literary darwinism.

The universal fascination with fictions is a curious thing. If human beings were attracted only to true narratives, factual reports that describe the real world, the attraction could be attributed to utility. We might imagine that just as early homo sapiens needed to hew sharp adzes and know the ways of game animals, so they needed to employ language accurately to describe themselves and their environment and to communicate truths to each other. Were that the case, there would be no “problem of fiction,” because there would be no fiction: the only alternatives to desirable truth would be unintentional mistakes or intentional lies. Such Pleistocene Gradgrinds would be about as eager to waste linguistic effort creating fables and fictions as they would be to waste their manual skills laboring to produce dull adzes. We can speculate even that the enjoyment of fictions might have put them at an adaptive disadvantage against more Gradgrindish neighboring tribes: homo sapiens would in such a circumstance have evolved to react to untrue, made-up stories much as it reacts to the smell of rotting meat. Now as it happens, this speculation does not accord with facts: the human reaction to fictions, at least when they are properly understood to be fictions, is not aversion, but runs anywhere from boredom to amusement to intense pleasure. At this point we reach a fork in theory’s road. There are two issues to be distinguished. First, there is the adaptive usefulness of fiction, its functional benefits, from Pleistocene campfire stories to modern novels and movies. Second, there is the pleasure — and perhaps related felt satisfactions that are not well described as immediate pleasure — which the experience of fiction evokes.
[verrat der hypothesen an der wirklichkeit.]






Hm. Die Ansätze des radikalen Konstruktivismus scheinen an dem Mann vorübergegangen zu sein.


so einiges andere auch


ja, mag sein. und? die frage "warum ist storytelling so immens fascinating, pleasurable usw?" ist keine triviale. weiß aber nicht, ob der radikale konstruktivismus sie beantwortet, er ist auch an mir vorüber gegangen, ohne hallo zu sagen.


storytelling

ist deshalb pleasurable, weil die jeweilige story immer ein unikat ist, selbst das wiederholt gelesene buch wird ja anders (und in diesem fall ist auch die unterscheidung zwischen fiction und non-fiction m e nicht nötig)

ausserdem ist storytelling ja auch eine besondere form der hinwendung zu/von einem (mit)menschen

so ungefähr


wenn Sie das sagen. supertoll erkannt.


[dann sollte man es wiederbeleben]

a. ja, fand auch ich erstaunlich, aber vermutlich genau deswegen interessant. die idee, das lagerfeuergeschichten, small talk, einander geschichten erzählen und all so was wichtig sind für deie evolutionsgeschichtenerzählung, ist jedenfalls mir noch nicht untergekommen. was aber auch daran liegen kann, dass ich wenig ahnung habe über diese sorte welterklärung. ich weiß zwar, dass diese dämliche pop-evolutionstheorie, die darauf hinausläuft, dass das fieseste, stärkste, die anderen am geschicktesten verdrängende tier immer auch das beste vieh ist, meistens nicht das ist, was die forscher selbst verhandeln, aber man bekommt das selten mit. schon deswegen hab ich da aufgehorcht. hat einerseits etwas großzügiges (gargantua et pantagruel, gulliver, proust: evolutionär so wertvoll wie ein kleines steak, ein kleiner schraubenzieher usw....), andererseits natürlich auch das kleinliche, das einem an dieser art wissenschaft oft aufstößt (gib mir irgendwas, was dir spaß macht, und ich sage dir, dass es nur gattungsoptimierung ist). [machen andererseits die anderen wissenschaften auch, wenn sie in allem nur ihren kram wiederfinden, von den klassenverhältnissen bis zu den synapsen).

b. weiß nicht. evolutionstheoretiker müssten doch konzedieren, bilde ich mir ein (ohne davon ahnung zu haben, wie gesagt), das es geschichte und fortschritt gibt, die nicht mit der gattungsbildung abgeschlossen sind. die pop-versionen von evolution klingen zugegebenermaßen immer so, als würden wir alle immer noch eigentlich genauso handeln, empfinden, ticken wie die ahnen aus der vorsteinzeit, aber wenn ich das in meiner halbbildung korrekt mitbekommen habe, wird doch von den evolutionstheoretikern nicht behauptet, dass ihre geschichte mit den ersten menschen zu ende gegangen ist (und falls sie es behaupten würden, wäre es mindestens unlogisch).

c. ich befürchte, das habe ich jetzt nicht verstanden.


[ Jetzt neu; Diskutieren in Kommentaren erlebt Renaissance!] Hier findet sich ein ähnlich reduktionistischer Versuch, der eine einzigartige Funktion von Fiction behauptet, ethisches Wissen (im Sinne von: was sind die Optionen in bestimmten Situation, und welche haben welche Konsequenzen) zu speichern und weiterzugeben, und damit eine Nützlichkeit annimmt. Erklärt das die Pleasure? Nein, aber sowas kann immer ein Side-Effect sein, und muss nicht vom späteren Auslöser selektiert worden sein.

Das mit dem Datensatz ist mir zu unnötig computermetapherig (und "wir" haben oder sind keine neuronalen Netze, das ist ein Kategorienfehler). Ausserdem denke ich schon, dass es eine Pathologie wäre, den Unterschied zwischen etwas erlebtem und etwas erzähltem nicht zu kennen. Ob oder wie dieser Unterschied ein neurologisches Korrelat hat, ist interessant, aber hier irrelevant.

(Anderes interessantes Thema: dieser Pop-Trend, immer gleich ins Gehirn zu hüpfen, und zu schauen, wo es blinkt, wenn man eine Dose Cola sieht und kaufen möchte. Als ob die höheren Analyseebenen auch nur ansatzweise geklärt wären.)


oh. nicht whatever. ich wollt doch noch was dazu sagen.


"Carroll’s behavioral systems form discriminable contexts for the operation of cognitive modules, the individual blades and pop-up tools of the Swiss Army knife metaphor of mind: “For instance, the cognitive module of vision — edge and motion detection, color, depth, etc. — would be activated within the technological behavioral system and survival system. ‘Face recognition’ modules would be activated within all interpersonal behavioral systems (mating, parenting, kin, social interaction).” He also thinks it likely that the brain has specific modules “geared to the construction of narratives and the recognition of aesthetically pleasing verbal patterns,” and that these modules would be intrinsic to the cognitive behavioral system."

Es würde mich interessieren, ob dieser Aspekt der Carrolschen Theorie, deren "behavioural systems" und "cognitive modules" scheinbar aus der Evolutionspsychologie kommen, irgendeine neurowissenschaftliche Grundlage hat. Mir kommt schon vor, als würde das in dieser Theorie behauptet oder vorausgesetzt werden, zumindest auf der Basis von dem, was in der Rezension zitiert ist. Lässt die Organisation des menschlichen Hirns also auf besagte "Module" schließen, oder lässt sie sich zumindest so begreifen, dass sie die Existenz der "Module" irgendwie abstützt, oder ihr zumindest nicht widerspricht? (primitiv gedacht: Hirnlappen Susi ist zuständig für Erzählung, Hirnlappen Strolchi für Erzählungsgenuss, und beide sind für sonst nix zuständig, oder aber eben auch nicht; komplexer: Hirnlappen Susi, Strolchi und Mickymaus aktivieren sich bei Erzählung und Erzählungsgenuss gemeinsam und vielleicht auch in anderen Situationen. Oder vielleicht reicht auch einfach, dass, wie die Hirnlappen funktionieren, mit den Modulen eh nix zu tun hat, weil andere Baustelle, keine Ahnung).

"It strikes me that Carroll and Pinker are both correct to some extent about all fiction, with each more correct than the other about different subclasses. Pinker is most right about popular, effects-driven blockbuster movies, TV, and cheap thrillers. Carroll is most right about high art, the classics whose values endure across generations, the “best that is known and thought in the world.”

Das finde ich an dem Text vielleicht noch interessanter, oder auffälliger: Wie Voreinstellungen über die Bewertung kultureller Produkte die Richtung wissenschaftlicher Hypothesenbildung beeinflussen.


Hybris, nebenbei, prinzipiell anzunehmen, der Mensch sei soweit gelungen und deshalb sei alles, was wir so machen, der erfolgreichen Gattungsoptimierung zu verdanken (-> self-fulfilling prophecy). Ist ja auch durchaus möglich, dass Geschichtenerzählen in seiner heutigen Form eher sowas ist wie der Säbelzahn des gleichnamigen Tigers, eher eine nutzlose Überentwicklung oder Zierentwicklung ist, die nicht mal so total gut bei der Brautschau hilft. Vielleicht sterben wir ja sogar in ein paar Jahrtausenden wegen übertrieben Fabulierens aus (gingen nicht mehr vom "campfire" weg, um Essen zu holen). Wäre nicht der schlechteste Grund.


@katatonik, re. Module: manche sind ziemlich eindeutig identifiziert und lokalisiert, Vision z.B. Bei den anderen springt er plötzlich eine Ebene: um Bestandteil einer psychologischen Theorie zu sein, muss ein story-telling module nicht auch genau lokalisierbar oder auch nur identifizierbar (im Sinne von: das macht dieses und nichts anderes) implementiert sein. Es schadet nichts, wenn man später entdeckt, dass man die Funktionsweise der angenommenen Module herunterbrechen kann auf elementarere Funktionalitäten (Kompositionalität, Rekursion, etc.), und für diese Mechanismen findet. (Dazu noch: der Lokalisierungsdrang ist ein Überbleibsel der Phrenologie -- bisher sehr erfolgreich (Broca'sches Areal, V1-4 etc.), aber vielleicht nicht the way forward.) Anyway, solche Module zu postulieren ist eine andere Analyseebene, und durch direkte Korrelation ist nichts gewonnen.

Wo ich gerade dabei bin: ich finde, die Geisteswissenschaften (von Philosophie über Literatur über Linguistik bis hin zu Psychologie) sollten sich nicht von der Neurologie als neue Leitwissenschaft an die Wand drücken lassen. ("Gibt es einen freien Willen? Ja/Nein/Vielleicht.") Das kann auf beiden Seiten niemand wollen.

Und wo ich den Text gerade nochmal lese: ich glaube, ich gehöre zum Cheesecake Camp. Three cheers for cheesecake!


Ja, und ich glaube, dass in den seltensten Fällen es etwas bringt, sich "die Neurologie des xyz" anzuschauen, weil xyz häufig ein theoretischer Begriff aus einer Theorie ist, die sich mit anderen Dingen befasst. Und was dann meist mitgenommen wird, sind grotesk vereinfachte Behauptungen, die eine schon vorher gehaltene Meinung unterstützen sollen. Was natürlich nicht heissen soll, dass sich nicht prinzipiell alle Theorien über den Menschen naturalisieren, also auf Aktivitäten des Gehirns zurückführen lassen sollten. (Womit es allerdings andere Theorien werden, die einem vielleicht nichts Wissenswertes mehr sagen.) Aber bis das mit irgendeiner higher-level-Theorie funktioniert (und sei es nur "Memory"), wird noch, erm, viel Kontrastmittel gespritzt werden.

Nochmal @katatonik: Ja, finde ich auch, das Ende ist ziemlich have your cheese cake and eat it: alle haben irgendwie recht, Gute Zeiten Schlechte Zeiten = Koks, Proust = Faustkeil + Sex.


@der: mich deucht, Sie haben Ihre eigenen einstellungen, befürchtungen in sachen neurowissenschaften, mit denen Sie schon recht haben mögen, aber ehrlich gesagt interessieren mich leitwissenschaftsdiskussionen nicht so wirklich.

den schluß des aufsatzes fand ich nicht unter dem gesichtspunkt einer have-the-cake-and-eat-it-konklusion interessant, sondern die art und weise, wie der rezensent dahin kommt: indem er pinker und carroll hoch- und trivialkultur zuordnet und Ihnen so Ihre spielwiesen lässt. das ist wirklich atemberaubend daneben.

ich bin mir beim lesen der besprechung nicht sicher gewesen, wie eigentlich carrolls evolutionspsychologie überhaupt neurologische fakten verwendet, und welche davon. die zitierten und referierten theoriekomponenten scheinen mir recht vage, nicht ausreichend explizit. es liest sich so ein bisschen, als würde sich ein psychologe mit berufung auf hirnforschungstheorien legitimieren, adeln wollen, uns aber nicht verraten, wie das genau läuft (vielleicht tut er das aber deshalb nicht, weil das in der evolutionspsychologie, von der ich zu wenig ahnung habe, schon zum kleinen einmaleins gehört.) Sie sehen, ich habe hier eher ein verständnisproblem, und keine meinung.

natürlich sind "system" und "modul" konzepte und teil einer theorie, da haben Sie recht, aber daraus folgt ja nicht, dass es außerhalb der theorie nichts gäbe, was sich mit ihnen bezeichnen oder durch sie erklären ließe. man muss ja aus der einsicht, dass sich kulturelle phänomene nicht durch eine reduktionistische erklärung in nervenimpulsen auflösen, nicht folgern, dass kultur mit nerven gar nichts zu tun hat. (ebensowenig, wie daraus, dass etwas eine soziale konstruktion ist, folgt, dass es unwirklich wäre.)


Ja nee, alles, was der Mensch tut, hat mit Nerven zu tun. Aber bis man da angekommen ist, komplizierte Praktiken wie "storytelling" mit Nervenaktivitäten zu korrelieren, ist einem aus dem, was man eben noch als "storytelling" bezeichnet hat, etwas ganz anderes geworden, und niemandem ist damit geholfen, es noch so zu nennen. (Aber hat in der Tat mit dem Buch nicht so viel zu tun, war nur ausgelöst durch nonchalante Erwähnung von neuronalen Netzen und Gedöns, und durch Prominenz des Willensfreiheitszeugs in der FAZ kürzlich, also alles nichts, wofür dieses Weblog etwas kann.)

Die Konklusion in der Review geht auch schon logisch nicht so gut: wenn die Positionen wirklich so unterschiedlich sind, dann können eher nicht beide Recht haben. Jetzt würde ich aber gerne das besprochene Buch lesen --- das Amazon immerhin bereit wäre, in ein bis zwei Monaten zu liefern.


"evolutionstheoretiker müssten doch konzedieren, bilde ich mir ein (ohne davon ahnung zu haben, wie gesagt), das es geschichte und fortschritt gibt, die nicht mit der gattungsbildung abgeschlossen sind."

Das tuen die vernuenftigen schon, glaube ich. Bloss behaupten sie auch, glaube ich, dass die verhaeltnismaessig junge H. sapiens Gattung noch keine evolutionaer grundlegenden Verhaltensaenderungen entwickelt haben koennte. Sondern eben das die grundlegenden Verhaltensmoeglichkeiten wohl einprogrammiert sind und irgendwie vorteilhaft waren.

Geschichten zu erzaehlen, heisst vielleicht Lehrbeispiele aus der Erfahrung zu sammeln, und sie dann griffig und ..umm.. memorably.. an den Kleinen um den Feuer weiterzugeben. Diese Gabe ist sowohl vorteilhaft als auch unterhaltsam, sowohl biologisch bedingt als auch erlernt, geuebt, und ueber die Generationen angereichert. Das waere doch auch schoen.


demütly vorschlaging und

außerdem kommentierend ohne richtig gelesen zu haben, den aufsatz, verzeihung, folgendes:

in life most people would regard it as futile to guess one s future by figuring what would make an effective story and would smile at someone who imagined himself invulnerable on a given occasion because otherwise his life would make no sense, but in reading literature this way of thinking is often justified and typically used. <<

gary saul morson: narrative and freedom. the shadows of time.

oder (auch): kontinuitäten. poros und penia. eine kopplung von zielstrebigkeit und mangel, oder: eine dialektik aus mangel und folgerichtigkeit.

like this:

allen kontinuitäten eignet das paradox, dass sie wohl in ihren ursprüngen vollkommen arbiträr sind, dass es vor ihren teleologien jedoch kein entkommen gibt. wir kennen das so gut aus der erfahrung dessen, was wir mit einem so hübschen oxymoron als unser liebesleben bezeichnen, dass die literarischen entsprechungen des phänomens kaum der demonstration bedürfen. <<

bloom: topologien des fehllesens.