieren, daytraden, auf ihren Reisen von Internet-Cafés aus ihre Depots umschichten, mit kürzeren buy-and-sell-Zyklen Gewinne "mitnehmen", desto wahrscheinlicher wird es, dass sie die Börse (also die National- und Global-Ökonomien) bestimmen - statt der rationaleren, in längeren Zyklen kalkulierenden, konservativeren, risikominimierenden klassischen Anleger?
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Wenn es immer mehr Leute gibt, die a. von Kapitaleinkünften leben (Erben, dot.com-Exiters usw.), b. viel Zeit haben, c. die Börse mit einer Party verwechseln, d. Thrills brauchen, e. kurze attention spans haben und f. gierig sind: Wie verändert das die Ökonomie, die Börse, die Party?
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Ist die Börse ein "beliebig skalierbares" Geschäftsmodell?