Zur Abwechslung und von Herzen etwas Nützliches auf dieser Station: Haruki Murakamis Roman "Naokos Lächeln". Es ist, soviel ich weiß, der erste Roman, den er geschrieben hat, sein erster Bestseller jedenfalls, danach war er berühmt. Ich habe, als ich in Tokyo war, die zweibändige englische Ausgabe der Kodansha English Library namens "Norwegian Wood" gekauft (mit einem idiomatischen Anhang, in dem Wendungen wie "like a corpse" und "I can keep you safe from the darkness and dreams" aufgelistet werden) und ein paar Tage lang in jeder freien Sekunde süchtig und zunehmend verwirrt gelesen, in irgendwelchen Nudelsuppenläden, im Meji Park oder auf der Yamamoto Linie im Kreis fahrend. Vielleicht liegt es ja daran, dass mir dieses Buch bis heute als das umwerfendste von Murakami vorkommt, aber es könnte auch am Buch liegen. Es ist nicht sein bestes (das ist zweifellos Mr. Aufziehvogel), aber es ist sein jugendbeseeltestes, hungrigstes. Ein Erwachsenwerdenbuch, und man merkt, von wie vielem man Abschied nehmen muss, wenn man zum Erwachsenwerden gezwungen wird. Es geht darin um ein unglückliches Mädchen, eine unglückliche Liebe, den Tod, und während man es liest, taumeln einem alle unglücklichen Lieben, von denen man selbst gebeutelt wurde, wieder in die Erinnerung, bis man irgendwann, noch weit vor der letzten Seite, gar nicht anders kann als loszuheulen. (Oder in den Meji Park zu gehen, eine Münze in den Schrein zu werfen und zu beten. Oder wenigstens zu tun als ob. Und anschließend loszuheulen und sich mit viel Sake zu betrinken). Lasst euch um Himmels willen nicht davon abschrecken, dass Murakami seit fünfzehn Monaten von allen möglichen Deppen gepriesen wird (Sibylle Berg und Reich-Ranicki, die peinigendsten Lobredner, die man sich vorstellen kann, und Murakami hat sie beide, und natürlich fanden sie sein einziges wirklich schlechtes Buch, die "Gefährliche Geliebte", ganz dufte). Er kann nichts dafür - er wird euch umwerfen, es werden Bücher sein, die stärker sind als ihr glaubt, vertragen zu können, ihr werdet dankbar sein, sie gelesen zu haben.