Reiner Stachs allerorten gerühmte Kafka-Biografie gelesen. Der Rezensenten-Begeisterung schließe ich mich gerne an: gerade, weil mir Kafka, über dessen Leben ich die paar Klischees kannte, die jeder kennt, nach der Lektüre Stachs ungemein zuwider geworden ist - der Mensch, nicht das Werk. Diese elende Felice-Geschichte: eine mit Briefen zur Heirat zu traktieren und dann abzuspringen unter Berufung auf die schriftstellerische Mission; die billigen Retourkutschen, wenn er im Process Felice Bauer zu, Fräulein Bürstner macht. Die gespenstische Szene in einem Hotelzimmer an der böhmischen Grenze: Felice, die gekommen ist, nach allem immer noch, um, einmal, das erste Mal, mit ihm zu schlafen, was 1915 in der Regel etwas anderes bedeutete als heutzutage, und er sitzt da, und tut nichts anderes, als ihr, die mit geschlossenen Augen auf dem Kanapee liegt - vorzulesen. Die Ergebenheit, die doch nur eine Methode des Ausweichens ist. Und so weiter. Stach, der ohne Zweifel Kafka, aber auch die Fakten liebt, erzählt das alles, aus den Akten, aus den Briefen, in einer kaum erträglichen Ausführlichkeit, so dass man, ich jedenfalls, kaum anders kann, als das Gefühl zu haben, hier wird jemandem der Prozess gemacht. Der mildernde Umstand - ist das Werk. Was dann doch, ein paar Stunden lang, ein unangenehmer Gedanke ist.






Stachs "Kafkas erotischer Mythos. Eine ästhetische Konstruktion des Weiblichen" ist übrigens auch sehr empfehlenswert. Ist derzeit vergriffen, aber ich kann's gern mal ausleihen. (btw: habe meine miles-davis-biographie dann doch wiedergefunden, aber schönen dank.)