In Österreich tobt gerade einer der Skandale, von denen man seit Jahren hofft, sie würden die FPÖ Herrn Haiders für immer und ewig vernichten, und die einen seit Jahren belehren, dass sie die FPÖ und gerade das Haideristische an ihr umso stärker machen. Diesmal geht es darum, dass der Partei nahestehende Polizisten auf Veranlassung der FPÖ-Führung nachgesehen haben, was in den Polizeicomputern über diverse politische Gegner gespeichert war. Vielleicht nicht in jedem anderen Land, wohl aber in jedem zivilisierten Land wäre, was man bisher schon herausgefunden hat, Grund genug für den Rücktritt der Regierung, Parteiausschlüsse, Neuwahlen. In Österreich nicht. Das überrascht den nicht, der es kennt. Am unheimlichsten dabei ist, wie sehr der tollwütige Irrsinn der FPÖ dann doch immer nur eine realistische Einschätzung des österreichischen Nationalcharakters ist: Je übler sie pöbeln, desto genauer treffen sie die kollektive Seelenlage. - Gestern, bei einem Interview des FPÖ-Fraktionsführers Westenthaler, eines Mannes, der vermutlich auch bei einem Mahatma Gandhi unverzüglich Mordlust ausgelöst hätte, fiel mir zum ersten Mal auf, wie schön es allerdings wäre, wäre die FPÖ-Propaganda nicht die unverforene politische Lüge, die sie ist, sondern stattdessen die reine Wahrheit. Westenthaler nämlich sprach (obwohl es kein Sprechen war, sondern ein Bellen, ein Poltern, ein Pöbeln) von einer Verschwörung der "roten Brüder" gegen seine Partei. Ich habe eine solche Wendung schon lange nicht mehr gehört, seit Ewigkeiten nicht. Aber als er es sagte (und damit gleich auch die Brüderlichkeit verhöhnte) sehnte ich mich danach, dass es rote Brüder gäbe, eine Brüderlichkeit, die seinesgleichen verjagt. In ihren tollwütigen Ängsten weiß die FPÖ genau, woran sie scheitern müsste. Man muss ihr nur zuhören.






Der Skandal

"tobt" schon lange nicht mehr, er ist mit der Einstellung einiger Verfahren sanft entschlummert. Die Auffassung, dass der "tollwütige Irrsinn der FPÖ dann doch immer nur eine realistische Einschätzung des österreichischen Nationalcharakters ist", teile ich nicht. Überhaupt nicht.


Warum tun die Österreicher dann nichts gegen diese Partei? Warum bestimmt die FPÖ, und immer nur die FPÖ, die öffentliche Debatte dieses Landes? Addendum: Wenn man die Haiderei auf Österreich begrenzt und sagt, sie ist Teil des dortigen Nationalcharakters, dann lügt man sich nicht nur selbst in die Tasche, sondern man spielt auch das nationalistische Spiel dieser widerwärtigen Kreaturen. Haider, Blocher, Le Pen... das sind europäische Probleme, bei denen wir immer so tun, als wären es nationale Probleme. Das macht es so bequem, zu sagen: Schaut mal, die anderen haben ja 30% Rechtsextremisten... Wir sind ja viel besser. Sind wir aber nicht. Diese Fingerzeigerei hält nur die Grenzen aufrecht und genau das wollen diese Nazis. Fazit: AUCH ICH BIN EIN ÖSTERREICHER!


Trägheit, nehme ich an, bzw. (und das ist das eigentlich Erschreckende) Mangel an wählbaren Alternativen. Ich stoße mich an der Formulierung "FP-Irrsinn trifft Nationalcharakter" nicht wegen des Nationalen (das könnte man auch, klar), sondern wegen des Ausdrucks treffen. Da schwingt so diese Annahme mit, diese FPÖ-Rülpser würden Volkes Stimme sein oder treffend wiedergeben. Diese Annahme teile ich eben nicht. (30.4.1857)


hallo!

mal aufs datum gucken: 4.11.2000. kann schon sein, dass das jetzt nicht mehr tobt. ich übertrage gerade archiveinträge aus der vor-antville-zeit. mal sehen, was passiert, wenn ich beim 9.11.2001 angekommen bin....


Es hat sich

seither aber nichts geändert :)


schamhaftes

erröten. ich dachte zwar, ich hätte aufs datum geschaut (eben weils mir so komisch vorkam), aber wahrscheinlich habe ich doch wo anders hingeschaut. in die luft vermutlich. tschulligung.


scham ist nicht nötig.

das wahrnehmungsproblem liegt zum teil in antville: die update-liste rechts zeigt den zeitpunkt des updates (also heute), nur der beitrag selbst trägt den timestamp, den ich ihm zugewiesen habe... ich fand es übrigens gar nicht schlecht, kommentare zu einträgen von vor zwei jahren zu bekommen.