Im Deutschlandfunk lief am Sonntag 10.11.02 in der Sendereihe "Leitkultur USA" ein Interview mit dem Historiker und Schriftsteller Gore Vidal. Das etwa halbstündige Gespräch ist als RealAudio und mp3 verfügbar.

(1) "Mit der Präsidentschaft Trumans wurde, was ich (Anm. Gore Vidal) 'ewigen Krieg für ewigen Friede' nenne, bestimmend für die amerikanische Außenpolitik. Er steht am Anfang des Kalten Krieges. Ökonomisch hat sich das übrigens wie ein keynesianisches Investitionsprogramm ausgewirkt. Vor 1940 befanden sich die USA in einer tiefen wirtschaftlichen Depression. Die massiven Investitionen in die Kriegsmaschinerie nach dem Eintritt in den Weltkrieg haben das Blatt gewendet. Amerikas Wirtschaft florierte. Nach dem Ende des Krieges war die Gefahr groß, daß die Kriegskonjunktur in eine Rezession mündete und so widerrief Truman in Potsdam alle Zusagen, die Roosevelt Stalin in Jalta gemacht hatte. Inzwischen verfügten die USA über die Atombombe und es war klar, daß man Rußland nicht mehr brauchte um die Japaner zu besiegen. Langsam reifte so in Truman der Entschluß, die Kriegsrüstung in Amerika eben nicht abzubauen, sondern von nun an die Rolle eines Weltpolizisten zu beanspruchen. Das kostete natürlich eine unglaubliche Menge Geld. Um die amerikanischen Steuerzahler dazu zu bringen, diesen großen Kreuzzug auch zu finanzieren, wurden der Kommunismus und Stalin zu Erzfeinden Amerikas gemacht. Deutschland wardabei nur eine Figur auf dem großen Schachbrett. Westdeutschland wurde zur loyalsten östlichen Provinz des amerikanischen Imperiums. Und die Deutschen erwiesen sich schließlich als bessere Amerikaner als wir selbst. (...)"

(2) "Heute, nach dem Ende des kalten Krieges, droht ein anderer amerikanischer Präsident, den Irak anzugreifen, der für die USA keine wirkliche Bedrohung darstellt. Saddam Hussein weigert sich nur, sich vom amerikanischen Geheimdienst ermorden zu lassen. Genau so wie Fidel Castro, den die Kennedy-Brüder gerne umgebracht hätten. Wir machen uns überall Feinde und sagen dann 'was ist das für eine gefähliche Welt'. Sie entwickeln Atomwaffen, biologische Waffen, Massenvernichtungswaffen und eines Tages werden sie uns umbringen. In Wirklichkeit geht es nur darum, daß da Geld weiter ins Pentagon strömt.(...)"

(3) "Seit Henry Kissingers Zeiten als Außenminister suchen die Vereinigten Staaten nach einer von der OPEC unabhängigen Versorgung mit Erdöl zu möglichst niedrigen Preisen. Die eigenen, amerikanischen Vorräte reichen beim gegenwärtig hohen Verbrauch noch zwanzig Jahre. Unter der Fahne der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten geht es der USA und NATO tatsächlich um sehr handfeste wirtschaftliche Interessen. Deshalb schließt die NATO mit diesen Staaten (Anm. gemeint sind Kurdistan, Usbekistan, Aserbeidschan, Turkmenistan ... die Region um das Kaspische Meer, wo die weltweit drittgrößten Erdöl- und Erdgasvorkommen zu finden sind) Partnerschaften, deshalb sind wir auch in Afghanistan. Osama Bin Laden ist da eher nebensächlich. Die Union Oil of California, abgekürzt UNOCAL, hat schon mit den Taliban mit einer Pipeline von Aserbeidschan nach Pakistan verhandelt, die bis zum Seehafen Karatschi geführt werden sollte. Die Taliban waren aber unberechenbar und so haben wir sie eben durch die Kämpfer der Nordallianz und die neue Regierung in Kabul ersetzt. Ob es jetzt besser läuft, ist schwer zu sagen. Aber die Pipeline wird gebaut. Und es wird wieder eine Menge Geld kosten. Man muß sich das vorstellen: in Zentralasien stehen jetzt 60.000 amerikanische Soldaten, überall werden Luftwaffenstützpunkte gebaut. (...) Die Russen werden nicht sehr begeistert sein, wenn sie feststellen, daß wir ihre Erbschaft in Mittelasien angetreten haben. (...)"

(4) "Vizepräsident Dick Cheney und Bush senior sind durch das Öl reich geworden. Condoleza Rice, die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, arbeitete fünfJahre im Vorstand des Chevron Konzernes. Ihr spezielles Aufgabengebiet dort war die Erschließung der Ölvorkommen in Usbekistan und Pakistan. Es ist in der Geschichte der USA ohne Beispiel, daß eine einzige industrielle Interessensgruppe alle wichtigen Staatsämter besetzt ohne daß es irgendeinen Widerstand dagegen gäbe."

(5) "Wenn der Löwenanteil des Bundeshaushaltes in die Rüstung geht, muß man über kurz oder lang auch Kriege führen um diese Ausgaben zu rechtfertigen."

(6) "Im Iran etwa beteiligten wir uns aktiv am Putsch des Schah (...) und immer waren die Folgen katastrophal. Immer wuchs der Haß auf Amerika in diesen Ländern." (...) "Der elfte September war erst der Anfang. Irgendwann wird uns jemand richtig in die Luft sprengen. Wir jammern immer über die Feinde, die wir überall haben. Aber diese Feinde haben wir uns selbst geschaffen. (...) Wir werden dieses Öl bekommen und die NATO wird uns dabei helfen."

(7) "Gesellschaftliche Debatten gibt es in den USA so gut wie überhaupt nicht. (...) Was ich über die Eroberung Eurasiens durch das amerikanische Imperium gesagt habe, wird der Durchschnittsamerikaner erst erfahren, wenn es bereits zu spät ist. Wenn der Sieg errungen ist oder wir eine Niederlage wie in Vietnam erlitten haben."






Re: Antworten von Gore Vidal

Hörenswert, wenn auch in der mp3-Version von ziemlich becheidener Tonqualität. Und der Interviewer ist ja eine selten servile Schlaftablette. - Kritische Punkte:

  • Vidal behauptet, daß 5% der US-Amerikaner im Gefängnis sitzen. Das ist meines Wissens stark übertrieben, auch wenn die Zahl der Gefängnisinsassen, von der ich weiß (1,8 Millionen) erschreckend hoch ist.

  • Vidal begreift Timothy McVeigh als Teil des weltweiten Widerstands gegen das verfaulende US-Imperium. Das ist in mehrfacher Hinsicht eine interessante Formulierung: Erstens mcht sie McVeigh zu so etwas wie einer von außen eingesickerten Bedrohung, zweitens wird aus seinem Anschlag, der eine total irre Wahnhandlung mit politischer Tarnkappe war, plötzlich so etwas wie eine politische Strategie. Ziemlich happig das.

  • "Die alte Republik", von der Vidal spricht, und die er gegen die neue Macht des militärisch-industriellen Komplexes, des "corporate America" verteidigen will, hat natürlich so nie existiert. Sie ist nur das Phantasiegebilde eines demokratischen Illyriens, das vor den Zeiten Trumans einmal existiert haben soll und markiert vielleicht eine Sehnsucht aber stellt keine historische Realität dar.

  • Wenn Vidal möchte, daß Europa endlich aus seinem Dornrörschenschlaf aufwacht und als kontinentale Macht die USA konfrontiert, dann muß er mir zunächst mal erklären, was an europäischem Imperialismus besser als an amerikanischem sein soll, und warum ihm die Vorstellung eines mit allen Mitteln ausgefochtenen Krieges zwischen den VSE (Vereinigte Staaten von Europa) und den USA nicht die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Bei mir ist das so.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

Es ist alles richtig beobachtet, was du sagst. In praschls Punkten ging es mir um den Zusammenhang "Indiz (...) dass die US-Wirtschaft zu wenig Öl hat, zu teures Öl hat, und dass sie ohne einen Krieg nicht an genügend Öl zu einem Preis kommt". Gore Vidal lieferte IMHO eine Argumentenkette USA-Öl-Irak, die aus meiner Vogelperspektive schlüssig erscheint. Da mag er sich altersweise verrennen. Es geht um Öl und Einflußsphären. Das hehre Motiv 'den Terror ausmerzen' akzeptiere ich, wenn sich die USA mit gleicher Vehemenz in Nicht-Öl-Regionen engagieren. Sehe ich aber nicht.

Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Hebel wie es im Kalten Krieg der Kampf gegen den Kommunismus war. Vorgestern 'Stalin', gestern 'Drogen', heute Osama bin Laden und morgen vielleicht 'Islam*'?

Den Terrorismus muss man bekämpfen. Terror mit mehr Gewalt zu beantworten hat einen einzigen sicheren Effekt: noch mehr Menschen sind eher USA-feindlich als freundlich gesinnt.


Oel

Unpassend, hier, aber ich habe den alten Thread verpasst: " The US State Department has pushed back its planned meeting with Iraqi opposition leaders on exploiting Iraq's oil and gas reserves after a US military offensive removes Saddam Hussein from power to early December. According to a source at the State Department, all the desired participants are not yet available. The Bush administration wants to have a working group of 12 to 20 people focused on Iraqi oil and gas to be able to recommend to an interim government ways of restoring the petroleum sector following a military attack in order to increase oil exports to partially pay for a possible US military occupation government " oilandgasinternational.com

Naja, aktuell wird die USA ja am Vertraege schliessen mit dem Irak gehindert, alle Vertraege haben Elf und Lukoil scheint es. Aber laut irakischer Opposition (siehe oben) sind die nichts mehr wert wenn die USA angegriffen hat. Wie praktisch.


argumenationsketten?

was vidal sagt, halte ich für, na ja, eher senil. nichts davon ist ein argument. und nichts davon beantwortet eine meiner fragen. ein gedanke wie: "man muss kriege führen, weil man die ausgaben für kriegsmaterial rechtfertigen muss" ist, äh, peinlich, jedenfalls, wenn man sonst permanent so tut, als wäre die us-regierung eine art gehirnwaschender polizeiapparat, der sich eben für gar nichts mehr rechtfertigt. dass bush, cheney, rice und alle möglichen anderen buddies auf der payroll von öl-campanies standen und deswegen erdölkriegspolitik betreiben, ist eine hanebüchene nicht-argumentation (milosevic stand mal auf der payroll einer bank und fischer auf der payroll eines taxiunternehmers, würde ich hier nur gerne erwähnen). übrigens, aber dazu müsste man halt mal kurz einen blick in die jüngere geschichte werfen statt verschwörungstheorien auszumalen, übrigens also hat die opec schon lange nicht mehr die position, die sie zu kissingers zeiten noch hatte (und die auch damals nicht so mächtig war, wie das die opec und die westlichen leitartikler immer glaubten).

noch was, das betrifft aber nicht vidal, sondern stefan: jugoslawien hat kein öl, nordkorea auch nicht. aber wahrscheinlich wird es irgendjemanden geben, der wieder herausfinden wird, dass man genau dort die effektivsten pipelines verlegen kann.

soviel nur für den anfang.


Dann mal raus damit, Herr Praschl

Warum dann? Jetzt muss aber schon was verdammt viel besseres kommen, als das Öl-Argument.


Warum denn so ungehalten, Herr Hack?

Wie wäre es zum Beispiel mit: Weltherrschaft? Imperialismus? Die Konkurrenz der Nationen ein für allemal gewinnen? Oder so etwas in der Art? Könnte doch sein?

Und sagen Sie doch mal, warum ausgerechnet die USA Kriege für Erdöl führen müsste? Das hat mir nämlich noch niemand erklären können.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

Ich bin nicht ungehalten. Nur gespannt auf Ihre Argumente. Angesichts der Faktenlage (Bush als globaler Pimp der amerikanischen Ölindustrie mit persönlichen Anteilen am militärisch-industriellen Komplex) ist es schon ziemlich gewagt, die Beweislast umzukehren, wenn man behauptet, dass der Krieg nicht wegen der Ölreserven geführt wird. Natürlich verkürzt dieses "Blut für Öl". Aber ganz falsch ist das Argument auch nicht. Man kann nie genug Macht und Geld haben. Ganz gemeine Gier tut's auch.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

Jugoslawien hat wohl doch Öl:

"Die Regierungen und Konzerne des Westens haben weit mehr Interesse am Zugang zu potentiell strategischen Bodenschätzen als an der Gewährung von Wiederaufbauhilfen für Bosnien. Dokumente in den Händen der kroatischen und bosnischen Serben lassen vermuten, daß Kohle- und Ölvorkommen auf der Ostseite des Dinarischen Gebirges gefunden worden sind, ein Gebiet, das den bosnischen Serben in der Kraijna durch die letzte Offensive der kroatischen Armee gerade rechtzeitig vor dem Dayton-Abkommen wieder abgenommen wurde. Bosnische Regierungsvertreter berichten, daß der in Chicago ansässige Amoco-Konzern einer von verschiedenen ausländischen Konzernen war, die daraufhin Probebohrungen in Bosnien veranstalteten. Der Westen ist sehr begierig, diese Region wirtschaftlich zu nutzen: "Die Weltbank - und die verwickelten multinationalen Konzerne - geben die betreffenden Untersuchungsergebnisse nur sehr zögerlich an die Regierungen der kriegführenden Parteien weiter <Stand Aug. 1995> (...) Darüber hinaus finden sich "beträchtliche Ölvorkommen in den serbisch besetzten Gebieten Kroatiens, und zwar an der Save, Tuzla direkt gegenüber." Dem Dayton-Abkommen zufolge ist dieses Gebiet der militärischen Oberhoheit der Amerikaner unterstellt, die ihr Hauptquartier in Tuzla haben."

Was die Begründung für die Stichhaltigkeit des Öl-Arguments angeht, so wird oft darauf verwiesen, daß die amerikanischen Ölvorräte demnächst zur Neige gehen (Vidal nennt selbst einen Zeitraum von 20 Jahren), respektive die Amerikaner geostrategisch vorgehen, weil sie diejenigen sein wollen, die die Förderung, Vermarktung etc. eines strategischen Guts wie Öl weltweit kontrollieren. Das kann ich schwer nachprüfen. Angesichts der Gegebenheiten (unter anderem fällt da sofort der extrem hohe Gesamtenergieverbrauch von US-Wirtschaft und Gesellschaft auf) fällt es mir schwer zu glauben, daß das Thema Öl beim "Krieg gegen den Terrorismus" irrelevant ist. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen (Broder), daß das eigentlich banal wäre: Staaten führen Kriege um Rohstoffe und geben das nicht zu, sondern drapieren das Ganze auf irgend eine opportune Weise. Big Deal. Mittlerweile hat sich das auch als Argument der Kriegsgegner abgenutzt. Wahrscheinlich glauben viele so fest an das Öl als wahren Grund für die neuesten Kriege, weil das die Position der moralischen Luftüberlegenheit schwächen würde, die nach 9-11 so mächtig den amerikanischen Diskurs über die Weltlage bestimmt hat.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

Die Weltherrschaft um ihrer selbst willen erstreben meines Wissens aber auch nur die Gegenspieler von James Bond. Wie verhält es sich denn gleich nochmal mit der Funktion von Staaten bei Regulierung und Durchsetzung von Profitinteressen? Stichwort ideeller Gesamtkapitalist. Öl dürfte ein nicht ganz unwesentlicher Faktor sein. Aber: Um Öl geht es sicher nicht allein und, was die unmittelbare Frage des Krieges betrifft, wahrscheinlich nicht einmal zuerst. Saddam Hussein zu stürzen ist die feste Absicht ja nicht nur der US-Regierung und/oder US-amerikanischer Interessengruppen, als deren Marionette die Bush-Administration des öfteren gern dargestellt wird. Mir ist dieser War-against-terror-in-disguise-Ansatz zu stark personalisiert, als gäbe es in Washington eine Handvoll im vorideologischen Raum agierender Strippenzieher, die der ganzen Welt (ein paar versprengte Kritiker ausgenommen) etwas vormachen. Mehr Ideologiekritik wäre kein schlechter Anfang, um nicht auf die bequem simplifizierende Anti-Bush-Position zurückzufallen oder sich auf den Stumpfsinn einer vermeintlich klügeren, weniger gierigen europäischen Position einzulassen. Auch bloss Kontinentalchauvinismus. Recht interessant, auch als notwendige Ergänzung zu Vidals zeitgeschichtlich ausgreifenden Thesen, finde ich folgende Ausführungen von den Herausgebern der (übrigens sehr zu empfehlenden) 911-Mailingliste.

"vor einem Jahr wurde die 911.jpg-Mailingliste gegruendet. -> [www.911.bemagazin.de]

Anlass war der Anschlag vom 11. September 2001 und die Allgegenwaertigkeit seiner Bilder. Es war aber nie der einzige thematische Bezugspunkt dieser Liste. Sehr bald wurde klar, dass der Krieg gegen den Terror nicht beispiellos ist und historische Vorlaeufer hat.

Wie auch die Autoren des Bestsellers >Entsichert: Krieg als Massenkultur< wieder ins Gedaechtnis rufen, wurde der Krieg gegen den Terror bereits in der Reagan-Aera gefuehrt. Bereits damals wurde die Bevoelkerung durch gezieltes Paranoia-Management in einen konstanten Kriegszustand versetzt. Minderheiten, Fluechtlingsstroeme, Kriminalitaet, Drogen und eben auch Terrorismus wurden medienwirksam als Bedrohungen fuer die Demokratie inszeniert. Staendig wurde Krieg erklaert: Erst der >War Against Terrorism<, dann der >War Against Drugs< und zuletzt der >War Against Crime<.

Gestern Dystopie, heute Utopie

Keiner dieser >Kriege< war jedoch so umfassend, allgegenwaertig und global wie der gegenwaertige >War Against Terror<, der wie ein Saeurebad fuer den politisch liberalen Common Sense verschiedenster Gesellschaften wirkt. Die Angst vor dem Ueberwachungsstaat hat in der Bundesrepublik noch 1987 zum Boykott der Volkszaehlung gefuehrt; seit dem 11. September 2001 aber werden Rasterfahndungen und biometrische Personenerkennungssysteme, totale Durchleuchtung und umfassende Speicherung als Sicherheitsverheissungen begruesst. Von den Strafprozessordnungen bis zur Einwanderungspolitik sind Kehrtwendungen durch die Inszenierung eines permanenten Ausnahmezustands begruendbar und wuenschenswert geworden.

Katalysator der Globalisierung

Was in der Reagan-Aera bereits angelegt war, tritt jetzt explizit und im globalen Ausmass zu Tage: Der gegenwaertige >War Against Terror< erfuellt fuer die Globalisierung die Funktion des Katalysators. Er ist im Gegensatz zur landlaeufig verbreiteten Meinung kein Daempfer, sondern ein Beschleuniger dieses marktwirtschaftlichen Umwelzungsprozesses. Kein Zufall ist schliesslich, dass die Kriegserklaerungen der 80er Jahre einher gingen mit der Liberalisierung der Finanzmaerkte und der internationalen Arbeitsteilung der Industrieproduktion. Was nach 1870 und 1945 als die dritte Phase der Globalisierung in die Geschichte einging, zeichnet sich heutzutage vor allem auch durch weltweite Kommunikationsnetze aus: Die Inszenierung eines permanenten Ausnahmezustands ist global kommunizierbar geworden. Sie erreicht den Buerger der westlichen Gesellschaften als Unterhaltungsprodukt (Computerspiel, Film, MTV-Clip) oder als Lifestyle-Destillat (>>Suchen Sie Ihr schoenstes Sakko aus, wir machen es Ihnen kugelsicher.<<).

Beides, die globale Oekonomie des Ausnahmezustands ebenso wie die medial-mentale Dimension des permanenten Krieges, sind Thema der 911.jpg-Mailingliste. Fuer beides ist sie Diskussionsforum und Archiv."


weltherrschaft usw.

ich sage ja gar nicht, dass öl in den kalkulationen überhaupt nicht vorkommt. wogegen ich aber- genau wie Du - sehr viel habe, ist dieser merkwürdig bescheidwisserische vulgärmaterialismus, der immer voraussetzt, was erst bewiesen werden müsste, so in der art: "da gibt?s öl, also ist es klar, dass die krieg führen"; und der wirklich glaubt, eine amerikanische regierung wäre so etwas wie die militärische abteilung der energie-abteilung der volkswirtschaft, von der sie dann eroberungsaufträge entgegennimmt oder zumindest eroberungspläne sich absegnen lässt. so funktionieren staat und politik nun mal nicht. anders gesagt: mir fehlt beim argument "blut für öl" immer das politische in der politischen ökonomie des erdöls. nicht, dass ich diese vortragen könnte. aber die leerstellen und binnenlogischen widersprüche in diesen argumentationen fallen einem halt extrem schnell auf.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

Hier ein paar interessante Informationen bzgl. der Ölthese:

1. Wo die USA das Öl herbekommen 2. Wieviel sie verbrauchen und wie ihre Vorräte sind

Ich glaube weiterhin, dass die USA weiter denken, als man ihnen zu traut. Sie mögen noch für 20 Jahre Reserven haben, aber in der Zeit wird es ihnen -sicher auch dank einer starken Lobby - nicht gelingen, das eher steigende Energieproblem in den Griff zu bekommen. Ihnen läuft wahrscheinlich ganz einfach die Zeit weg. Die Aussicht, abhängig zu sein vom wohl und wehe einiger arabischer Staaten, ist ihnen genauso unangenehm, wie 1961 der Gedanke über Atomraketen auf Kuba. Mit einem US-freundlichem Irak und den eh auf Lebenszeit an die USA gebundenen Kuwaitis hätten sie Zugriff auf 30% der weltweiten Ölvorräte und einen politischen Stachel im Fleisch des Islams.


Re: Re: Antworten von Gore Vidal

"...einen politischen Stachel im Fleisch des Islams"

Auch sehr fein differenzierend. Deutsch-arabische Gesellschaft?


@dondahlmann: abhängigkeiten.

es ist doch nicht wahr, dass die usa abhängig sind "vom wohl und wehe einiger arabischer staaten" oder es auf absehbare zeit werden könnten. es ist genau andersherum: das wohl und wehe der arabischen staaten, auch der erdölexportierenden, ist abhängig von ihrer benutzung durch die erdölgesellschaften, durch die usa und die sonstigen kapitalistischen nationen. nur so ganz allgemein gesprochen.


... dann mal raus damit!

Für einen Bären von einfachem Verstand und ohne außenpolitischen Beraterstab bietet Gore Vidal bei aller Simplizität und Rückwärtsgewandheit und vielleicht auch Senilität Anhaltspunkte. Seien seine Schlussfolgerungen teilweise richtig oder teilweise falsch, mir bietet sie Indizien, die ich in praschls Ausführungen vermisse.

@praschl: "man muss kriege führen, weil man die ausgaben für kriegsmaterial rechtfertigen muss" ist, äh, peinlich, jedenfalls".

So peinlich auch wieder nicht, wie Herr Rumsfeld hier bemerkt: Just as we no longer need a massive heavy force designed to repel a Soviet tank invasion, we also no longer need the many thousands of offensive nuclear warheads we amassed during the Cold War to deter a Soviet nuclear attack. Wenn sich die wahrgenommene Bedrohungslage ändert, kann man auch die Bereithaltung massiver Bodentruppen in Deutschland nicht mehr rechtfertigen, ditto Atomsprengköpfe: Einsatz als force de frappé hat sich überlebt, Maintainance zu teuer also abschaffen. Damit sind Rüstung und Außenpolitik eine unternehmerische, marktsichernde und -erschliessende Tätigkeit. Truppenverschiebungen werden unverhohlen unter ROI-Perspektive betrachtet. Ich sehe mehr Indizien für Gore Vidals Kette als dagegen.

Worum geht es bei diesem geplanten Krieg? @mv [11.11.2002 um 05:52] "Um Öl geht es sicher nicht allein und, was die unmittelbare Frage des Krieges betrifft, wahrscheinlich nicht einmal zuerst." @praschl [11.11.2002 um 06:1] "mir fehlt beim argument "blut für öl" immer das politische in der politischen ökonomie des erdöls. nicht, dass ich diese vortragen könnte." und [11.11.2002 um 09:51] "ich habe nur bezweifelt, dass es sich bei diesen zwecken um die kontrolle der irakischen erdölquellen handelt."

Ich bin sehr gespannt, auf welche Vermutung wir uns am Ende einigen: wenn es in der Causa Irak nicht allein um Öl geht, "der Markt" als Gemeinplatz schwierig mit Fakten zu belegen ist, worum geht es dann, lieber praschl und was sind die Belege?

@praschl [1.11.2002 um 07:23] "das wohl und wehe der arabischen staaten, auch der erdölexportierenden, ist abhängig von ihrer benutzung durch die erdölgesellschaften, durch die usa und die sonstigen kapitalistischen nationen"

Das ist IMHO zu kurz gehüpft, Entschuldigung bitte: Die "Benutzung" durch Erdölgesellschaften unterstellt einen deregulierten Markt mit gleichmächtigen Handelspartnern. Die USA und alle ölverbrauchenden Nationen haben keine Wahl, sie müssen Öl einkaufen. Die ölexportierenden Länder müssen aber nicht verkaufen. Sie können verkaufen und sie können den Preis manipulieren, weniger oder mehr Öl auf dem Markt anbieten. Und genau dieses Korrektiv wurmt die Ölgesellschaften doch: sie haben keinen Einfluß auf die Preisgestaltung da der Markt inhohem Maße reguliert ist. e.q.d.

"Dann mal raus damit, Herr Praschl!", bin gespannt.


@stefan: die wahl haben.

  1. ich habe gerade wirklich wenig zeit, deswegen sind meine antworten nicht ausführlich und genau genug: das tut mir leid.

  2. der ölhandel funktioniert völlig anders als viele menschen glauben. bei weitem die meisten ölquellen sind in der kontrolle von ölgesellschaften, die dafür den "ölstaaten" pacht bezahlen. auch bei verstaatlichten ölproduktionen sind die ölgesellschaften in nicht unerheblichem ausmaß beteiligt. deswegen wird auch der ölpreis in einem nicht unerheblichem ausmaß eben nicht von den "ölstaaten" gemacht, sondern von den ölgesellschaften. vieles von diesem preis hat mit politischen faktoren zu tun - die ölgesellschaften sprechen sich miteinander ab, es gibt nicht wirklich das, was man konkurrenz nennen könnte, anders als bei anderen rohstoffen gehen in den preisbildungsprozess sehr viele faktoren ein, die mit politischen erwägungen zu tun haben.

  3. Du sagst: die usa und alle erdölverbrauchenden nationen haben keine wahl, sondern müssen öl kaufen; und die eportierenden nationen müssen nicht verkaufen. das stimmt nicht. die erdölexportierenden nationen haben nämlich in der regel (wir reden hier nicht von norwegen, usa und uk) keine entwickelte nationale ökonomie. sie haben einen rohstoff, bzw. die staatliche souveränität über den boden, unter dem dieser rohstoff liegt. mehr haben sie nicht. sie haben innerstaatlich keinen bedarf für diesen rohstoff (von den autos usw. mal abgesehen), sie haben selbst nicht die mittel, den rohstoff zu fördern, zu verarbeiten, zu transportieren. deswegen sind die ölexportierenden staaten eben immens darauf angewiesen, öl zu verkaufen (in wahrheit schürfrechte zu verpachten): also ihren boden von anderen nationalökonomien benutzen zu lassen. die usa dagegen sind viel weniger darauf angewiesen, erdöl zu kaufen als wir denken: sie haben genug davon, sie könnten auf andere energien umsteigen (was sie aber nicht wollen, weil es sie um konkurrenzvorteile - in der konkurrenz mit anderen entwickelten nationen - brächte) usw. wohlgemerkt, wir reden hier nicht vom einzelnen unternehmer oder vom autofahrer, sondern wir reden von der nationalökonomie (in welchem wort ja schon das politische steckt). zu denken sollte einem auch geben, dass der ölpreis - der wie gesagt, vor allem von den ölgesellschaften festgesetzt wird - ziemlich niedrig ist, dass aber trotzdem die ölgesellschaften und die us-nationalökonomie immens von ihm profitieren.

noch einmal: es sind die ölgesellschaften (und im fall der usa auch der staat), die den ölpreis machen. nicht die saudis oder die kuwaitis oder sonstjemand. die saudis und die kuwaitis wollen manchmal einen größeren anteil haben - und das wird dann nach ökonomischen (machen die companies noch genügend profit?) und politischen (wie stark soll eine andere nationalökonomie werden?) verhandelt und entschieden.

so in etwa, so in der kurzfassung. ich weiß, man müsste das ausführlicher darstellen, aber dazu fehlen mir sowohl die zeit als zugegebenermaßen auch genügend detailwissen.

vielleicht hilft es ja.


@praschl: Ölhandel und Ölpreis

  1. Grundsätzlich: Sie argumentieren in die richtige Richtung. Die Rolle der erdölproduzierenden (oder sollte man sagen erdölbesitzenden?) Länder ist tatsächlich geringer, als vielfach angenommen. Andererseits ist aber auch die Rolle der Ölkonzerne weit weniger wichtig, als von Ihnen beschrieben.

Es funktioniert eigentlich recht einfach nach den Regeln einer (zugegebenermassen schwer durchschaubar regulierten) Marktwirtschaft. Es sind nicht die Ölkonzerne, "die den Ölpreis machen", sondern der Preis entsteht nach Angebot und Nachfrage, eigentlich aber nach der Erwartung von Angebot und Nachfrage. Unter anderem an den Warenterminmärkten vornehmlich in New York und Rotterdam.

Die ölexportierenden Nationen haben in aller Regel nicht nur "die staatliche Souveränität über den Boden", auch das Erdöl gehört tatsächlich ihnen. Es stimmt allerdings, dass das meiste Öl von internationalen Konzernen gefördert wird. Aber eben als Dienstleistung oder Handelsware, unter ausgehandelten Verträgen wird der erzielte Verkaufspreis geteilt. Und die Export/Förderquoten werden von den Ländern sehr wohl vorgegeben.

Das hat auch einen handfesten Grund: Um einen für die Eigentümer des Öls verkraftbaren Ölpreis zu halten (der kann höher sein, wenn die Verträge mit den Multis oder die lokale Ölqualität schlecht und die Förderkosten hoch sind, oder niedriger, etwa für Saudiarabien), müssen die Förderquoten reguliert werden - die Verbraucher kann man ja schlecht regulieren. Dazu haben sich die Länder in der OPEC formiert. Die verhandeln unter sich einen "Wunsch-Richtpreis", den sie dann über die Festsetzung von Förderquoten für die einzelnen Mitgliedsländer zu erreichen suchen.

Wenn der Ölpreis wie vor etwa eineinhalb Jahren auf Tiefstwerte sinkt, kann das mehrere Ursachen haben. Meist halten sich einzelne OPEC-Mitglieder nicht an ihre zugewiesenen Förderquoten (manchmal aus internen wirtschaftlichen, manchmal aus "anderen" Beweggründen). So war etwa Venezuela jahrelang berüchtigt dafür, sich nicht an die Quoten zu halten. Saudiarabien springt hier traditionell ein, indem es dann eben weniger fördert. Manchmal gibt es aber einen Dominoeffekt, der dadurch noch verstärkt wird, dass es ja auch Länder ausserhalb der OPEC gibt, die eben fördern, weil sie Geld brauchen (etwa Russland), egal zu welchem Preis. Manchmal hält das so lange an, bis es für die Länder tatsächlich nicht mehr profitabel ist, Öl zu fördern: Weil Überangebot = Preisverfall.

Dazu kommt, dass sich die Industrienationen gegen schwankende Preise natürlich auch absichern. Und zwar hauptsächlich durch Lagerhaltung, aber auch über die Terminmärkte. Wenn nun etwa Winter wärmer ausfallen als erwartet, sich die Lagerstände damit als zu hoch erweisen und zusätzlich noch "Quota-Cheating" gerade in ist, leiden natürlich alle Beteiligten. Auch die Ölkonzerne, deren Margen im Förderbereich verfallen. Das kompensieren sie mit höheren Margen bei der Raffinerie und im Handel, deshalb schlagen auch die Rohöl-Preisschwankungen nicht so stark auf Industrie und Konsumenten durch.

Wenn der Ölpreis steigt, manchmal weit über den "vereinbarten" Zielwert, liegt das ebenso meist an einer Verkettung von ungeplanten (und oft unplanbaren) Umständen. Etwa an zu vorsichtiger Lagerhaltung, längeren oder strengeren Wintern, politischen Ereignissen (hier kommt endlich auch der Irak ins Spiel!) usw.

Jedenfalls, alles in allem, No Rocket Science here.

  1. Warum sich hier (und auch anderswo) die USA ständig einmischt? Meiner Ansicht nach geht es ihnen eigentlich gar nicht um Kontrolle (zumindest nicht direkt). Es geht darum, die Märkte möglichst frei funktionieren zu lassen. Da besteht ein wichtiger Unterschied in der Wahrnehmung: Die wollen, glaube ich jedenfalls, die Märkte gar nicht kontrollieren, im Gegenteil, die sollen bloß frei funktionieren. Denn wenn sie das tun, stellt sich meist heraus, dass die amerikanischen Anbieter ohnehin äusserst erfolgreich sind. Für den unbedarften Beobachter sieht das dann so aus, als ob die Amis nach der Kontrolle "unserer" Märkte streben würden. Das hängt aber wohl mehr damit zusammen, dass wir (auch in Europa) noch ziemlichen Nachholbedarf zum Thema Freier Markt haben. Oder kann sich jemand vorstellen, dass ein Anti-Trust-Verfahren wie jenes gegen Microsoft bei uns in Europa möglich wäre?

Ist natürlich klar, dass das von vielen als Bedrohung gesehen wird. Ist es auch, zu Beginn jedenfalls. Langfristig aber führt es dazu, dass sich die lokalen Volkswirtschaften nachhaltig besser entwickeln. Zumindest sollten sie das. Wenn nicht viele, vor allem die noch nicht so weit entwickelten, entweder zutiefst korrupt und/oder völlig ohne Verständnis an die Herausforderungen eines freien Marktes herangehen würden. Schlicht und einfach wahrscheinlich eben noch nicht soweit sind.

Und genau hier begehen die USA den entscheidenden Fehler. So wie uns eben das Konzept der freien Marktwirtschaft noch fremd (und damit bedrohlich) ist, so haben die Amerikaner ein ernstes Problem damit, sich in kulturelle, soziale und wirtschaftliche Strukturen anderer Länder einzufühlen. Sie sind ja noch dabei, sich über ihre eigene Identität im Klaren zu werden.

Diesen Fehler aber für alles Übel in dieser Welt verantwortlich zu machen, ist auch nicht in Ordnung. Und zeugt meiner Ansicht nach zumindest von (im besten Fall unabsichtlicher) beschränkter Wahrnehmung.


Freier Markt

Bombardieren für den freien Markt? Da wird die Komplexität doch etwas sehr reduziert. Microsoft-Prozess in Europa? Wir haben einen ziemlich bissigen Wettbewerbskommissar in Brüssel und ich kann mir das sehr gut vorstellen. Auch Kartelle wie das um die damalige D-Box (Kirch, Telekom) wurden erfolgreich verhindert, was letztlich allerdings mit zum Untergang der Kirch-Gruppe geführt haben dürfte. Wir könnten uns jetzt umgekehrt über die Agrarsubventionen und die Quersubventionen diverser Industrien über Rüstungsaufträge in den USA unterhalten. Dieses Argument überzeugt mich überhaupt nicht. Es geht nicht um freien Markt, sondern vielmehr um die Zugriffsmöglichkeit für US-amerikanische Konzerne. Wenn der irakische Markt momentan von französischen und russischen Unternehmen besetzt ist, dann schafft man "Wettbewerb", indem man bombardiert.


Angst?

Ich fange übrigens langsam an, den Begründungen Bushs und anderer US-Offiziellen für diesen Krieg zu glauben, daß es ein War against Evil sei. Daß dahinter eine starke Überzeugung steht, daß man tatsächlich gegen das Böse kämpfe, daß man das richtige täte und derjenige der dagegen ist, entweder verblendet sei oder aus niedrigen Beweggründen opponiere. Daß man sich jetzt sofort wehren müsse. Daß dazu jedes (aka militärische) Mittel recht sei.

Ich vermute dahinter Angst. Angst, daß der American Way of Life (= das "Gute") bedroht sei und daß man ihn verteidigen müsse. Und die Überzeugung man auf einem moralischen höheren Standpunkt stehe. Klar, es gibt aus die Realpolitiker mit American Empire, geopolitischen Einflußsphären und ja auch dem Öl, aber den Großteil der Motivation für diesen Krieg vermute ich unter dem Standpunkt des Verteidigenmüssens unter dem Trauma, daß die Katastrophe vom 11. September zurückgelassen hat.

Dummerweise beschuldige ich für diese Theorie eine ziemliche Masse Menschen eines ziemlich simplifizierten Denkens. Mag mich hier jemand überzeugen, daß es doch einen logischen monokausalen Grund, ob es nun Öl, Weltherrschaft, "Bombadieren für den freien Markt (tm)", die Illuminaten oder sonstwas ist, für den Krieg gibt?


Re: Abhängigkeiten

Ich persönlich glaube das ja auch nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass die USA durchaus so eine Sichtweise haben könnten, zumal sie, was eine direkte Bedrohung ihrer politischen Stellung angeht, ja eh etwas paranoid sind. Auf der anderen Seite, und nur um mal die Diskussion um den Punkt zu erweitern: Ist Dein Umkehrargument nicht auch ein wenig blauäugig? Nach dem Motto: "Es ist Krieg und keiner geht hin"? Ich würde dem Arguement innerlich gerne zustimmen, allein mir fehlt der Glaube, dass der einzelne Verantwortliche dieses erkennt und dementsprechend handelt. Wenn dem so wäre, dann hätten wir seit der ersten Ölkrise schon längst alternative Energien weiter entwickelt. Wenn es also genügend Argumente schon gegeben hat, warum passiert dann nichts? Weil es sich bequemer in alten Abhängigkeiten leben läßt, als in neuen, deren Risiken man nicht abschätzen kann?

@MH: Das war ne blöde Formulierung von mir. Aber "meine Theorie" basiert eben auf dem Gedanken, dass die USA Angst haben, den Zugang zu wichtigen Bodenschätzen zu verlieren. Nicht jetzt, aber in 10 Jahren vielleicht. Ein islamisches Bündniss zwischen Iran/Irak/Saudi-Arabien käme ihnen ungelegen. Mit einem USfreundlichen Regime, hätten sie einen a) einen Keil dazwischen geschoben, b) dauernde Stützpunkte c)Öl.


den einwand der blauäugigkeit verstehe ich nicht. ich habe ja nicht gesagt, dass die usa (und deren alliierte) keine zwecke mit einem krieg gegen den irak verfolgen, ich habe nur bezweifelt, dass es sich bei diesen zwecken um die kontrolle der irakischen erdölquellen handelt.


bestseller

ist eigentlich jemandem aufgefallen, dass vidals buch 'perpetual war for perpetual peace' wochelang unter den ersten auf den amerikanischen bestsellerlisten zu finden war? ebenso ist chomsky in diesen tagen stark gefragt. nun findet sich auf diesen listen auch diverser fittnesswellnesssurvivalramsch, doch dass vidal derartig gefragt ist, kann eigentlich nur ein gutes zeichen sein.

nur eine kleine anmerkung am rande aus los angeles.


Es geht nicht um Oel.

Es geht einfach um einen Markt. Amerikanische Oel Konzerne wollen - was wohl ? - Oel kaufen und verkaufen. Amerikanische Ruestungskonzerne wollen Waffen verkaufen. In der aktuellen Regierung der USA gibt es eine schoene Synergy, die Regierenden sind sowohl mit der Energiewirtschaft als auch mit der Ruestung eng verbandelt. Da ist nix ideologisches, oder eine Angst der USA vor Resourcenknappheit, oder das Oel des Oeles willen oder sonst irgendwelche tieferen Abgruende, "it's the business, stupid."

Dann noch ein bisschen Wahlkampf und eigene Machtbasis und schwups ein neuer Krieg. Hinzu kommt, dass man nach/mit dem ersten Golfkrieg so schoene Erfahrungen machte. Praktisch keinen internen Widerstand, keine boese Presse, "Wag the dog" Propaganda funktionier (ist sonst noch jemandem Aufgefallen dass Bush das Drehbuch gelesen haben muss ?), keine eigenen Verluste. Die Barrieren zum Krieg-Fuehren sind seit dem Vietnam Trauma stark gesunken.


Re: Es geht nicht um Oel.

eines der argumente hier (kam, glaub ich, von mv, und praschl hat auch darauf hingewiesen) war ja gerade, dass das bild von der "verbandelung" zu einfach ist und dem funktionieren von politischer macht und den ausübungsmöglichkeiten und -begrenzungen ökonomischer interessen nicht entspricht. und zwar weder bei öl noch bei rüstung.

man könnte sich in zusammenhang mit diesen verbandelungen zum beispiel auch fragen, ob nicht das us-amerikanische parteiensystem, das die parteien finanziell stark von der finanzierung durch private spender abhängig macht, nicht einen typus und grad der verflechtung ökonomischer und politischer interessen hervorbringt, der dann so ähnlich funktioniert wie ein gängelband.

ob dieser verflechtungstyp ausreichen würde, damit kriege geführt werden, ist eine andere frage. ich glaube nicht daran, aber das eher aus "methodologischen" gründen als aufgrund von tatsachen oder schlüssigen argumenten (die tür zu komplexeren erklärungen offenhalten ist letztlich besser als sie bereits bei einfachen zuzuschlagen, auch wenn man damit manchmal den langen flur der überkompliziterheit betritt). dass das handeln der amerikanischen regierung ausschließlich und vollständig von interessen einzelner konzerne/industrien determiniert wird, scheint mir denn doch arg unterkomplex gedacht.


Re: Es geht nicht um Oel.

Ich finde es sehr schwach ein Argument abzulehnen, wie es hier und in anderen Kreisen der Fall ist, weil "das zu einfach waere."

Natuerlich kann ich die Erklaerung ablehnen, dass Wasser kocht weil es heiss ist, weil das "zu einfach ist" und irgendwelche tieferen Gruende in der Welt, dem Gemuetszustand des Wassers oder in den Unterhosen des Betrachters suchen.

Ich mag auch keine billigen Vereinfachungen, glaube aber nicht dass es in diesem Fall eine ist (und ich habe auch eine ganze Menge beitragender Gruende angefuehrt, sollte das entgangen sein. Mir fallen auch noch weitere ein: Ein Bush Familentrauma, ...). Ich halte aber auch nichts davon, keine Gruende mehr anzugeben und immer nur zu behaupten "Das ist ein komplexes System", denn so kommen wir zu keinerlei Aussagen ueber die Realitaet. Mit dem Krieg ist es wie mit Newton: Newton stimmt auch im grossen und ganzen, wenn es auch noch andere Faktoren gibt (von denen Einstein berichtet). So sehe ich das auch mit dem Oel. Und im Zweifel hilft Occams razor weiter:

"Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem"

"The simplest explanation is probably the right explanation." c2.com