Dreißig Minuten "Wetten, das" gesehen. Was sich die DNS so alles ausdenken kann, und das dann alles auf einem einzigen Zellhaufen.






ja, das mit den mutationen hat sich institutionalisiert.


Für mich eine der besten "Wetten, dass..."-Sendungen der letzten Jahre. Ich bin so faszinierbar durch diese durcheinander laufenden Attraktionen. Hier Leonardo Di Caprio, der vor allem unglücklich wirkt und Steven Spielberg in seiner merkwürdigen Gehemmtheit. Dort dann ein Mann, der offensichtlich Wochen und Monate damit verbracht hat, das ZDF-Programm eines ganzen Jahres auswendig zu lernen. Spielberg fragt sich, was man mit der Fertigkeit seiner Kandidaten anfangen könne, die Zahl der stehengebliebenen Kegel am Klang zu erkennen. "Nichts", sagt Gottschalk, "aber das ist der Punkt. Es bringt ihnen nichts und sie tun es trotzdem." Es muss sich also um Kunst handeln. Und vermutlich ist genau das der Fall. (Ich weiß natürlich, dass das Blödsinn ist und dies eine der durchkapitalisiertesten Veranstaltungen des gesamten deutschen Fernsehens. Aber muss das eine wirklich das andere ausschließen? Ich frage nur.)


Für mich sieht es ja eher so aus, als ob die Avantgarde-Ideen der 1910er Jahre jetzt erst - deformiert! - in der "Mitte der Gesellschaft" angekommen wären. New Economy als radikaler Futurismus der BWL mit Bill Gates als F.T. Marinetti und Thomas Gottschalk als Oberdada des hohl drehenden TV-Molochs. Wenn aber Enron, die virtuelle Firma ohne Substanz, bei der nur noch die Idee zählt, so etwas wie das Duchamp-Pissoir der Ökonomie ist, wird es Zeit, als Mensch von Kultur den eigenen Kunstbegriff einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Ich versuche das zur Zeit hin und wieder. Es ist nicht leicht, denn es bedeutet, in einer retardierenden Atmosphäre das Neue zu suchen.


ich habs nich gesehn wg. fidio (royal tenenbaums + breakfast club), aber sons immer meistens:

1 lanze brechen für den .com ischen gottschalk: es ist live. und er lehnt sich (wenn vleicht auch unbeabsichtigt) oft weiter aus dem fenster raus als z.B. der h.schmidt meinzwegen.


Gottschalk schwankt einfach beträchtlich: oft halte ich ihn nicht aus, gestern aber war er in bestechender Form. Schön war schon, dass ihm ein ziemlich durchgeknallter Meat Loaf einen fetten Kuss auf den Mund gab (ehrlich!) - schöner aber, viel schöner, dass Gottschalk ihn am Ende ins verdatterte Gesicht des Dieter Bohlen retournierte.

Und viel viel besser ist sowas das als die ohnehin doofen Tenenbaums, muss ich nun sagen. Kommt davon, wenn Sozialwissenschaftler ihre Umfragen schon verkehrt anlegen.


um die tenenbaums als "doof", mußten wir die ers ma sehen. hattenwer ja bis dato noch nich.

und dann koordination mit ahmtessen. ich möcht nich inne küche stehn undzwei zimmer weiter knutscht der gottschalk. da macht fidio unabhängig (sachte man früher ma)


@knoerer: Gerüchtehalber gehört, dass es auch eine Wette mit dem Erschmecken von Schnullern gab. Ich kann dann nicht mehr. Nicht mehr strukturalistisch, medienkritisch, warenästhetisch etc. Gibt einen Grad von gaga, der die Dialektik erschlägt.


Gerücht stimmt. Und gaga war's ganz ungeheuer. Am faszinierendsten: Wie die beiden offenkundig eine eigene Technik (erinnerte ein bisschen an Weinschmecken) entwickelt haben mit rasantesten Bewegungen die Dinger im Mund zu schmecken, zu beißen, zu drehen. Absurd und herrlich. Tatsächlich streckt in mir so ziemlich alles die Waffen in diesen Momenten. Totale Implosion sämtlicher kulturkritischen Impulse.


Ich habe nur die letzten 30 Minuten gesehen. Hugh Grant, von dem ich mir einbildete, man sähe ihm an, wie er das für zukünftige Interviewpointen vorgesehene Gehirnsilo mit launigen Bemerkungen über those wacky Germans füllte. Thomas D. und Smudo, die in irgendeinem kalten Kaff frenetischen Abiturienten "macht euch nackig" zubrüllten. Tom Jones, der sich mit dem Halfplayback verhaute. Barbara Schöneberger, die "Was machen wir jetzt mit dem Bier?" sagte und "vor allem mit den Brezen?" Dieter Thomas Heck, der dankbar in jede noch so kurze Schweigelücke stieß und dem ich aus tiefstem Herzen senile Witzelsucht wünschte, damit er endlich wenigstens unfreiwllig komisch würde. Die DeutschlandsuchtdenSuperstar-Chorus-Line, die im Stafettenprinzip "Freude schöner Götterfunken" vortrug, da müssen wir uns keine Sorgen um den Nachwuchs machen. Dieter Bohlen, sowieso, Dieter Bohlen ist ja immer da. Und diesen einen Kandidaten, Jurastudent, der das vollständige ZDF-Programm eines ganzen Jahres auswendig gelernt hatte. Soundsovielter April, 20.15, sagte Gottschalk, und der Jurastudent sagte, nachdem er sich bedacht hatte: Das war ein Freitag, und am Freitag ist im ZDF Krimizeit, da hat also Detektiv Matula in "Ein Fall für zwei" den Fall sowieso gelöst. Vielleicht ist im Trinkwasser schon zuviel Östrogen, aber ich wurde gleich von Empathie überschwemmt. Stellte mir den Jurastudenten vor, der noch zu Hause lebte, hatte er ja gesagt, in seinem Studentenzimmer saß und über Fernsehzeitschriften brütete, Gedankenkrücken erfand, sich prüfen ließ von seiner Mutter, immer wieder, Mist, schon wieder vergessen, die Gedächtnissystematik, die immer wieder versagt haben musste in dieser Zeit, und dann, dieser große Moment, 25. Januar 2003, er wird ihn nie vergessen, da er mit Bravour vor einem Millionenpublikum sich ohne jede Unsicherheit an vier ZDF-Sendungen des Jahres 2002 erinnern konnte, wie er die Hände hochriss danach, wie er Gottschalk seine Methode erläuterte, man erinnert sich einfach, sagte er, was man gemacht hat an diesem Tag, und ich sofort, die Empathie schon wieder rückwärts raus aus der Tür: "was wird der schon gemacht haben am 5. Juni?", und dann, diese Vorstellung, wie sein Wetten-Dass-Triumph in ihm nachglühen wird, tagelang, monatelang, die Großeltern, die ihm gratulieren, Köpfe, die sich nach ihm umdrehen werden in einer mittelgroßen Stadt, eine Budnikovsky-Verkäuferin, die ihm nachsehen wird, den hab ich doch im Fernsehen gesehen. All das, ich schon wieder. Wetten, dass: das ist drei Stunden Einsamkeit, und jedesmal überzieht Gottschalk ein wenig länger.


das is ja nur die 1/2e wahrheit: zuhause hat der jurastudent sein auftritt auf fidio: das zieht der sich gezz immer wieder rein: pflicht für runter bis verwandtschaft fünften grades und kopien für jeden kumpel


Und natürlich aus Tübingen, woher denn sonst. Ach übrigens: alle Daten, alle Stats, alle Facts bei der Netzeitung. Jesus, Maria und Margot.