Gewiss, nach ein paar Tagen schafft es wieder vor allem eines: zu nerven. Fortuyn, Möllemann, Walser. Erregungsschübe, die sich alle wieder abregen. Ein paar Dutzend Mal wird gesagt, was zu sagen ist, man sagt es selbst einige Male, und schon setzt wieder die Selbstverachtung ein. Selbstverachtung dafür, dass man diese Erregungsschübe nicht einfach ignoriert. Sie werden ja schon vergehen. Und man weiß ja: Je öfter man Möllemann sagt oder Walser, desto mehr trägt man zum Eindruck bei, sie wären wirklich wichtig - statt, wie man es für sich selbst schon längst beschlossen hat, unter dem Niveau jeder Kritik. Es ist ja das Perfide an all diesen Erregungen, dass man durch ihre Kritik immer nur zu Weiterverbreitung dessen beiträgt, was eingedämmt werden sollte. Also sollte man sich besser gar nicht erst einlassen mit all dem. Man gerät dabei nur an Leute, mit denen man sich nicht im selben Raum aufhalten will. Und wenn man sich einlässt auf sie, macht man nie gute Figur, man hat es oft genug an sich selbst konstatiert. 2002 noch gegen so etwas Schäbiges, Vulgäres, Enges zu argumentieren wie es schäbige, enge und vulgäre Ressentiments sind, kann man nur zum Preis der Selbsterniedrigung anfangen. Das Niedrige merkt man sich dann selbst immer sofort an.

Das ist das eine.

Das andere geht ungefähr so.

Es hört einfach nicht mehr auf. Neulich haben sie wieder einmal die Beneschdekrete durchgenommen. Einfach so. Ohne dass es dafür irgendeinen anderen Anlass gegeben hätte als jenen immergleichen - das schäbige Innenleben von Nationalisten, in denen die Geschichtsgefühle rumoren. Davor waren die Muslims dran, die deswegen problematisch sind, weil sie sich nicht integrieren, und deswegen verdächtig, weil sie sich assimilieren und möglicherweise Terroristen sind. Ach ja, und die Massaker der israelischen Armee, die es nicht gegeben hat, aber nachgedacht darüber, warum man so schnell die Propaganda der einen glaubt und die der anderen nicht durchschaut, hat man natürlich nicht. Die Leitkultur, der Nationalstolz, die neue Rolle in der Welt, die Humanitären Einsätze, das endlich Normale, das Wir in Deutschland auf den SPD-Plakaten, die Gabi-Zimmer-Sprüche über den deutschen Nationalstolz. All das. Alle zehn Minuten, zehn Tage. Wenn es gerade nicht auf Sendung ist, weiß man, dass es sich nur um eine Sendepause handelt. Das kleinliche Herumgezicke gegen die schwulen Ehen, die Guido Knopp Geschichtsschau, in der die Opis wieder vom Krieg erzählen dürfen. All das, unaufhörlich, eine Art Strom, der immer breiter fließt. Es kommt einem jedenfalls so vor. Man sagt eigentlich nur noch jedes dritte Mal etwas dazu und eigentlich nur noch auf den Meta-Ebenen. Wenn sie wieder einmal davon beginnen, dass man es nicht sagen dürfe, weil irgendjemand verböte, es zu sagen, während es doch einem dauernd in den Ohren summt. Als hätte man einen Hörsturz und so ein Tinnitus-Geräusch. Nur darüber sagt man also noch überhaupt etwas, stellt Fragen, von denen man sich erhofft, an ihrer Beantwortung würde sich es selbst widerlegen, man geht ja aus irgendeinem Grund noch davon aus, dass noch die üblichen Regeln der Logik und des Argumentierens gelten. Man versucht dahinterzukommen, worum es eigentlich in all dem geht, das ist ja das Rätselhafteste daran; was so ein Nationalist eigentlich haben will, und was er davon hätte, wenn er stolz sein dürfte, antisemitisch, normal, weniger Muslims im Lande, Kinder statt Inder oder eine Entschuldigung für die Beneschdekrete. Irgendeiner wird einem das schon sagen können, denkt man sich, aber es sagt einem keiner, wahrscheinlich wissen sie es selbst nicht.

Und dann fragt man sich wieder: Dazu wirklich nichts sagen? Denn wenn man nichts sagt, wird es immer wieder so weitergehen, immer noch eine Umdrehung mehr, immer noch eine neue Schäbigkeit. Oder würde das aufhören, wenn man nicht widerspräche? Und sollte man es darauf ankommen lassen, die Wirklichkeit den Beweis dafür antreten zu lassen, dass das alles eh nicht so gemeint ist, dass es nur darum geht, dass die sich endlich mal ausmähren wie in so einer Art Urschreitherapie? Oder soll man versuchen, um den einen oder anderen von denen zu kämpfen, vielleicht kann man den ja davon überzeigen, dass er Unsinn denkt, vielleicht hat er ja noch dieses Vertrauen zu Argumenten, das man selbst noch, recht muffig, aber immerhin immer noch teilt - und wartet einfach auf die besseren Argumente und ließe sich von ihnen auch überzeugen? Aber wie soll man das machen, mit Leuten, die sich selbst sagen, es ginge ihnen nur darum, etwas sagen zu dürfen, was sie eigentlich selbst gar nicht sagen wollen, aber halt ums Recht dazu? Und die auf den Einwand, sie hätten dieses Recht doch erwiesenermaßen schon längst, sich auf Eindrücke, Empfindungen, einen Groll berufen, die alle völlig inkommensurabel gegenüber Argumenten sind? Was soll man mit Tabubrechern machen, die Tabus brechen wollen, die schon längst keine mehr sind, und das auch nur prinzipiell, aufgrund eines angeblich demokratischen Rechts darauf, Tabus brechen zu dürfen?

Keine Ahnung. Ich weiß nur: Freude macht das nicht. Okay, Politik muss das ja auch nicht. Aber ist es nicht sehr deprimierend, dass einem nichts mehr einfällt, was einem an Politik auch nur annähernd Freude machen könnte.






kein

Kommentar bis jetzt. Ich kann mich dem nur anschließen. Mir macht es auch keine Freude aneinander vorbeizureden. Da halte ich es doch lieber mit dem Hans Magnus. Ich werde das Buch von W. auch nicht lesen. Wie keines der vorherigen auch. Das Leben ist zu kurz für solchen Kleinkram. Aber inzwischen kommst Du mir doch wirklich ein bisschen vor wie der Ritter von der traurigen Gestalt. Kein Windmühlenflügel zu schade, um gegen ihn anzureiten. Wo nimmst Du nur die Energie her?


Besser Ritter sein

als Windmühlenflügel.


Wenn ich wieder einmal so weit bin, nichts mehr sagen, auch überhaupt nichts mehr hören zu wollen, kommt manchmal so eine Praschl-Selbstauskunft wie diese. Bis morgen, bis übermorgen vielleicht, fühle ich mich dann mit republikanischer Zuversicht ausgestattet, bis hin zur Wiederbelebung der gern verworfenen Einsicht, dass es die kleineren Übel in der Demokratie wirklich gibt. Einverständige Zeitgenossenschaft spüren, Anleihen in politischer Reflexion nehmen, das geht, so unmittelbar zur Sache und ohne die professionellen Verwarztheiten des Zeitungskommentars, oft nur bei diesem Praschl, den ich nicht eigentlich kenne, auf dessen Bekanntschaft ich aber nur sehr ungern verzichten würde.

P.S.: Jetzt will er sich mit Gürtler, voluntierender Demonteur Schirrmachers und Verfasser eines Buches "über die ökonomische Perspektive Deutschlands im gerade begonnenen Jahrzehnt" (darauf haben wir gewartet!) duellieren. Passt nicht zu meiner Projektion, verspricht aber ein netter Zeitvertreib zu werden.


danke dafür,

sehr verlegen, nicht verdient. den herrn gürtler kenne ich sehr lange, und er ist auf seine mich sehr irritierende weise sehr intelligent, deswegen erhoffe ich mir vom debattieren mit ihm einiges für mich, ich kann ja seinesgleichen positionen bisher nicht im geringsten verstehen. mag sein, dass es daran auch nichts zu verstehen geben wird, aber herausfinden würde ich es gerne.


das wäre ein thema

wieso werden die wahren themen in deinem blog vernachlässigt? du vergeudest deine und unsere zeit mit pseudodebatten, wo es nur darum geht wer gerade der schlauere idiot ist. demnächst werden zumindest nach eu-gesetzen alle surfer und e-mailer u.a. überwacht werden. orwell's big brother will be watching us. das ist ein politisches thema aber nicht dieser unfug über m., w. und konsorten. ein artikel im guardian zum thema. ein derartiges vorhaben ist viel schlimmer als alles was ich von m. bisher gehört habe.


Praschl: "Davor waren die Muslims dran, die deswegen problematisch sind, weil sie sich nicht integrieren, und deswegen verdächtig, weil sie sich assimilieren und möglicherweise Terroristen sind."

unfug, für dein "wahres thema" gefügt, freier mensch


ach alex,

Du musst doch Deine zeit hier nicht vergeuden, wenn Du sie als vergeudest empfindest, nicht wahr? und sei mal ein bißchen höflicher, sonst bin ich es auch nicht mehr.


sorry,

die Form meines Beitrags oben war wirklich nicht eines Gastes würdig. Manchmal schreibe ich etwas zu direkt, was ich denke. Nächstes Mal bin ich höflicher. Versprochen. Nichtsdestotrotz habe ich den Eindruck, dass häufig die wirklich wichtigen Debatten weder hier auf dem Sofa noch in den Bezahlmedien geführt werden. Stattdessen geht es um Metadiskurse, die fast immer unfruchtbar sind. Das wollte ich einfach nur sagen. Sollte eine Anregung sein, nicht mehr und nicht weniger. Ich weiß, dass Du anderer Meinung bzgl. der Metadiskurse bist und kann das auch bis zu einem bestimmten Grad nachvollziehen.


Witze und Chaos

machen manchmal noch Freude. Nicht immer so kreuzehrlich sein. Verwirrung stiften. Du hast es doch immer so mit den Situationisten. Mensch, das ist doch auch eine Strategie, den Verstand und die Laune zu bewahren!


situationismus.

nun ja. das ende von herrn debord wäre ein indiz dagegen, dass die laune sich so bewahren lässt. am wochenende habe ich übrigens ein sehr aufschlußreiches buch durchgeackert, in dem dokumente und diskussionen der deutschen abteilungen des situ dokumentiert sind - gruppe spur, subversive aktion, all so was. au weia, dachte ich, und ich dachte es sehr oft: wieviel enge da drin war, wieviel kleinlichkeiten. nichts, was den situationismus im kern dementiert hätte, aber schon an der einen oder anderen stelle sehr erschreckend. eines der probleme solcher bewegungen ist es ja immer gewesen, dass sie alle möglichen irren anziehen, die ihre eigenen neurosen dann an die politischen diskurse ankoppeln.


nun, die abschaffung

bei der schwelenden abschaffung der benesch-dekrete will ich einhaken. bei meinem kurzaufenthalt in kärnten (klagenfurt und villach) konnte ich sondieren, wie der landeshauptmann im eignen land von den printmedien kommentiert wird. und da blieb etwas in mir haften, nämlich dass haider in seinem bestreben zur abschaffung der benesch-dekrete (ref. eintritt tschechiens in die EU) seiner zeit voraus gewesen sei - in anbetracht dessen nämlich, dass nun, ein paar jahre später die CDU CSU dasselbe bestreben zeigt. dieses seiner-zeit-voraus hinterließ spuren in mir.

und - without flattering - möcht ich dir oder Ihnen, Praschl, meine Anerkennung für diese Artikel aussprechen. ich hab grad mal 3 von den 1100 alphavilles abonniert, und sofa ist eins davon. alles liebe + bis bald woelfin alpha.antville.org


seiner zeit voraus

dabei, die österreichische außenpolitik zu ruinieren. dass sich die cdu-csu auch auf solche spielchen einläßt, gibt zu besorgnis anlaß.


seiner zeit voraus

und in diesem sinne ein schwelendes alter ego über der bundespolitik. natürlich ist er seit jeher ein die glut anfachender span, was die außenpolitik betrifft. unverkennbar war in diesem zusammenhang aber auch die genugtuung seitens der außenministerin, als SIE das erste wahlergebnis zu frankreichs präsidentenwahl kommentierte. auf die baldigen parlamentswahlen in der grande-nation darf man sich freuen. was mich in nächster zeit sehr reizt, ist es, haiders vorgehen als kulturreferent in Ktn. zu untersuchen. übrigens hast du ne sehr klare und progressive website, katatonik! lg, woelfin alpha.antville.org


dankeschön

untersuchungen über haiders kulturreferententum würden mich sehr interessieren. ich hab dazu so ab und an einzelne artikel gelesen, deren inhalt mich nicht überraschte (landesvatergestus, einsparen bei mißliebigem, großeventkulturförderung, freundschaftsdienste), aber da gibts sicher noch vieles zu entdecken.


Freude herrscht!

Mich ärgert nur, dass die Qualität des gutbezahlten öffentlichen Diskurses in der Tagespresse offensichtlich derart beschaffen ist, dass wir Heinis in unseren unbedeutenden Weblogs umsonst die Lücken füllen müssen.


darüber mach ich mir schon lang gedanken

es läuft darauf hinaus dass wahrheit nicht gegen bezahlung zu bekommen ist, weil sie dann von absicht geprägt ist. zb. ausfluss.antville.org, das istn journalist, was vom ausflusse überblieb schreibt er. tatsache ist: wenn jemand für die öffentlichkeit schreibt, bleiben immer irgendwelche haare im sieb. die machen eigentlich die essenz aus. wir schwimmen hier in der essenz. auch die feine auserlesenen clique die hier auf sofa schreibt, besteht aus printmedia-schreiberlingen, und denen kommt aber noch so viel mehr, als das, was in den zeitungen 'erlaubt' ist. leider ist das so. man sollte ein alternativblatt gründen - nur wer bezahlt es, wenn keine werbung drin sein soll? kürzlich erst wurde ich mir wieder der vernachlässigbaren bedeutung (m)einer website klar... wir tun das, um SELBER dran zu wachsen. es kann leider nicht jeder was zu sagen haben, der auch was zu sagen hätte. woelfin alpha.antville.org


mich dagegen

stört es nicht. der vorteil an weblogs könnte es sein, dass sie keinen anderen notwendigkeiten unterworfen sind als jenen, die man sich selbst wählt. ich würde dafür auch niemals geld haben wollen. es soll terrains geben, auf denen das keine rolle spielt. was natürlich nicht den öffentlichen medialen diskurs davon suspendieren kann, ein bißchen besser zu werden als er meistens ist.


tun wir ja gar nich

lückenfüllen. wir sind nur aus technologischem vorteil und durch adaptive anpassung der gehirnzellen an technologischen wandel schneller im entdecken des offensichtlichen als leute, die einmal pro tag eine zeitung rausbringen und nicht dauernd den finger am "post"-button haben. aber an sich habe ich in zeitungen genug gelesen, was in ähnliche richtung geht wie das, was "wir" so zusammenreimen.


Sieht man es positiv,

so könnten die Online-Foren und Weblogs der in Deutschland dringend benötigte Ersatz für Institutionen wie Debating Societies sein.


oh ja

die debating society möchte ich sehen, die auch nur annähernd so profunde vorschläge ausarbeitet wie unsere elaborate in sachen hitlertourismus.


OK

Der Businessplan für NaziTours ist gleich der nächste Text nach der Diss.


Warum?

"...Man versucht dahinterzukommen, worum es eigentlich in all dem geht, das ist ja das Rätselhafteste daran; ..."

Vielen Dank für diese Frage. Die erscheint mir ganz wichtig. Vielleicht brauchen wir nur bald wieder einen Sündenbock für unsere Schwierigkeiten und Probleme, die unweigerlich auftauchen werden, wenn es wirtschaftlich so weitergeht?


Sowas geht mir auch öfter durch den Kopf.

Was wollen sie eigentlich, die Nationalisten und Tabubrecher? Welcher Frust plagt sie? Vielleicht besteht ja das Problem wirklich darin, daß sie es selbst nicht wissen und es auch nicht wissen wollen, und deshalb auch die ganze kritische Fragerei, die (logisches Denken mal vorausgesetzt) manchen Irrwitz aufdecken würde, für die Katz ist. Vielleicht sollten mehr Sozialpsychologen fürs Feuilleton schreiben, darüber, was eigentlich los ist im Land. Vielleicht ist es auch unser Fehler, daß wir diesem Geist soviel Aufmerksamkeit und Interesse widmen.

Mir kommt die jüngste Zeit vor wie eine Rebellion. Rebellion gegen Verantwortung: Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns. Verantwortung für die eigenen Aussagen. - Kann auch sein, daß das v.a. für Männer gilt, und Frauen immer noch (oder wieder) das Edle und Gute und Reine und Sorgende verkörpern und die Welt retten sollen mit Mülltrennung im Haushalt und Eierkauf von freilaufenden Hühnern. Während Männer, die ganz offen sagen, daß Zwangsprostitution eine gute Sache ist, (gerade deswegen?) offen bewundert werden. Ob die Sympathie für solche Äußerungen und der ganze Kult drumrum nun Provokationslust ist oder Dummheit oder Wut auf die Emanzipation oder breitere soziopathische Tendenzen anzeigt, kann ich nicht beurteilen.