zwischenstopp in der provinz, elternbesuch. zutiefst rätselhaft sind in wirklichkeit irgendwelche alten nachbarn, die, so lange ich denken kann, in völlig gleichförmiger unauffälligkeit vor sich hin leben. mir unergründlich, was die sehen, meinen, denken oder wünschen.






sie sehen, dass bei familie schmidt verbotenerweise bis 11 uhr morgens die rollläden unten sind. sie meinen, dass das nicht gut ist. sie denken, dass sie dringend mal eine neue haustür brauchen, weil die alte schon so verwittert aussieht. und sie wünschen sich, dass sie möglichst bald großeltern werden.


meine mutter erzählte gerade, dass wetterings inzwischen den neuen jägerzaun haben. da ist natürlich entsprechend bewegung in die nachbarschaft gekommen. und außerdem die dringliche frage: jetzt sofort kontern, da johnsdorfs sich den neuen audi gekauft haben?


Standardmissbilligungsspruch meiner seligen Großmutter: Kind, was sollen denn die Nachbarn denken!


glück gehabt: der kelch des jägerzauns ist an uns vorübergegang


aber Frank:

Jägerzäune, Audis u.s.w., alles nur perfekte Tarnung, kennen Sie doch, aus Agentenfilmen und so...Wetterings sind sicher an was ganz Grossem dran...


  1. gerade kurze erinnerungsschübe an die eine nachbarin meiner kindheit, die, nachdem ihr ehemann sie verlassen hatte, sich innerhalb eines jahres planmäßig zu tode getrunken hat. an die andere nachbarin, die im keller ihre überlebens-flaschen deponiert hatte; an die durchbrennerinnen in den mittvierzigerinnen; an die selbstmörderinnen in der umgebung, an die jahrelang geheim gehaltenen affären, die dann jäh zum vorschein kamen. upper middle class alle. die weniger dramatischen varianten: sehr kultivierte leute, tagsüber im büro, abends und nachts dann beethoven-lieder, cello, trotzkismus, alles mögliche unerwartete. war aber auch eine kindheit und jugend in den 70ern.

die paar mal, die ich in der ddr war, kamen mir so ähnlich vor: kaum hat man eine wohnung betreten, die von außen völlig unauffällig war und deren bewohner man gerade noch für ganz nett, aber eben völlig unauffällig gehalten hatte, war man schon mitten drin in irgendwelchen kulturgläubigen hölderlin-, musik-, sehnsuchts-gesprächen.

  1. ich bin sicher, auch meine nachbarn halten mich für völlig gleichförmig unauffällig.

  2. sowieso immer diese mir nur manchmal eingestandene (und mir zutiefst rätselhafte) sehnsucht, genau so jemand zu sein.


Gleichförmig unauffällig erscheinen ist doch klasse. Ich würde gern ganz verschwinden.


so geht's


Wir haben erst neulich drüber diskutiert, wie man es schaffen könnte zu einem Programm zu werden. Scripten statt arbeiten.


Ad 3. Kenne ich auch. Robert Walser lesen ist dann schön.


Was das untenstehende mit den kleinen Höllen der Peripherie zu tun hat? Vielleicht ist es nur der Titel (und I'm misled), aber beim Passieren von Ortskennungen wie Ixheim, Einöd, Mörsbach, Wallhalben ist es der Schatten dieser halb zärtlichen, halb brutalen Legende, (its cheap brio), der beim Drosseln der Geschwindigkeit auf 50 kmh kurz über die ersten Häuser am Ortseingang fällt - dann weiterzieht.

VON KAFF ZU KAFF Diese Legende vom verwirrten, Überdrehten, abgedrehten Hund. Diese Legende vom ins Endlose Erweiterbaren Hund. Der Hund als Anbauküche Für das Schnitzel, und die Schmerzen Und die Marmeladengläser - Wenn man die Schnabeltasse Nicht mitzählt. Die Legende Vom verdrehten, vom verirrten Armen, aber dehnbaren Wesen Aus Knochen und Fell. <<

T. Pohlmann


falls es sie interessiert,

fragen sie meine eltern.


heute zitiert

in der FAS, S.76, letzte Seite des Wissenschaft-Buchs, Rubrik Worte der Woche.