Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fordert Ihre Leser zum Mitmachen bei der Revolte, der Revolution auf, als dritte Option nennt sie den Systemwechsel. Als Gründe für eine von den drei Veranstaltungen listet sie auf: "Lohnnebenkosten senken, Arbeitsmarkt flexibilisieren, Bürokratie verringern, Gesundheits- und Rentensystem erneuern".

Eine gewisse surrealistische Schönheit hat es ja, die Bevölkerung dafür anzuagitieren, für die Abschaffung des Kündigungsschutzes auf die Barrikaden zu gehen.






burberrys riot

eine apo der globalisierungsgewinner, wofür ich übrigens nicht nur grosskapitalisten halte, da das bis zum facharbeiter geht, hätte doch einen gewissen charme. schliesslich gibt es ungerechtigkeiten die sich nicht auf den ersten blick erschliessen. die sozial- und sozialversicherungsleistungen sind nun in den letzten jahren mehr oder minder konstant geblieben, während der blick ins eigene aktiendepot nicht selten einen verlust von schlappen 90% ausweist. das findet man halt gemein. da kann man sich drüber aufregen.


Re: burberrys riot

Trotzdem: So um die 50% Steuern/Abgaben und was weiss ich, was den Trotteln noch einfällt, sind zuviel. Ein erster sinnvoller Schritt wäre schon mal, die Kameralistik abzuschaffen. Mehr Eigenverantwortung? Gerne! Aber dann bitte auch in den staatlichen Binnenstrukturen.


Es nützt nichts, nur die Kameralistik abzuschaffen. Sie ist ein Werkzeug, mehr nicht. Wenn man nicht weiß wohin und wie, nützt es auch nichts die alten Werkzeuge wegzuschmeißen und neue zu nehmen. Reine Augenwischerei.


Wohin? -> Steuergelder sparen!

Wie? -> Kameralistik abschaffen. Budgets bis zum letzten Cent zu verballern, weil man sie verballern muss, ist das genaue Gegenteil von Sparen.


Re: burberrys riot

es würde mehr transparenz schaffen. das wäre schon ein gewinn, selbst wenn es nicht zu direkten einsparungen führen würde. ich hätte auch gern einen nachweis über die leistungen, die über meine krankenversicherung abgerechnet werden. das würde den menschen wenigstens zeigen, wieviel die sachen kosten. allein das bewusstsein, wohin das geld geht und was dinge kosten wäre ein fortschritt. dafür muss man noch nicht einmal leistungen kürzen.

eigenverantwortung ist da ein anderer schritt. ein wichtiger, denke ich, aber schwierig.


Als eine der wenigen unter den Kämmereikollegen habe ich keine grundsätzlichen Einwände gegen Austausch der Kameralistik gegen Doppik. Mir ist es egal, mit welchem Werkzeug ich arbeite. Nur habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Politiker nicht wissen wollen, was die Sache kostet. Als wir hier im Dorf zur Erweiterung der Kameralistik eine innere Verrechnung und Abschreibung und kalkulatorische Verzinsung im Haushaltsplan integriert haben, hat uns die Politik miese Tricks vorgeworfen. Und damit sind wir nicht alleine. Das ist ein tiefergehendes Problem. Politik will Erfolg sofort, sie will nicht wissen, was das kostet, und sie wird auch nicht gewählt für langfristige Planungen.


Tja. Dann könnten wir die Demokratie ja abschaffen, weil sie ein Luxus ist und nur unter Bedingungen des Überflusses funktioniert.

Ne. Das System, nach dem man für Sparsamkeit bestraft wird, muss weg. Ich sehe da keinen anderen Weg.


Ganz Ihrer Meinung, bloß ich sehe den Weg noch nicht, wie dorthin kommen. Das ist ein ganz großes Thema zur Zeit, z.B. ob denn Politik und betriebswirtschaftliche Steuerung kompatibel sind, traurig aber wahr. (www.mariongoelz.de)


Ist das wirklich noch ein Thema? Warum funktioniert es in Holland (Tilburger Modell), in den USA, in Neuseeland etc, aber nicht in D.? Ich denke, es gibt seit zehn Jahren auf kommunaler Ebene durchaus Fortschritte in dem Bereich. Warum soll das nicht auf höheren politischen Ebenen auch laufen können?


Ja es ist noch Thema und es hat sich der Schwerpunkt verlagert von "wie mache ich Verwaltungsreform" hin zu "warum funktioniert das nicht, wir haben doch alles genau nach Modell getan". Es ist ein Riesenunterschied zwischen dem angeblichen Erfolg den ich über Schlagwörter in den Medien verkaufen kann und dem was jeden Tag in der Praxis abläuft. In Holland/USA/Neuseeland haben Sie doch auch ganz andere Rahmenbedingungen, denken Sie alleine an das Beamtenrecht. Das große Dilemma ist meiner Meinung nach, dass es keinen politischen Mut gibt. In Deutschland haben wir die Situation, dass über Experimentierklauseln auf allen staatlichen Ebenen Geld verschwendet wird um herauszufinden, welches Buchungssystem für die öffentliche Hand geeignet wäre. Selbst Dörfer geben Unsummen aus für Berater und Arbeitsgruppen und neue EDV-Systeme. Jeder versucht das Rad für sich neu zu erfinden. Das hätte Deutschland billiger haben können, indem z.B. über wenige offizielle Pilotprojekte ein System erfunden, in der Praxis getestet und per Gesetz als verbindlich erklärt hätte werden können. Stattdessen hat man allen Kommunen das experimentieren erlaubt. Jetzt herrscht doch nur Verwirrung. Die Berater freuen sich, reden Denglisch in den Ämtern und verkaufen die Konzepte, die in der Industrie längst unmodern geworden sind an die öffentliche Hand. Geld hat damit erst mal noch keiner gespart.


Ich gebe zu, mich seit einigen Jahren aus dem Thema ausgeklinkt zu haben. Mein letzter Stand ist, dass es in Städten wie Duisburg und einigen anderen Vorreitern durchaus Erfolge gegeben hat. Das ist dann ja auch immer von Bertelsmann und weiß was ich wem prämiert und ausgezeichnet worden. Ich hatte ein paar mal mit dem Erfinder des Tilburger Modells (Name vergessen, werde alt ...) zu tun, der später als Berater in einigen deutschen Städten engagiert war. Ich fand das immer sehr interessant und holländisch-entspannt. Diese ganzen Konzepte waren ja nun nicht dazu geeignet, den Staat umzukrempeln, man wollte ja nur weg von der starren Kameralistik hin zu etwas intelligenteren Steuerungskonzepten, die mit betriebswirtschaftlichen Modellen verknüpft waren.

Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass das vielerorts gescheitert ist. Die Ignoranz fing damals schon bei Begriffen wie "Der Bürger als Kunde" an. Da hat es ja den Beamten schon die Scheuklappen heruntergehauen. Mehr wollten die ja gar nicht hören, um sofort in den Schützengräben zu verschwinden.


Der Bürger ist auch kein Kunde. Er ist der Souverän.


Re: burberrys riot

guter einwand. danke. vergisst man immer so schnell.

vive la republique!


Schon mal einen Wohngeldantrag ausgefüllt? Souverän! Souverän verarscht, das ist aber auch alles.


Wir sind schuld. Wir lassen es mit uns machen.


"Wir" sind auch 4,2 Millionen Bedienstete im Öffentlichen Dienst. Mit Angehörigen kommen wir da auf eine Lobby von locker 10 Mio. Gegen die können "wir" noch was machen? Wir können uns ja mit den Lehrern, Beamten und Sozialarbeitern in den Parlamenten verbünden ...


Viel Spass beim Weiterverzweifeln.


Keine Zeit zum Verzweifeln. Ich muss jetzt arbeiten, um die restlichen Steuern für 2001 bezahlen zu können ...


Erst wenn die letzten Arbeitnehmerrechte abgeschafft sind, werden sie feststellen, dass Deutschland dann immer noch nicht mit den Lohnkosten in Südchina konkurrieren können wird.


close to topic

mckinsey, stern, t-online und das zdf suchen eine perspektive für deutschland. herr weizsäcker findet das gut und wir sollen alle mithelfen.


Wie wär's mit der Froschperspektive?


warum

wird sich hier (in den Kommentaren) eigentlich dauernd so um Deutschland gesorgt, statt mal nur ein klein bißchen mehr wegen


Re: close to topic

weil ich hier lebe. weil ich nicht mag, dass um mich herum dinge den bach 'runter gehen. weil ich kein anderes land habe, in dem ich weniger fremd wäre. weil mich die dinge hier etwas angehen.

das heisst nicht, dass ich das denken am tellerrand einstelle.