so gegen eins, halb zwei sind sie alle an ihren Weblogs, audio shields, Wörterberge, Lagerfeuer, und manchmal ein kleiner Lufthauch, als wär gerade jemand, den man nicht bemerkt hat, leise wieder aus dem Zimmer gegangen, in ein anderes; dann fühlt es sich wirklich so an, als wäre man nicht alleine, ein Haus, in dem die Sicherungen ausgefallen sind, Leute, die auf Socken aneinander vorbeihuschen, sehr schön, ja, ich liebe das, mehr als ich mir selbst je vorstellen konnte, ein wenig verlegen, sicher, aber.
Man kann dem Welthirn beim Tickern zusehen. Das ist gut.
Gibt es eigentlich
eine interessante Theorie darüber, wie Empathie entsteht? Diese merkwürdigen Welt-Liebes-Gefühle, die in einem zu puckern beginnen, wenn man nachts arbeitet, und jedesmal, wenn man zum Fenster hinausschaut auf die Lichter da draußen, empfindet man so etwas wie Fürsorge? Oder diese nicht wirklich vernünftigen Zusammengehörigkeitsgefühle, die sich einstellen, wenn man ahnt, irgendwo ein paar tausend Monitore weiter sitzt jemand und reiht auch Wörter auf Satzketten auf? Oder dass ich mich dabei beobachte, wie ich Gefühle für die Pflanzen auf unserer Dachterasse entwickle? Würde ich wirklich sehr gerne mal ein wenig besser verstehen...
Es ist so, dass wir uns in der Interaktion Aspekte der anderen Leute mit ins Gehirn reinnehmen und dann damit arbeiten. Das haben italienische Hirnforscher mal festgestellt: Wenn wir mit jemandem sprechen, dann aktivieren wir Hirnareale, die am Ausdruck von Gesten beteiligt sind - an Gesten, die unser Gegenüber gerade macht. Wir spiegeln und extrapolieren. Wir vollziehen nach und verstehen vielleicht sogar dabei.
theoriegedöns
ich hab mich nicht wirklich damit beschäftigt, aber am spannendsten bei luhmann finde ich den kommunikationsgedanken, der vielleicht gar nichts mit luhmann zu tun hat, aber bei mir folgendes bild festsetzte: nicht so ein sender-empfänger-kanal-modell, oder zumindest bisschen anders: überlagendernde interferenzen, die neue irisierende muster ergeben.
Sehr interessante Frage
Die Antwort müsste irgendwo zwischen Hirnströmen und Restreligiosität liegen; darauf kann/mag ich momentan nicht einsteigen, aber zu den nicht wirklich vernünftigen Zusammengehörigkeitsgefühlen enthält dies vielleicht ein paar nützliche Hinweise.
Dass Fragen wie diese hier - ja wo sonst? - aufgeworfen werden, versöhnt mich übrigens vollauf mit der Kommentarfunktion. Beim Lesen eines anderen Sofathreads habe ich heute mitgelitten. Nicht wirklich vernünftig, genau, aber was tut's der Empathie Abbruch, dass sie sich, entschuldige, an ein Surrogat (oder meinetwegen an einen Text) heftet? Ist schon in Ordnung, mal ein wenig nachgiebig zu sein, erst recht nachts um eins oder halb zwei.
Eine Nachfrage: Richtet sich Empathie, dem Begriff oder der Erfahrung nach, eigentlich ausschliesslich auf so Unbestimmtes wie meine namenlosen Nachbarn auf der andern Strassenseite, weil bei denen auch immer so lange das Licht brennt?
P.S.: Etwas präziser darf's schon sein: Richtet sich Empathie (im Sinne von "Welt-Liebes-Gefühlen", wie Du so schön schreibst), dem Begriff oder der Erfahrung nach, eigentlich ausschliesslich auf usw.
@roland: Luhmann operiert auf einem höheren Abstraktionsniveau als Kommunikationsmodelle, die von der Lasswell-Formel bzw. Shannon/Weaver abgeleitet sind (also diesem Sender-Botschaft-Medium-Empfänger-Geschwurbel). Seinen Medienbegriff hat er von Talcott Parsons, der "Medien" wesentlich weiter fasst als nur die reinen Kommunikationsmedien, etc. Parsons hebt ja vor allem auf Geld als Medium ab. Dabei ergeben sich interessante Verbindungen zu Georg Simmels Opus Magnum, der "Philosophie des Geldes".
sorry gHack
aba luhmann kannse inne pfeife: nur so theorietrallala für seine jünger und nich in der lage, empirisch zu arbeiten, geschweige denn sein verschwurbeltes theorieuniversum empirisch abzusichern. wie Sie schon gesacht ham: alles nur geklaut.
ausserdem: tot = "operierte"
@roland.
ich habe von luhmann nie mehr als ein paar seiten gelesen, weil ich nichts verstanden habe von seiner sprache, die terminologischen voraussetzungen haben mir gefehlt, und ich keine zeit, sie mir zu erarbeiten.
könntest Du, falls es nicht zu viel mühe macht, zumindest andeuten, was es bedeutet, wenn von "überlagernden interferenzen, die neue irisierende muster ergeben" die rede ist statt von "sender-empfänger-modellen"?
ich habe hier zum beispiel ein altes benjamin-zitat aus seinem "programm der kommenden philosophie" von ca. 1918: "Es ist die Aufgabe der kommenden Erkenntnistheorie für die Erkenntnis die Sphäre totaler Neutralität in Bezug auf die Begriffe Objekt und Subjekt zu finden; mit anderen Worten die autonome ureigne Sphäre der Erkenntnis auszumitteln in der dieser Begriff auf keine Weise mehr die Beziehung zwischen zwei metaphysischen Entitäten bezeichnet".
Die Position, von der Benjamin in diesen Sätzen sich absetzt, ist die Kantische: Subjekt-Objekt, dazwischen Erkenntnis, die den transzendentalen Bedingungen genügt, also die Formen von Raum und Zeit und die Kategorien von Kausalität usw. Was Benjamin zu wollen scheint, ist einen Begriff von Erkenntnis zu entwickeln, die das Kantische Subjekt aushebelt, erweitert, unterminiert; eine Erkenntnis, die sozusagen anders stattfindet als immer nur durch den verzerrenden Filter von Bewusstseinsbedingungen, man könnte auch sagen eine Art subektlose oder ichlose Erkenntnis (wie das allerdings geht, ist schwer zu beschreiben und zu erklären).
Aus irgendeinem Grund, vielleicht ist es ja nur meine Müdigkeit, kommt mir das den Interferenzen nicht unähnlich vor, und übrigens auch nicht den Gehirnarealen, in denen alles mögliche gespielt wird, und der Restreligiosität vermutlich auch nicht. Aber vielleicht ist wieder zu viel Empathie. Die ja eh ein Vermögen ist, Ähnlichkeiten wahrzunehmen, wo möglicherweise keine sind.
Meine Güte. Keine Ahnung, ob man irgendwas versteht davon.
wie gesagt,
eigentlich hab ich nur erwähnt, welches bild die luhmann-lektüre bei mir erzeugte, ist ja machmal seltsam, welche leseeindrücke noch übrigbleiben, gerade bei "theoretischen texten". meistens ist es bei mir als ganz und gar unordendlich denkenden, dass das, was sich da festsetzt wenig bis gar nichts mit dem Gelesenen zu tun hat (obwohl einem interessanterweise auch schiefe Bilder, die man als solche später mal erkannt hat, durchaus bei Diskussionen usw. zu ganz netten Seitenwegen führen, die dann doch wieder mit dem Eigentlichen zu tun haben).
und das benjamin-zitat passt sehr gut zu dem bild da in meinem kopf. ob jetzt aber dies in konkurrenz zum subjekt/objekt-verhältnis oder sowas zu sehen ist? - keine ahnung, ich dachte eher an dinge, die sich der kontrolle des einzelnen in der kommunikation irgendwann entziehen. also irgendwann gläserrücken wird, bei dem die bewußte steuerung ja auch nicht zählt. ok, jetzt bin ich derjenige, der wirklich esoterisch wird.
erwähnt hab ich das ja auch nur wegen der sofa-ewig-threads, bei denen ich mehr widerwillig auch mal was sagte, sonst aber doch einigermaßen faszin- bis frustriert verfolgte, wie sich das so entwickelte. das gewann irgendwann auch was über die "personen" hinausgehendes, die ich eben (praktisch) auch nur als texte kenne und irgendwann die threads sich eher als ganzes bei mir festsetzten, als das ich noch die beteiligten auseinanderhielt, obwohl ich sie natürlich wiederum leicht auseinanderhalten konnte.
muss nochmal drüber nachdenken und nachschlagen, wo ich eigentlich da bei luhmann drauf kam.
das obige dürfte an wirrwar praschls vorherige anmerkung locker schlagen, weil die nämlich gar nicht wirr war.
ganz fürchterlich finde ich im moment gerade, dass durch das viele netzschreiben meine groß- und kleinschreibung endgültig in den puren Wildwuchs übergeht.
nachtrag:
also sowas im sinne der gestalttheorie: das ganze ist immer mehr als die summe seiner teile.
Das wäre dann das Phänomen der Emergenz, also: Wie entsteht komplexes Verhalten aus einfachen Komponenten? Genau damit hat sich Luhmann meines Wissens überhaupt nicht beschäftigt. Der war eher Top-Down-Orientiert. Man sollte aber Bottom-Up arbeiten.
@gHack
Ich würde meinen, genau damit hat Luhmann sich beschäftigt: Differenzierung ist nichts anderes als Emergenz neuer Formen von Komplexität. Und wie es dazu kommt, darüber hat Luhmann (@supatyp) eminent empirisch gearbeitet, falls man historische Soziologie (also die Gesellschaftstruktur und Semantik-Bände, natürlich auch Liebe als Passion), als empirische Ideengeschichte begreifen will. Was ich wollen würde, aber mein Empiriebegriff ist auch weit und ich würde die Lektüre historischer Texte in nicht-philosophischer Absicht immer als empirisch betrachten.
@knoerer
Seh ich anders. Analyse gesellschaftlicher Dynamik ist nicht unbedingt das, was ich jetzt unter Erklärung emergenter Phänomene verstehen würde. Bei Luhmann fehlt mir bei aller Komplexität der Theorie noch ein wichtiger Baustein, den er mir auch in der "Gesellschaft der Gesellschaft" nicht liefert. Was sind die wichtigen Treiber für wichtige Übergänge wie der von der stratifikatorisch organisierten zur funktional ausdifferenzierten Gesellschaft (das Wort "Modernisierung" vermeidet er ja gern)?
Was Supatyps Kritik angeht, so kann ich die nachvollziehen. Wenn man schon so unglaublich viel Energie auf die Entwicklung einer umfassenden Theorie der Gesellschaft verwendet, warum macht man sich dann nicht die Mühe, wissenschaftliche Instrumente zu entwickeln, mit denen man diese Theorie falsifizieren könnte und geht damit raus ins Feld - oder lässt raus ins Feld gehen, wenn man es nicht selbst machen will? Wenn Bourdieu seine Milieutheorie entwirft, dann geht der raus und guckt, was los ist.
Damit will ich aber ausdrücklich nichts gegen den historischen Ansatz gesagt haben, den ich speziell bei Luhmann auch vom ästhetischen Standpunkt her interessant finde. Auch die rein theoretischen Überlegungen sind wertvoll. Aus Luhmann/Parsons Medienverständnis kann man wesentlich mehr mitnehmen als aus der engen Auffassung des Medienbegriffs wie er lange in der Kommunikationswissenschaft vorgeherrscht hat.
@gHack
Ich bin mir nicht sicher, ob es vom Gastrecht gedeckt ist, wenn wir uns hier neben das Sofa verziehen und Luhmann vor uns hin diskutieren, aber so viel:
Tatsächlich ist die "Emergenz" neuer Strukturen vielleicht gerade der Punkt, an dem Luhmann historisch werden muss, weil man das theoretisch gar nicht sagen kann, was die Treiber wären. Gerade bei der Medien-Frage versuchen hier die Kittlerianer z.B., Luhmann umzupolen auf Medien (im sehr viel technischeren Verstand als bei Parsons oder gar dieser spätere Heidersche Medium-Form-Begriff) als Moment des Anstoßes zu Entwicklung.
Wissenschaftstheoretisch, würde ich zum Thema Feldforschung antworten, ist die Systemtheorie ja gerade nicht nach dem alten Popper-Modell von Falsifizierung gebaut, auch in der Beschreibung (ich erinnere mich jetzt aber nur dunkel) von Wissenschaft. Es geht immer nur um Beobachtung in einem sehr komplexen Sinne. Scheitern ist dann eher das Ausbleiben von Anschlüssen - und es gibt schon Versuche, mit Systemtheorie im Kopf empirisch zu arbeiten, Vorschläge zum Umgang mit gesellschaftlicher "Wirklichkeit" zu machen.
Überhaupt scheint mir Luhmanns Theorie eigentlich eminent konstruktiv angelegt, nach dem Prinzip: Wie können wir das jetzt mal ganz anders sehen, welche Konsequenzen (im Denken, aber dann natürlich auch im Handeln) können wir daraus ziehen etc.
@knoerer
Ich glaube nicht, dass diese Diskussion Herrn Praschl missfällt. Wir können vielmehr davon ausgehen, uns in einer Sphäre gegenseitiger Wertschätzung zu befinden.
Das Kittlertum sehe ich auch kritisch. Die Rolle der Technik als Treiber der Entwicklung wird überbewertet. Wenn sich die Kittlerianer Luhmann aneignen, so ist das vielleicht auch eine Konsequenz dessen, dass bei Luhmann die Implementation fehlt.
Wenn Luhmann historisch wird, wie in dem von Dir angeführten Text über die Liebe, den ich als Explikation zu Luhmanns Verständnis symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien äusserst schätze, gelingt es ihm schon, wichtige Brüche und Kontinuitäten herauszuarbeiten. Diese Präzision fehlt mir dann wieder in der Meta-Theorie. Meiner Ansicht nach, die allerdings alles andere als massgeblich ist, gibt es da eine Lücke in der Skalierung der Theorie.
Wenn wir von Beobachtung sprechen, also auch von Beobachtung zweiter Ordnung und Re-Entry-Phänomenen, dann, so finde ich, ist es schon möglich, hier Instrumente zu entwerfen, mit der man die Phänomene quasi "samplen" kann, die es zu untersuchen gilt. Man sollte dies tun, um zu zeigen, dass es notwendig ist, eine andere Perspektive einzunehmen.
Da Luhmanns Theorie letztlich aus der Kybernetik erwachsen ist und diese wiederum in einem naturwissenschaftlichen Umfeld entstanden ist (obwohl Luhmann in vielerlei Hinsicht mit diesem Erbe bewusst bricht), wundert mich der deduktiv-konstruktivistische Ansatz nicht. Luhmanns Schriften sind in vielerlei Hinsicht eine Goldgrube, aber man muss sich sehr auf ihn einlassen, was oft dazu führt, dass man die Distanz zu seiner Arbeit verliert und entweder sein Denken übernimmt, oder es verwirft.
@gHack
Mit dem meisten bin ich völlig einverstanden. Dass die Kittlerianer (Kittler selbst kündigt immer mal wieder eine Grundsatzrede an, die aber - soweit ich weiß - bisher ausgeblieben ist) Luhmann entdeckt haben, erkläre ich mir allerdings eher aus Kittlers für mich nie so ganz Ernst zu nehmendem technischem Apriorismus: da muss einfach mal ein bisschen soziologische, aber auch metatheoretische Butter bei die Fische. Kittler ist der schlimme, wenngleich stets so kluge wie unterhaltsame Fall eines Konvertiten. Einmal Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften, immer Austreibung. Kittler als Steinbruch macht aber immer Spaß, der ist ja einfach auch anekdotenverrückt.
Luhmanns Theorie ist nicht zuletzt, zum Kybernetikargument, deshalb so spannend, weil da die verschiedensten Einflüsse unter einem Hut kreuchen und fleuchen: Kybernetik hier, Konstruktivismus da, dazu Parsons und Spencer Brown und Gotthard Günther und Husserl. Später die Versuche, sich der Dekonstruktion freundschaftlich zu nähern etc. Die seltsamste Mischung aus Synkretismus und letztendlicher Originalität.
Das mit der Übernahme ist bei allen starken Denkern die vielleicht größte Gefahr. Ich hoffe und glaube, dass das bei mir immer nur als Warnglocke funktioniert à la: Achtung, so einfach darfst Du das jetzt nicht formulieren, Luhmann spielt das über diese Bande, Derrida über jene und Hegel, naja Hegel hast Du wirklich nicht verstanden, aber komplizierter sähe er das auch...
(ich meine jetzt in Situationen, in denen man sich sozusagen ernsthaft Gedanken macht und nicht dem Alltag mit nicht mehr als der Hoffnung auf erfolgreiches Durchwurschteln zu Leibe rücken muss).
the small hours
ist es nicht einfach nur so, dass wir uns nachts alle ein bisschen ähnlicher sind? weniger fremd? weniger vereinzelt? nachts sind alle katzen blau. so vielleicht. bis zum ersten hahnenschrei.
@mv
Danke für den Link zu diesem instruktiven Artikel, in dem ich mit Gewinn gelesen habe.
Die Frage, ob die Empathie sich ausschließlich auf Unbestimmtes richtet, kann ich nicht wirklich beantworten. Ich verspüre diese Empathie natürlich auch bei bestimmten Menschen und/oder bei Objekten in der allernächsten Nähe. Da ich zum Beispiel nicht selten mit Kindern zu tun habe, die noch nicht oder nur sehr beschränkt begrifflich komunizieren können, stellen sich ähnliche Emotionen auch für Menschen ein, die durchaus einen Namen haben, bestimmte Individuen sind; die Pflanzen auf meiner Dachterasse habe ich schon erwähnt; wenn die Frau schläft und ich neben ihr noch lese, empfinde ich Gefühle, die denen nachts vor dem Computer nicht unähnlich sind; und natürlich gibt es immer wieder so etwas wie eine "politische" Empathie (sieh mir den den vagen Ausdruck nach, er wird nur behelfsweise gebraucht), in der Form von "Solidarität", allerdings einer, die noch nicht sehr nachgedacht hätte, "Mitgefühl". Das Gemeinsame in all dem ist ja recht offensichtlich: Empathie findet dort statt, wo man sich noch nicht in ein bestimmtes Verhältnis gesetzt hat, noch nicht mit Begriffen operiert, noch mimetisch ist. Meine Empathie für Pflanzen kann ich mir zum Beispiel ganz gut erklären: Sie hat wohl etwas damit zu tun, dass ich ihr Wachstum registriere, mir also eine Art emotionaler Metapher konstruiere, die mich Pflanzen als etwas Organisches, Lebendiges, vage Menschen-Ähnliches wahrnehmen lässt, eine Art Anthropomorphismus sozusagen, der dann endet, wenn ich zum Beispiel die Minze abschneide, um sie zu essen, mich also zu ihr in ein anderes Verhältnis als ein bloß kontemplatives setze.
Möglicherweise gehört es zum Begriff der Empathie, dass es sich bei ihr um ein nichtbegriffliches, also unbestimmtes Verhältnis handelt; dann müsste man Deine Frage natürlich aus Gründen der Logik bejahen.
Es kann sich aber ebensogut so verhalten, dass die Empathie auch alle schon bestimmteren Beziehungen und Verhältnisse sozusagen grundiert, in ihnen als eine Art Generalbass mitklingt, dass man sie aber seltener wahrnimmt, weil man ja zum Beispiel mit jemandem redet, arbeitet, produziert und dadurch bestimmtere Beziehungen führt, die einem wichtiger sind. Ich neige eher zu dieser Auffassung. Liebesgeschichten zum Beispiel hören gelegentlich deswegen auf, Liebesgeschichten zu sein, weil die Empathie sich verflüchtigt, ohne dass man recht wüsste, aus welchen Gründen; plötzlich stellt man fest, dass die Wahrnehmung, durch die man sich als Liebender empfand, verschwunden ist, obwohl der Geliebte und man selbst dasselbe sagen, tun, sind wie gerade noch eben. Aber vielleicht liegt Liebe ja auch irgendwo zwischen Hirnströmen und Restreligiosität.
Das ploppt!
Enzyklopädische Reportage. Genossen und gelernt. Aufzuheben für später. Vielmals!
möchte hrn praschl
außerordentlich für diese beseelte laudatio an die empathie danken und gratulieren, ihr arroganten sofas seid mir bereits in kurzer zeit sehr lieb geworden - bis bald, woelfin alpha.antville.org
sehr spannend ...
Mit viel Genuß habe ich die Beiträge gelesen.
Empathie hat für mich viel mit Resonanz, also Mitschwingen und Mittönen, wörtlich: Wieder-tönen, zu tun. Wie die Saite eines Musikinstruments, die eine gewisse Spannung hat und sich von Schallschwingungen in Bewegung setzen läßt.
Dass die Saite sich ansprechen lässt, hat nichts mit Offen-Sein zu tun, eher mit der Spannung, der ihr innewohnt.
Die Diskussion war sehr Luhmann-lastig. Namen wie Martin Buber fielen mir neben Erich Fromm, aber auch Ernst Bloch und aus jüngster Zeit, Manfred Spitzer als Vertreter neuropsychologischer Netzwerkmodelle, ein.
Empathie hat viel vom Umgang mit sich selbst und viel mit diesem zu tun. Stimmt dieser, stimmt es auch mit anderen. Interessant wäre es, die innere Stimmgabel zu betrachten, die die Saiten stimmt, auf dass es stimmig wird.
Empathie ist immer auch die Blochsche Vorahnung des "Noch-Nicht", dämmernd, Vorschein, die Zwischenzeit, der die deutschen Romantiker huldigten.
Sie ist tolerant gegenüber Ambiguitäten, Zweifeln und Misstrauen, atmet immer auch ein Verbunden-Sein, eine All-Einheit: man ist allein, ohne sich einsam zu fühlen. Das Trennende wird zum Teil des Bindenden.
Empathie ist auch immer konfluentes Erleben, mal mehr, mal weniger gut steuerbar. Octavio Paz hat in seinen "Verbindungen und Trennungen" viel dazu gesagt.
Zu guter Letzt: wer Leiden als erträglich empfindet, kann empathisch sein.
herr k.