thor kunkel hat auch eine website. auf der lässt er sich von stern, spiegel, fr, focus, buchreport und zeit loben, kündigt er die hörbuch-fassung von brief an hanny porter ("neu! ab september 2002!") an, fotos aus dem mojo club und dem goethe institut, backgroundposerfoto: hose mit daumen runtergezupft, kein schamhaar, aber ein bißchen gestrüpp auf der brust, freilich schütter, walser-quote über kunkel aus der taz, europäischer nomade, leviswerbung, branche, friedhoffoto,rowohlt-kontakt, schopenhauer zeitlos wie eh und je, vitalismus, müsst einen nicht wundern, wenn das sauerstoffangereichertes wasser, rafting-kurse, energetisierende augenfaltencreme wäre.
ok er hat ne vernachlässigte homepage. ok er ist ein poser. ok in interviews sagt er dummes zeug. aber ein gutes buch zumindest hat er auch geschrieben. heißt schwarzlichtterrarium. ein mackerbuch (insofern stimmt die selbst-stilisierung auf fotos usw.) trotzdem gut.
ich wart mal ab bis das dings erscheint.
Ich hingegen hab keine Lust mehr, mich verarschen zu lassen. Keine Geduld mehr mit diesen Strategen, die von anderen Standards der Kritik einfordern, die sie nie einhalten würden. Das letzte, was ich diesem Kunkler zollen will, ist der Respekt der Ausgewogenheit. Zur Forderung "Erst lesen, dann urteilen" schrieb ich anderswo:
"Ehrlich? Alle 700 Seiten? Vielleicht auch noch den >Beitext< in der Unter-der-Hand-extra-schweinisch-und-teuer-Version? Die andern beiden Romane von Thor Kunkel, würden die nicht ein völlig anderes Licht auf seine Endstufe werfen? >Bild dir doch erst mal ein Urteil. Lies doch erst mal alle 350 Bände von Rudolf Steiner, dann kannst du urteilen.< Ob der Spiegel und der Fest hier eine Nummer mit Kunkel abziehen (evtl. wg. Vertragsfragen, denkbar wäre das), ist mir so egal wie die Frage, ob Schirrmacher auch komplizierte Bündnisgefechte mit dem Text austrug, in dem er "Tod eines Kritikers" zurückwies. Der Text hat den Inhalt weitgehend korrekt beschrieben, und anhand der bisherigen Auftritte Kunkels, die haargenau die Provokationsstrategie Walsers nachahmen, gehe ich davon aus, dass Broders Artikel sachlich ebenso korrekt ist."
Ansonsten, wie immer in solchen Fällen hilfreich: Benjamin.
kunkel argumentiert ja gerade, dass fest bei seinem treffen mit broder stellen vorgetragen hätte, die er selbst mittlerweile wieder gestrichen hatte. mein erster gedanke dazu war natürlich: dass es darauf nicht ankommt; der gedanke war gedacht, so leicht sind die deleaturs nicht zu haben. auch sehr auffällig in dieser angelegenheit: die betonung des lektorats in dem einen oder anderen artikel. dass es der job des lektorats wäre, kunkel zu retten, unangreifbar, debattentauglich, gerade noch erträglich dosiert zu machen. der lektor als präventivabwehrwaffe gegen alles mögliche: die umstandslosen verurteilungen im feuilleton, die justitiare, die zweifel derer, die dann in die literatursendungen einladen usw. der gedanke, ein lektor wäre dazu da, autoren "vor sich selbst zu schützen". merkwürdige auffassung vom lektor, der halt das feintuning fürs target marketing besorgen soll ("debattentauglicher roman"). merkwürdige auffassung vom werk. als ob es um stellen ginge.
mein erster gedanke dazu war natürlich: dass es darauf nicht ankommt; der gedanke war gedacht, so leicht sind die deleaturs nicht zu haben. Aber natürlich kommt es darauf an. Denk das mal weiter: Das hieße doch, dass du nichts, was du einmal, und sei es zur Probe gedacht oder für dich selbst aufgeschrieben hast, je ungeschoren als blöd falsch etc. verwerfen kannst. Was bleibt denn da an Literatur übrig? Schablonenliteratur, Pauspapiergeschreibe. Angsthasengeschichten. (Nein, ich kenne weder K. noch eins von seinen Büchern.)
mein fehler: war unpräzise, viel zu, geht so nicht in dieser verallgemeinerbarkeit. sorry.
es geht um fälle wie diesen, & fälle ist ein blödes wort. um das probedenken, zuendedenken, grausamdenken, wie immer man es nennen will. die rollenprosa, und das sich ihr überlassen. diesen mechanismus, der dabei fast immer zu beobachten ist. der leser (kritiker oder nicht), der dem rollenprosaisten die reden, taten, empfindungen der figuren vorhält; der autor, der dem leser übel nimmt, die figur für den autor zu nehmen; die meta-debatten, in denen einem die differenzen zwischen autor und werk und figuren erklärt werden; die verteidigungslinien (frühfassung, nicht autorisiert, zurückgenommen); die eigenen lektüreerfahrungen (auch wenn xy hundertmal sagt, dass er es so nicht gemeint haben will, ahnt man, dass er es mindestens so ähnlich gemeint hat); die eigenen schreiberfahrungen (das erschrecken über das zur probe gedachte, das sich nicht wirklich schlichten lässt dadurch, dass es nur zur probe gedacht war); die skepsis gegenüber einem verfahren, zu dem es gehört, erst einmal, was man zur probe gedacht hat, herumzureichen und zu sehen, was andere damit machen, ob es bei anderen geht, schauen, ob man durchkommt damit, wenn man nicht durchgekommen ist, sagen, man hätte das eben ermitteln wollen. und auch: nicht so schnell bereit sein wollen, literatur im bedarfsfall nur als literatur auszugeben, als etwas, das eben <i<kein sachbuch (kinkel) ist, als ob es etwa nicht auf die effekte und affektmodellierungen ankäme.
der schluss Deines einwands (angsthasenliteratur): nope, I don't think so.
auch wenn xy hundertmal sagt, dass er es so nicht gemeint haben will, ahnt man, dass er es mindestens so ähnlich gemeint hat - Ja, so war es auch bei Murten Wurzler. Aber es muss ja nicht beim Ahnen bleiben. Interessant ist doch in so'm Fall, wie dieser Eindruck entsteht. Und da braucht es eben oft gar keine Vorannahmen über den Autor, keinen Eindruck von Skandalen usw. Warum das Argument Rollenprosa zB bei T. e. Kritikers nicht überzeugt, warum die Figuren Papphanseln ihres Autors sind, lässt sich am Text selbst gut zeigen. Ich fand das damals irgendwie beruhigend, dass das Ressentiment einen so schlechten Text hervorbringt. Gut möglich, dass das bei Kunkels Roman auch so ist.
skepsis gegenüber einem verfahren, zu dem es gehört, erst einmal, was man zur probe gedacht hat, herumzureichen und zu sehen, was andere damit machen - Klar. Das Dumme ist, dass es (nach meinem Eindruck, und jetzt mal jenseits von Kunkel) eine Menge (gerade junger) Autoren gibt, die vielleicht ganz gut schreiben können, aber ansonsten einen relativ engen Horizont haben. Die sind drauf angewiesen, dass jemand sagt: Guck mal, dasunddas, das könnte soundso aufgefasst werden. Der Buchmarkt wäre wesentlich übersichtlicher, wenn nur die veröffentlichten, die voll Herzensbildung und Adorno sind. (Ob die Bücher interessanter wären, bezweifel ich.)
(btw: Irgendwie erstaunlich, dass wir uns an so einer marginalen Sache derart abarbeiten, während wir so einen Massenfaschodreck wie das "Judas-Game" nur noch achselzuckend hinnehmen. - No punch nirgends hin, fiel mir nur grad so ein.)
ich mag nicht
lebensläufe, wo steht sohn eines ... und sohn einer ... ich mag auch kein webseiten, wo die typo verschwimmt (das mit dem alias, da) und erst recht keine wo die MSword-um-brü-che im fliesstext drinne hängen. das muss man doch sehen. ich dachte das thema von dem buch wäre gut, aber mittlerweile glaubich der stinkt genauso wie die anderen
Sie sind
allesamt recht böse heute. War was?
Ich bin erst ab Freitag wieder böse. Bis dahin bin ich glücklich.
Mich würde es sowieso nicht wundern, wenn der Verlag letztendlich das Buch dennoch herausbringt, dieses ganze Gesummse nichts weiter war als ein Marketingcoup. Wieviel mehr Leute kennen jetzt den Kunkel.
An der Homepage kann ich allerdings nichts Bemerkenswertes entdecken: Design à la Kleinunternehmen, vermutlich selbst entworfen. Jede andere Autorenhomepage hat gleichen Inhalt (inkl. Fremdlob), nur vielleicht hübscher. Außerdem stimmt es: Poser, na und?
das interessante dabei ist doch: ich, autor, mittelpunkt, urheber, opfer, was weiß ich denn, einer heftigen debatte, eines skandals. da könnte mir eine homepage helfen. der offene brief, den ich geschrieben habe, die interviews, die ich gegeben habe, meine sicht der dinge. oder so ähnlich. wäre jedenfalls naheliegend. wann bräuchte man seine homepage dringender?
Da möchte ich zu Bedenken geben, dass die Affäre durchaus eine juristische Dimension hat. Da kann man nicht so einfach Dinge zur Affäre ins Netz posten.
Vielen Schreibern ist ihre Website fremd. Da kam mal ein Kumpel, hat was gestrickt, und die Aktualisierung passiert nur noch sporadisch. Der Kumpel hat ja auch zu tun, und man kann ihm nicht alle zwei Tage den aktuellen Stand schinken, damit er das html-isiert und aufspielt. Die Kunkel-Seite sieht insgesamt ziemlich räudig und überholt aus.
Form follows function. "Im MS-Frontpage-Code spiegelt sich meine innere Zerrissenheit."
Vielen Schreibern ist ihre Website fremd?
Ist das nicht ziemlich ziemlich merkwürdig? Und auf eine sehr traurige, sanatoriumshaft unangenehme Weise weltfremd?
@Poser: Ehrlich gesagt: Gibt es etwas schlimmeres als Posertum? Sagte man dazu nicht früher 'Geckenhaft'? 'Verlogen'? 'Heuchelei'? heutsehrgrundsätzlichsei
Das Büchlein kommt raus, und zwar bei Eichborn. Im April/Mai heißt es.
Als "Internetbürger" überschätzt man oft die Bedeutung von Webpages. Ich gebe bov Recht. Der Löwenanteil des Lebens spielt sich immer noch offline ab. Insofern ist es vielleicht verständlich, dass Kunkel sich darauf konzentriert, Zeitungsinterviews zu geben.
@mediumflow: Natürlich ist Posertum schrecklich. Vielleicht ein schlechtes Zeichen, dass ich solches nur noch mit einem Achselzucken abzutun versucht bin.
@mediumflow: Warum soll das merkwürdig sein? Klar, viele lassen sich was bauen. Aber selbst sich ins Netz zu begeben, jenseits dieser Webseiten-Reklametafel; mit Leuten zu mailen; bei dem, was man tut, das Netz mitzubedenken usw.: Das braucht doch ganz schön viel Zeit. Die wollen oder können viele nicht aufbringen. Weltfremd find ich das nicht, eher im Gegenteil sehr realistisch.
Realistisch? Wahrscheinlich. Nur merkwürdig, weil doch das Netz ein genuines Textmedium ist. Und das nicht zu begreifen, setzt schon ein ganz gehöriges Maß an Realitätsverleugnung voraus, nicht? - Erinner mich da mit Kopfschütteln an einen befreundeten Naturwissenschaftler, der allen Ernstes vor ein paar Jahren meinte, Emails würden sich ja eh nie als Medium durchsetzen... Wenn der wüßte, wie die internationale Kommunikation der scientific community indes tatsächlich funktioniert. - Mir scheint eher, dass des Netz extensiv eh nur von Schriftmenschen der unterschiedlichsten Provenienz, Herkunft, Neigung und Berufstätigkeit genutzt wird. ;-)
Netz ein genuines Textmedium - Hm, hm. Nein, ja, jein. Genuin vielleicht in dem Sinn, dass es früher mal nur Text transportieren konnte. Das Netz ist: Reden. Erreichbar sein. Das lenkt einfach von der Arbeit ab, lenkt von jedem größeren Bogen ab usw. Um aber wahrzunehmen, wie geschrieben wird, wie Texte heute aussehen (und daran sollte natürlich jeder Schreiber interessiert sein, weil er einfach an jedem sprachlichen Material, das uns umschwirrt, interessiert sein sollte) - dazu reicht es völlig, sich einfach lesend durchs Netz zu hangeln. Ganz netzabstinent ist heute eh niemand mehr, der beruflich am Schreibtisch sitzt.